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Angebliche Verletzung

Falsche Polizeimeldung zu Grevesmühlen: Schaltete sich Schwesigs Innenministerium ein?

Der Fall Grevesmühlen wurde auch dank einer falschen Polizeimeldung groß - man bestätigte eine angebliche Verletzung des Mädchen, die später revidiert wurde. Auf Apollo News-Anfrage liefert die Polizei eine unfassbare Begründung - die Entscheidung traf die Politik.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD)

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Ein angeblich rassistischer Angriff durch eine zwanzigköpfige Neonazi-Gruppe auf zwei ghanaische Kinder aus Ghana in Grevesmühlen sorgte bundesweit für Aufsehen. Am Samstag griffen Medien in ganz Deutschland eine Polizeimeldung über diesen Vorfall in Grevesmühlen auf. Aus der Gruppe heraus hätten „bis zu acht Personen“ das achtjährige Mädchen und ihren Vater attackiert, heißt es dort. Weiter: „Eines der Mädchen und ihr Vater wurden leicht verletzt“. Zudem ist davon die Rede, dass die Mädchen „aus einer Gruppe von ca. 20 Personen heraus angegriffen“ worden seien.

Drei Tage später stellte sich heraus: Die Meldung über den Angriff war falsch. Am 17. Juni veröffentlichte das Polizeipräsidium Rostock eine Richtigstellung, aus der hervorgeht, dass das achtjährige Mädchen „keine körperlichen Verletzungen erlitten“ hätte. Insgesamt gab es keinen körperlichen Vorfall. Doch da war die Geschichte bereits geschrieben. Bundesweit hatten Politiker ihre Bestürzung über den angeblichen Rassismusskandal geäußert. Unter ihnen die mecklenburg-vorpommerische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, gefolgt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Zu der revidierten Meldung äußerte sich keine der drei.

Es stellt sich die Frage, warum die Polizei eine derart falsche Meldung in die Welt setzte und sie tagelang stehen ließ – zumal die Polizei normalerweise immer extrem zurückhaltend bei der Weitergabe von Informationen agiert, um genau das zu verhindern. Auf Apollo News-Anfrage erklärte das mecklenburg-vorpommerische Innenministerium, dass die Polizei gesetzlich verpflichtet sei, „die Öffentlichkeit zeitnah über relevante Sachverhalte [zu] informieren“, allerdings nur basierend auf „dem jeweiligen Ermittlungsstand.“ Laut Ministerium sei aus der Meldung klar hervorgegangen, dass „die Ermittlungen am Anfang und nicht am Ende der polizeilichen Arbeit standen.“

Ein Aufschieben der Information wäre „weder mit den Ansprüchen der Öffentlichkeit an Informationen noch den Maßgaben des Presserechts vereinbar“, da es „eine sehr lange unterbleibende Information gegenüber der Öffentlichkeit“ bedeuten würde. Hierzu erklärt das Ministerium, dass man im Fall Grevesmühlen eine „umgekehrte Prüffrage“ empfiehlt.

Hätte die Polizei nicht über „die zunächst im Raum stehende Verletzung durch einen Fußtritt“ informiert, sie aber „nach weitergehender Bestätigung im Laufe des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt“ – dann hätte man „einräumen müssen“, dass eine Verletzung des Mädchens „von Anfang an als Ermittlungsansatz im Raum gewesen“ sei. So sähe sich die Polizei mit „Kritik“ aus der „Gegenrichtung“ konfrontiert. Es hätte „Vorwurfs der Verdeckung, im schlimmsten Fall der Vertuschung“ im Raum gestanden. Mit diesem Gedanken im „Bewusstsein gestaltet die Polizei ihre Öffentlichkeitsarbeit“.

Was man hier sagt, ist eigentlich unglaublich: Man ließ sich zu einer ungeprüften Aussage hinreißen, weil die Sorge vor „Kritik“ aus der „Gegenrichtung“ groß gewesen wäre, hätte man das nicht getan. Offenbar ist die Stärke des drohenden Shitstorms relevanter als das Kriterium Wahrheit. Wer den Umgang der Polizei mit der Presse kennt, weiß, dass so etwas einmalig ist – die Polizei bestätigt Vorgänge eigentlich erst bei 110-prozentiger Sicherheit. Die Behörden verordnen sich selbst normalerweise eine extreme Zurückhaltung. Warum man gerade hier in die entgegengesetzte Richtung agierte, bleibt rätselhaft.

Zumal die Verletzung des Mädchens nicht – wie sonst bei Polizeimeldungen üblich – im Konjunktiv formuliert wurde, sondern als Tatsache.

Verantwortung trägt das Innenministerium

Die falsche Erstmeldung der Polizei wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag um 01:22 Uhr veröffentlicht. Eine der ersten, die jene Meldung aufgriff, war Ministerpräsidentin Schwesig. Um 8:39 Uhr meldete sich die SPD-Politikerin zu Wort und verurteilte diesen angeblichen Angriff aufs Schärfste und machte ihn damit medial groß.

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Brisant ist dabei, dass bei derart öffentlich-relevanten Vorgängen das Innenministerium in die Pressekommunikation der lokalen Polizei eingreift und diese koordiniert. War das auch im Fall der falschen Erstmeldung der Fall?

Auf genau diese Frage, ob das Ministerium in irgendeiner Form an der Erstellung dieser Meldung beteiligt war, reagiert das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern auf Apollo News-Anfrage ausweichend. Man verweist allerdings vielsagend auf den „Erlass über die Öffentlichkeits- und Medienarbeit der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern“ – der besagt eindeutig, dass „Auskünfte an die Presse über Angelegenheiten von grundsätzlicher oder politischer Bedeutung“ nur in Rücksprache mit dem Innenministerium herausgegeben werden dürfen.

Dass der Fall Grevesmühlen von eben solcher politischen Bedeutung ist, steht außer Frage. Das Innenministerium trägt damit eindeutig die Verantwortung für die falsche Pressemeldung, die Ministerin Schwesig dankbar aufgriff. Für eine politische Vorlage im Sinne des Kampfes gegen Rechts ließ man die Polizei auf Basis reiner Gerüchte eine Falschmeldung bestätigen.

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