Bundesfamilienministerin Lisa Paus inszenierte sich in den letzten Tagen und Wochen als Ikone des Fortschritts – als die Frau, die sich dafür einsetzte im Namen eines „freiheitlichen Rechtsstaates“ endlich das Gesetz zu reformieren, das einen so schändlichen „Geist der 70er Jahre“ atme: Das Transsexuellengesetz. In Wirklichkeit ist es jedoch nicht die aktuell noch geltende Version des 1981 eingeführten Gesetzes, sondern ihre eigene Argumentation, die völlig aus der Zeit gefallen ist. Das Paus’sche Selbstbestimmungsgesetz ist nicht fortschrittlich, sondern archaisch.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) betonte in den Monaten, bevor das Selbstbestimmungsgesetz am Mittwoch nun tatsächlich beschlossen wurde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass das Transsexuellengesetz „menschenverachtend und entwürdigend“ sei. Sie kritisierte immer wieder, dass man transsexuelle Menschen über viele Jahre als „krank“ behandelt hätte und dass Betroffene auch die heute bestehenden Regelungen, die „unangemessenen“ Eingriffe in ihre Intimsphäre, als demütigend empfinden würden. Im Gesetzestext des Selbstbestimmungsgesetzes gehen Paus und ihre Kollegen dann sogar noch einen Schritt weiter: Die Begutachtungen, die für die Personenstandsänderung bislang notwendig waren, seien nicht nur „übergriffig“, sie werden mit Bezug auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen mit Folter gleichgesetzt – doch das ist schlichtweg lächerlich.
Psychotherapie wird mit Folter gleichgesetzt
Wie Frau Paus und ihre Ampel-Genossen richtig sagen, ist das Gesetz aus dem Jahr 1981 und damit mehr als 40 Jahre alt. Seitdem wurden Teile des Gesetzes vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft und aus dem Gesetz gestrichen – etwa die Regelungen, dass vor der Änderung des Personenstandes zwingend geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen vorgenommen werden mussten und der Betroffene fortpflanzungsunfähig, also sterilisiert, sein sollten. In seiner heute gültigen Form ist das Gesetz jedoch alles andere als „menschenverachtend“.
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Selbstbestimmungs-Gesetz: Eltern, die Transsexualität ihres Kindes ablehnen, können Sorgerecht verlieren
Das Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht Kindern auch gegen den Willen ihrer Eltern ihr Geschlecht amtlich ändern zu lassen – es beinhaltet aber noch mehr: Eltern, die den Geschlechtswechsel ihres Kindes ablehnen, kann das Sorgerecht entzogen werden.Die einzigen Voraussetzungen, die laut TSG heute noch erfüllt sein müssen, um seinen Geschlechtseintrag und Vornamen amtlich zu ändern, ist dass der Betroffene sich „mehr als drei Jahre und voraussichtlich dauerhaft“ nicht mit dem eigentlichen Geschlecht identifiziert und zwei dementsprechende psychiatrische oder psychologische Gutachten vorweisen kann. Zusätzlich muss der Betroffene einen sechs‐ bis zwölfmonatigen Alltagstest absolvieren – das bedeutet, dass man kontinuierlich und in allen sozialen Bereichen im gewünschten Geschlecht leben soll. Ausschlaggebend für das Gerichtsverfahren, dass vor dem Amtsgericht geführt wird, sind aber vor allem die Gutachten, die mehrere Sitzungen bei einem Psychotherapeuten oder Psychiater erfordern.
Und genau die sind es nun, die man im Gesetzestext des Selbstbestimmungsgesetzes mit „Folter und andere[n] grausame[n], unmenschliche[n] oder erniedrigende[n] Behandlung[en] oder Strafe“ gleichsetzt. Liest man das, stellt man sich als Laie wahrscheinlich erstmal ein Verhör in einem dunklen, grauen Gerichtssaal vor, in dem Betroffene vor einem großen Publikum Rede und Antwort über jedes Detail ihres Masturbationsverhalten stehen müssen – doch der Gegensatz zur Realität könnte kaum größer sein. Solche Begutachtungen finden ausschließlich in vertraulicher Atmosphäre und – wie bereits gesagt – bei Psychologen oder Psychiatern statt. Also bei Menschen, die per Berufsdefinition mit ihren Klienten über intime und unangenehme Details ihres Lebens sprechen, um ihnen zu helfen.
