Werbung

„Enkelkind Alice übertrumpft Opa sogar“ – Was soll diese Geschichte über Weidels NS-Großvater?

Alice Weidel soll durch die Aufdeckung der SS-Vergangenheit ihres Großvaters in NS-Nähe gerückt werden. Sie könne zwar nichts für ihren Großvater, gibt auch die Recherche zu, dennoch wird entsprechendes immer wieder suggeriert: Politisch etwa hätte „Enkelkind Alice“ ihren Opa „sogar übertrumpft“, heißt es.

Alice Weidel ist seit 2017 Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag

Werbung

Die Welt am Sonntag hat in ihrer jüngsten Ausgabe eine Recherche über Alice Weidel und ihre Familiengeschichte veröffentlicht. Ihr Großvater, Hans Weidel, war demnach Militärrichter sowie NSDAP- und SS-Mitglied. Welt am Sonntag schlüsselt die Karriere von Hans Weidel im Nationalsozialismus detailliert auf. Im Juli 1941 begann er seine Tätigkeit als Heeresrichter und wurde 1944 zum Oberstabsrichter befördert, wobei Adolf Hitler als oberster Gerichtsherr der Militärjustiz diese Beförderung persönlich absegnete. Laut der Historikerin Claudia Bade verhängten die Hitler unterstellten Militärgerichte etwa 50.000 Todesurteile.

Hans Weidel war überzeugter Nationalsozialist. Er wurde 1932 Mitglied der NSDAP und im Januar 1933 Mitglied der SS. Weidel war damit keiner der sogenannten „Märzgefallenen“, die erst nach der Reichstagswahl – oftmals aus opportunistischen Gründen – im März 1933 die NSDAP-Mitgliedschaft beantragten. Weidel war von der NS-Ideologie offenbar überzeugt, konnte in dem Staat Karriere machen und hat wohl Dutzende Verbrechen begangen.

...
...

„Alice Weidels Opa und der Vogelschiss auf seiner Uniform“

Von der deutschen Presselandschaft wurde der Beitrag von der Welt am Sonntag vielfach diskutiert. Der Focus spricht von „brisanten Recherchen“. In die gleiche Kerbe schlägt die Bild und spricht von einer „brisanten Enthüllung“. Kaum behandelt wird jedoch, inwiefern die NS-Vergangenheit ihres Großvaters jetzt von politischer Relevanz für die AfD-Chefin sein soll. Offensichtlich ist zumindest, was die Welt am Sonntag zu diesem Artikel veranlasst hat und was damit suggeriert werden soll. Überschrieben ist der Beitrag immerhin mit dem Titel „Alice Weidels Opa und der Vogelschiss auf seiner Uniform“.

„Kein Enkel haftet für seinen Opa“, schreibt die Welt am Sonntag in dem Artikel. Doch dass diese Zeilen auch so gemeint sind, nimmt man den Autoren nicht so ganz ab. Entscheidend sei der Welt am Sonntag zufolge, wie Familien mit dieser Geschichte umgehen würden. Als „exponierte Politikerin“ einer Partei, die „vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft“ ist, würde dies für Alice Weidel im Besonderen gelten.

Hans Weidel habe sich jedoch als reiner Mitläufer ausgegeben, der nur der NSDAP beigetreten sei, um seinen Beruf als Anwalt weiter ausüben zu können. All diese Behauptungen habe er mit „politischen Bescheinigungen“ unter anderem von einem Ministerialrat aus Wiesbaden gestützt. Dass man sich zu damaliger Zeit insbesondere unter Juristen in abertausenden Fällen vor Strafverfahren deckte, ist umfassend belegt. Der Fall von Hans Weidel stellt hier nicht einmal im Geringsten eine Ausnahme dar. Doch selbst wenn. Selbstverständlich kann Alice Weidel nichts für die Vergangenheit ihres Großvaters. Dennoch zieht man bei der Welt am Sonntag immer wieder entsprechende Vergleiche.

Lesen Sie auch:

So habe Hans Weidel in Leobschütz das Amt des Fraktionsführers ausgeübt. „Auch Enkelkind Alice wird Fraktionschefin ihrer AfD und übertrumpft den Opa sogar – sie wird es im Nationalparlament“, heißt es in dem Artikel. Außerdem wird in den Beitrag ein Stammbaum der Weidels eingefügt. Großvater Hans und Großmutter Luzia wird dabei symbolisch eine NSDAP-Mitgliedschaft angeheftet. Alice Weidels Vater Gerhard und sie selbst werden mit einem AfD-Logo versehen.

Es soll offenbar suggeriert werden, dass Alice Weidel in der geistigen Nachfolge ihrer Großeltern steht. Ihr Vater wird entsprechend in dem Artikel auch als „Brückenfigur“ bezeichnet. Dies gelte nicht nur in privater, sondern auch in politischer Hinsicht, wie ausdrücklich in dem Artikel heißt. Zudem wirft man Alice Weidel vor, anzugeben, nicht dieses Kapitel ihrer Familiengeschichte gekannt zu haben. 1985 starb Hans Weidel. Alice Weidel war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Ihren Großvater habe sie aufgrund „familiärer Dissonanzen“ nie kennengelernt.

Ja, Hans Weidel hat im NS-Staat eine fatale Rolle gespielt. Doch damit ist er alles andere als eine Ausnahme. Allein mehr als 7 Millionen Deutsche waren zwischenzeitlich Mitglied der NSDAP. Familiengeschichten wie die von Alice Weidel gibt es zuhauf. Inwiefern diese sogenannte „Enthüllung“ Alice Weidel über bloße Suggestionen hinweg belasten, geschweige denn irgendeinen Mehrwert bieten soll, können die Autoren nur mit recht diffusen Verweisen auf ihr Geschichtsverständnis beantworten.

Werbung