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Editorial

Die Zu-Ende-Regierer

Volker Wissing meint, es sei „Respekt“ vor dem Wähler in der Ampel zu bleiben. Die Ampel ist ein geübter Taschenspieler, wenn es darum geht neue Begründungen aus dem Hut zu zaubern, um sich selbst zu überhöhen und einen Sinn für diese Verlierer-Koalition zu konstruieren.

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„Regieren ist eine Dienstleistung“, schreibt FDP-Verkehrsminister Volker Wissing in einem Gastbeitrag für die FAZ und erklärt den Verbleib in der Ampel nicht nur zur staatspolitischen Verantwortung, sondern auch zur Frage des „Respekts“ vor dem Souverän. Wissing meint, der Souverän habe die drei Parteien „beauftragt“. Wenige Stunden später dringt Lindners neues Wirtschafts-Moratorium an die Öffentlichkeit, was allgemein als Eröffnung des Finales der Ampel interpretiert wurde. Was für eine interne Koordination.

Doch Wissings Text bringt das Selbstverständnis dieser Regierung gut auf den Punkt. Von Anfang an fühlte man sich zu Höherem bestimmt. Aus dem Zweckbündnis aus einem diffusen, fast zufällig entstandenen Wahlergebnis wollte man zunächst ein Mandat für eine „Fortschritts-Koalition“ konstruieren. Wissing beschreibt diese konfuse Idee auch ganz gut. Man habe endlich „angepackt“, was „jahrelang liegengeblieben“ war. Er nennt den „Ausbau der erneuerbaren Energien“, „digitale Netze und Ladeinfrastruktur“ und „die Sanierung von Bahn, Brücken und Straßen“. Liberale Programmatik benennt er nicht einmal hier, aber das ist nicht mal der Punkt.

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Die Idee der Fortschritts-Koalition war spätestens seit dem Angriff auf die Ukraine und der dramatischen Inflations-, Energie- und Wirtschaftskrise obsolet, doch schnell fand man eine neue Selbsthypnose, die den Drang, an der Macht zu bleiben, noch besser rechtfertigen und dieser Koalition so etwas wie einen Sinn einhauchen sollte: die staatspolitische Verantwortung. Regieren, um des Regierens willen. Die letzte Garde der Ampel-Fans bemüht jetzt sogar Trumps möglichen Wahlsieg als Imperativ, man müsse jetzt doch alles zusammenhalten, in Zeiten der Instabilität und so weiter. 

Natürlich sind das lächerliche Vorwände, um das eigene Klammern an der Macht zu rechtfertigen, weil einem schlichtweg nichts Inhaltliches mehr einfällt, warum es diese Regierung geben sollte. Und es gibt wohl nichts, was weniger Stabilität ausstrahlt als Scholz‘ Truppe.

Die Ampel ist ein Konstruktionsfehler, der keineswegs vom Souverän „beauftragt“ wurde, wie Volker Wissing halluziniert. Scholz wurde Kanzler, weil in einem bizarren Nonsens-Wahlkampf 2021, in dem alle entscheidenden Themen schlichtweg ausgeblendet wurden, Baerbock und Laschet sich selten dämlich anstellten. Die FDP wurde als liberale, bürgerliche und andere Kraft gegen die Corona-Maßnahmen gewählt. Niemand wollte dieses Bündnis. Und auch die seit jeher erzählte Verantwortung der FDP ist nichtig: Es gibt keine linke Mehrheit im Bundestag. Der Wähler wollte eine bürgerliche Mehrheit.

Doch wegen der berühmten Brandmauer half die Partei einer linken Minderheit zur Macht. Man kann auch nicht oft genug betonen: Selbstbestimmungsgesetz, Gebäudeenergiegesetz – nichts hätte ohne die FDP eine Mehrheit im Bundestag gefunden. Lindners Mantra, er würde „Schlimmeres“ verhindern, ist insofern eine Farce. Das ist auch das schlagende Argument, wenn es jetzt heißt, die Folge eines Ampel-Aus könne ja auch eine rot-grüne Minderheitsregierung sein. In gewisser Hinsicht wäre die aus liberaler Sicht sogar besser: Denn dann hätte schlichtweg kein einziger linker Plan im Bundestag eine Mehrheit. Und liberale Politik ist aktuell hauptsächlich, weitere staatsaufblähende Politik zu blockieren. 

In diesen düsteren Novembertagen wird Historisches entschieden, auch das sollte man nicht vergessen. Ist die Antwort auf die einschlagende Wirtschaftskrise irgendeine Form von Gegenwehr oder – wenn es nach SPD und Grünen geht – der Versuch, das Problem mit Geld zuzuschütten? Dann begibt sich dieses Land in eine sich selbst beschleunigende tödliche Interventionsspirale, die im Endeffekt die marktwirtschaftliche Ordnung in diesem Land zerlegen wird. Genau wie die Wähler in den USA wird auch hier Geschichte geschrieben. Darin allein besteht die „staatspolitische Verantwortung“ eines jeden. Und dafür gilt es zu tun, was immer politisch nötig ist. 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem neuen wöchentlichen Newsletter Apollo Edition.

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