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Eine andere Welt

Habeck kritisiert mangelnde Energiewende in Algerien – und verzückt deutsche Journalisten mit nassen Socken

In mitten aller Krisen besucht Robert Habeck Thessaloniki und begeistert deutsche Journalisten mit leichter Kost zur Weltpolitik, visionärem Nonsens und dem Meer. Die entdecken ihre romantische Seite. Für einen kurzen Moment ist alles wie früher - wären da nur nicht die Leser und Wähler.

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Endlich ist es wieder so weit. Endlich geht es wieder um Robert Habecks Socken. Waren es früher noch die furchtbar coolen Löcher darin, die deutsche Journalistenherzen höher schlagen ließen, so sind es jetzt nasse Socken. „Der Vizekanzler aber steigt unbeirrt eine Stufe zum Wasser hinab. Eine Welle schwappt darüber und durchnässt seine Krokodillederschuhe, doch nasse Füße scheinen Habeck jetzt nicht zu kümmern. Er bückt sich, tunkt eine Hand ins Wasser, leckt an seinen Fingern und sagt: ‚Salzig.‘ Er lächelt“, erzählt uns der Spiegel in einem neuen Bericht zu Habecks Besuch in Griechenland. Endlich kann sich der Spiegel-Autor wieder von seiner romantischen Seite zeigen.

Und Habeck lächelt, wie wunderbar. Sein Besuch in Thessaloniki steht unter harten Voraussetzungen – meint der einfach gestrickte Beobachter. Migrationskrise, dramatisch, dazu das Volkswagen-Beben: ein Wirtschaftsminister und Vizekanzler in schweren Turbulenzen. Doch in der Spätsommersonne an der Ägäis vergisst sich das alles schnell. Poetische Motive wie zubetonierte Strände, denen Habecks Lässigkeit trotzt, und nebenbei noch die große Weltpolitik – ganz einfach für jedermann – so toll erklärt. Das ist natürlich viel relevanter. Nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen wäre etwas „Sehnsucht nach einem weiten Horizont verständlich“, erklärt uns der Spiegel.

„Wir leben in einer neuen Ära der Geopolitik“, sagt Robert Habeck. Nein, wie ist er schlau. Der Spiegel lässt uns wissen: „Seine Botschaft: Die Welt wird rauer und er, Habeck, trägt dazu bei, Deutschlands Sicherheit und Wohlstand zu sichern.“ Man paraphrasiert und verliert schnell den Konjunktiv. Dann philosophiert Habeck über Pipelines über das Mittelmeer und grünen Wasserstoff. Erst ist Frankreich das Problem – „Die französische Regierung gibt es ja in Wahrheit im Moment gar nicht“, erklärt uns der Kenner. Der Peter Scholl-Latour unserer Zeit.

Dann die Kritik: Algerien soll die erneuerbaren Energien nicht ausreichend ausgebaut haben. „Da hat der Elan noch nicht die Regierung, die ja ein bisschen kompliziert aufgestellt ist, ergriffen“, sagt Habeck. Nein, wie böse von den Algeriern. Und wer hätte es gedacht, dass das wunderschöne Algerien – seit jeher Hort des vernünftigen politischen Ausgleichs, stabiler Demokratie und grüner Transformation – uns so im Stich lässt.

„Früher hätte man gesagt, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“, seufzt der Minister,“ und seufzt auch der Spiegel. Habeck gewinnt dann beim Tischkicker 1:0 – natürlich. Tolle Pointe. „Die Gespräche kreisen hier um mein Fachgebiet“, sagt Habeck weiter. Fachgebiet? Ach so. „Herzlichen Glückwunsch zu den tollen Wirtschaftszahlen“, sagt er laut Tagesschau zu den Griechen. Immerhin ein guter Verlierer.

Es sind Szenen aus einer anderen Welt. Das politische Berlin auf Klassenfahrt. Journalisten schwärmen, dichten und verzücken sich. Und – naja – die Realität, sie ist so weit weg. Und wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt, dann sind doch all diese Sorgen so fern und die Politik so einfach und schön. Wären da bloß nicht die nervtötenden Wähler und Leser.

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