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Nach Wahlniederlage

Die Selbstzerfleischung der US-Demokraten

Nach dem Erdrutschsieg Donald Trumps bei den Präsidentschaftswahlen stehen die Demokraten vor einem Scherbenhaufen. Sie müssen die Niederlage aufarbeiten und fangen an, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben.

Steht mittlerweile zunehmend alleine dar: US-Präsident Joe Biden

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Es war eine Wahlniederlage historischen Ausmaßes. Bei der Präsidentschaftswahl vor einer Woche erzielte Kamala Harris das schlechteste Ergebnis eines Demokraten seit 1988. Gegen Donald Trump so hoch zu verlieren, war für die Demokraten besonders peinlich. Jahrelang sagten linke politische Beobachter dem nunmehr designierten Präsidenten fehlende Mehrheitsfähigkeit nach.

Doch Trump gewann nun sogar, als erster Republikaner seit 20 Jahren, die Popular Vote (Mehrheit aller Stimmen). Zudem haben die Demokraten die entscheidende Mehrheit im Senat verloren. Auch im Repräsentantenhaus steht für sie am Ende nur eine Niederlage: Dort konnten die Republikaner ihre Mehrheit knapp verteidigen (Apollo News berichtete). Damit kontrollieren sie erstmals seit 2016 beide Kammern des Kongresses. Das bedeutet auch, dass den Demokraten kaum Möglichkeiten bleiben werden, Trumps politische Agenda im Kongress etwas entgegenzusetzen.

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Direkt nach dem katastrophalen Wahlabend stellten sich die ersten Demokraten die Frage, wie das passieren konnte. Zunächst sah man unter den Wählergruppen gerade Männer und die sonst eher demokratisch wählenden ethnische Minderheiten als die Schuldigen an – sie hätten der schwarzen Frau Harris das Weiße Haus gekostet. Bei Schwarzen und Latinos seien immer noch misogyne Frauenbilder weit verbreitet, argumentierte beispielsweise die den Demokraten nahestehende Beobachterin Sunny Hostin in der Talkshow The View.

Schnell kristallisierte sich allerdings ein neuer Sündenbock heraus: der amtierende Präsident Joe Biden. Dieser sei nicht schnell genug aus dem Präsidentschaftsrennen ausgestiegen. Somit sei Kamala Harris, die übrigens fast nie selbst in die Kritik gerät, zu wenig Zeit geblieben, um sich im Wahlkampf profilieren zu können. Außerdem habe er Harris‘ Wahlkampfleistung immer wieder selbst geschadet.

Inzwischen läuft seit Tagen eine Kampagne der linksliberalen US-Presse gegen Joe Biden. „Das ist alles Bidens Schuld“ titelte die New York Times wenige Tage nach der Wahl. „Herr Biden konnte allzu oft nicht den besten Weg finden, den Demokraten zum Sieg zu verhelfen, selbst wenn der Weg so einfach gewesen wäre wie, den Mund zu halten. Er scheiterte dabei, wie bei vielen anderen Dingen, und er verdient es, dafür hart verurteilt zu werden“, schrieb der Gastautor Josh Barro.

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Auch bei der Wochenzeitung The Atlantic wurde die Schuld auf den amtierenden Präsidenten geschoben: „Beschuldigt Biden. Harris war wahrscheinlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt“, hieß es dort. Solche und ähnliche Kommentare erschienen überall in den Zeitungen und Magazinen Amerikas.

Doch auch aus dem Inneren der Demokratischen Partei kommt gnadenlose Kritik an Biden. Nancy Pelosi, die langjährige Anführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, sprach in einem Interview mit der New York Times über die Niederlage. Sie sagte: „Wäre der Präsident früher ausgestiegen, wären vielleicht andere Kandidaten ins Rennen eingestiegen.“ Kamala hätte durch kurzfristig angesetzte offene Vorwahlen ihre Botschaft besser an die Leute bringen können. In einem Wettkampf der Ideen hätte sie sich durchgesetzt und wäre gestärkt aus dem Prozess hervorgegangen.

Biden hätte die Vorwahlen nicht nur durch sein spätes Ausscheiden, sondern auch auf andere Weise verhindert: „Weil der Präsident Kamala Harris sofort unterstützte, war es zu diesem Zeitpunkt praktisch unmöglich, eine Vorwahl abzuhalten“, sagte Pelosi zur NYT. Tatsächlich zögerten sie und andere demokratische Granden, wie der ehemalige Präsident Barack Obama, anfangs damit, Harris zu unterstützen. Erst, als Biden sich offensiv für seine Vizepräsidentin aussprach, folgte der Rest der demokratischen Partei.

Dabei hatte Biden selbst offensichtlich längere Zeit nicht daran geglaubt, dass Harris die Wahl gewinnen könnte. Monatelang weigerte sich der amtierende Präsident, aus dem Rennen auszuscheiden, trotz immer offensichtlicher werdendem kognitiven Abbau. Eines seiner Argumente gegen einen Rückzug war, wie demokratische Insider, beispielsweise der ehemalige Redenschreiber für Obama, Jon Favreau, berichten, dass Harris die Wahl nicht gewinnen könne. Doch laut Favreau sah es nach Bidens katastrophaler Leistung bei der ersten Präsidentschaftsdebatte gegen Trump für den Präsidenten kaum besser aus.

Laut dem Insider sollen die durch Bidens Wahlkampfteam intern durchgeführten Umfragen gezeigt haben, dass Trump über 400 Wahlmännerstimmen geholt hätte. So eine historische Niederlage hätte es für keinen demokratischen Präsidentschaftskandidaten seit Walter Mondale im Jahr 1984 gegeben. Dieser hatte gegen den Republikaner Ronald Reagan nur einen der 50 Bundesstaaten gewonnen.

Trotzdem wollte Biden auch mehrere Wochen nach der desaströsen Debatte immer noch nicht die Zügel aus der Hand geben. Erst als demokratische Politiker wie Obama und Pelosi sich gegen ihn stellten, zog sich der Präsident endgültig zurück. Plötzlich hatte er seine Meinung über Harris radikal geändert. Während Obama, Pelosi und Co. sich auf eine schnelle Vorwahl bereit machten, rief Biden Harris plötzlich inoffiziell zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten aus und bewegte damit Obama und Co. zum Nachziehen.

Es ist offensichtlich: Die Demokraten sind sich so uneinig, wie schon lange nicht. Die Mehrheit der Partei sucht Rechtfertigungen zwischen Wählerbeleidigung und Präsidentenkritik, sieht aber keine Schuld bei der Frau, die die Wahl tatsächlich verloren hat. Biden, das Aushängeschild seiner Partei, hat unterdessen Harris zur Kandidatur verholfen, obwohl er sie lange für nicht gut genug hielt. Jetzt müssen er und seine Parteifreunde sich mit Trumps Präsidentschaft abfinden. Ohne der Mehrheit im Kongress können sie ihm nämlich wenig entgegensetzen.

Erst in zwei Jahren stehen die Zwischenwahlen an. Bis dahin müssen sich die Demokraten wieder sammeln, um eine Chance bei den Wahlen zum Kongress und in den einzelnen Bundesstaaten zu haben. Nur bei einem Erfolg dort werden sie darauf hoffen können, Trump in den letzten zwei Jahren seiner Präsidentschaft etwas Nennenswertes entgegenzusetzen. Erhalten sie beispielsweise eine Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus, könnten sie die meisten von Trumps Vorhaben im Kongress scheitern lassen.

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