Ein normales, wissenschaftliches Vorgehen
Die Fragen, die den Betroffenen im Rahmen einer solchen Begutachtung gestellt werden, sind außerdem zu größten Teilen fester Bestandteil eines jeden Erstgespräch, dass durchgeführt wird, wenn man eine Therapie beginnt – der Therapeut ist unabhängig vom Krankheitsbild zur Durchführung und Dokumentation einer solchen „Anamnese“ sogar gesetzlich verpflichtet. Fragen zur Familiengeschichte und Entwicklung, zu Krankheiten, Süchten, Freundschaften und sexuellen Beziehungen und auch zu ersten sexuellen Erfahrungen sind also keine Zumutung, sondern auch bei anderen Menschen mit vielfältigen Störungsbildern, völlig normal – das lernt man als Psychologiestudent schon in den ersten Semestern des Studiums.
Wie in der Medizin dient die Anamnese dazu, ein möglichst differenziertes Bild vom Patienten zu erhalten – und das ist in der Psychologie und Psychiatrie nicht von den Lebensumständen, der familiären Situation und der psychosozialen Entwicklung des Patienten zu trennen. Deswegen geht man mit dem Patienten in den Anamnese-Gesprächen (und / oder bei der Abfrage per Anamnesebogen, den die Patienten selbst ausfüllen) systematisch durch alle wichtigen Themenfelder: Man fragt nach Details zur Herkunftsfamilie, nach der Ausbildung und dem Beruf des Patienten, seiner aktuellen Lebenssituation, vorliegenden Krankheiten und möglichen Süchten, sowie nach Details seiner Sexualität und sexuellen Erfahrungen.
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Seit das Selbstbestimmungsgesetz vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, häufen sich im Netz hämische Kommentare von Ampel-Politikern und ÖRR-Journalisten. Die Sorgen, Transsexuelle könnten in die Schutzräume von Frauen eindringen, werden lächerlich gemacht.Therapeuten machen das nicht, weil es ihnen Spaß macht, ihre Patienten mit unangenehmen oder peinlichen Fragen zu quälen, sondern weil es für die Diagnostik und die weitere Behandlung unabdingbar ist. Und das gilt laut Fachpublikationen (zum Beispiel „Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie“ von Möller, Laux und Kapfhammer) eben auch und grade für den Themenbereich Sexualität – Therapeuten sollen nach der frühkindlichen Sexualität (zum Beispiel nach „Doktorspielen“), der sexuellen Aufklärung und der „Entwicklung des sexuellen Erlebens und Verhaltens während und in der Phase direkt nach der Pubertät (Masturbation, erste sexuelle Partnererfahrungen, homosexuelle Kontakte, sich abzeichnende sexuelle Identitätsstörungen bis hin zu Transvestitismus, Transsexualität und Perversionen)“ fragen .
Kein Fortschritt, sondern Rückschritt
Dass solche Fragen den Betroffenen im Rahmen eines Verfahrens nach dem Transsexuellengesetz entwürdigen sollen, ist also nicht nur lächerlich, sondern anti-wissenschaftlich. Würde ein Therapeut nur oberflächliche, harmlose Fragen stellen, hätte er seinen Job verfehlt. Dann könnt er nicht feststellen, ob wirklich eine Transsexualität vorliegt oder ob es für den Wunsch nach der Änderung des Geschlechts andere Ursachen geben könnte – zum Beispiel eine durch mangelnden Selbstwert angestrebte Flucht aus der eigenen Identität, einen Fetisch oder auch eine wahnhafte Verkennung der eigenen Geschlechtsidentität, wie sie bei psychotischen Erkrankungen wie einer Schizophrenie vorkommen können.
Dem Betroffenen eine solche Differenzialdiagnostik vorzuenthalten, ist nicht zu seinem Wohl, sondern zu seinem Schaden. Statt eine umfassende Abklärung und so auch eine adäquate Behandlung zu ermöglichen, lässt man die Menschen mit ihren Problemen einfach allein. Man nimmt im Namen des Fortschritts in Kauf, dass mögliche psychische Leiden unbehandelt bleiben, sich über die Zeit verschlimmern und sie im weiteren Verlauf ihres Lebens falsche, wohlmöglich irreversible Entscheidungen treffen. Die Abschaffung der Begutachtungspflicht ist demnach nicht fortschrittlich, sondern archaisch.
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Ich freue mich stets über Ihre glänzenden Analysen. Die Einzelschicksale hinter diesem desaströsen Gesetz sind den Grünen offenbar völlig egal.
Ich sage es schon lange …..die sind alle auf Cannabis anders ist dies nicht mehr zu verstehen was da in Berlin abgeht.