Werbung

Marco Buschmann und die Plage der Sozialschädlinge

Für Justizminister Buschmann gibt es besondere Menschen, die zum „Gemeinwohl" beitragen, normale Durchschnittsmenschen und böse Sozialschädlinge. Nicht nur die Rhetorik klingt beängstigend.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) stellte den Gesetzesentwurf am Donnerstagabend vor

Werbung

Es gibt in Deutschland eine Plage: die Plage der Sozialschädlinge. Sozialschädlinge sind Menschen, die alles hassen, was gut und nett ist. Sie hassen Sonnenaufgänge, ehrenamtliche Helfer, bestimmt auch Hundebabys und vor allem das Gemeinwohl. 

Wenn sich jemand für das Gemeinwohl einsetzt, wollen sie das um jeden Preis verhindern und greifen dann auch zu gewalttätigen Mitteln, um jedem, der auf die Idee kommen könnte, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, ein blutiges Zeichen zu setzen. Ihre einzige Motivation ist es, Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie sind ganz einfach von Grund auf böse, das liegt in ihrer Natur als Sozialschädlinge. 

...
...

Aber fürchten Sie sich nicht, die Regierung hat da ja schon längst etwas dagegen unternommen. Die Änderung des Strafgesetzbuches ist durch den Bundestag bereits verabschiedet worden. Letzte Woche Donnerstag stellte Justizminister Marco Buschmann (FDP) sie in einer Rede vor. Er spricht darin von „Gewalt“, deren „Sozialschädlichkeit über die Schädigung des Opfers hinausgeht“ und daher „rechtlich besonders behandelt werden“ müsse. 

Diese Gewalt solle nicht nur die eine Person schädigen, gegen die sie konkret gerichtet ist. Sie wolle zum Ausdruck bringen: „Leute, hört auf, euch für das Gemeinwohl zu engagieren!“ Das sei „Gewalt, mit der Angst und Schrecken verbreitet werden soll, damit sich Leute nicht mehr in der Tafel, in der Politik oder einer anderen dem Gemeinwohl nützenden Tätigkeit engagieren“. 

Diese Rhetorik überrascht. Aber nicht nur, weil ein vermeintlich liberaler Politiker Worte wie „Gemeinwohl“ und „Sozialschädlichkeit“ in seine Agenda aufnimmt, als würde er seine Rede in der Volkskammer halten. Sondern vielmehr wegen seiner Tätertypisierung. Für Buschmann scheint es wirklich diese Volksschädlinge zu geben, die sich als solche typisieren lassen, weil sie Dinge sagen wie: „Leute, hört auf, euch für das Gemeinwohl zu engagieren!“

Lesen Sie auch:

Buschmann scheint gegen die Bösewichte aus Kinderfilmen zu kämpfen, die sich aktiv der bösen, dunklen Seite zuordnen und gegen das Gute kämpfen, weil Gemeinsein für sie Selbstzweck ist. So eine Denkweise hat im Strafgesetz nichts zu suchen. Sie ist sogar gefährlich.

Dabei ist die beschlossene Gesetzesänderung selbst schon fragwürdig genug. So soll der Paragraf 46 Absatz 2 Satz 2 StGB, der die Strafzumessung regelt, um die „Eignung der Tat, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“, ergänzt werden. Das lässt sich im Grunde auf jede Tat anwenden. In der Bemessung der Strafe einer Körperverletzung, einer Beleidigung oder eines Mordes kann somit berücksichtigt werden – und damit strafverschärfend wirken -, wenn die Tat zur Folge hat, dass das Gemeinwohl dadurch beeinträchtigt wird. 

Das „Gemeinwohl“ ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff, das heißt, er ist gesetzlich nicht definiert und seine Auslegung ist wertungsbedürftig. Es ist gleichzeitig auch ein äußerst dehnbarer Begriff. Gleichzeitig erscheint es doch auch anmaßend, den Begriff definieren zu wollen. Wer sagt denn, dass jemand, der Parteipolitik macht, mehr zu diesem ominösen „Gemeinwohl“ beiträgt, als ein Bauer? 

Doch aus den Ausführungen des Bundestages zum Gesetzesentwurf lässt sich schließen, dass der Begriff tendenziell politisch auszulegen ist. Denn nach dem Begriffsverständnis des Antrags soll bei der Auslegung von „Gemeinwohl“ insbesondere berücksichtigt werden, „in welchem Umfang die Tätigkeit der Erfüllung grundgesetzlich geprägter Staatsaufgaben und Staatsziele dient.“ Das Gemeinwohl lässt sich also über „Staatsziele“ definieren. Noch mehr dehnbare Begriffe, die man so und so auslegen kann.

Eingegrenzt wird die Gesetzesänderung augenscheinlich dadurch, dass die Tat ja auch dazu geeignet sein muss, eine Tätigkeit, die dem Gemeinwohl dient, nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Doch auch das ist weiter gefasst, als man es aus dem Wortlaut erstmal schließen würde. Wenn eine Straftat etwa dazu führen könnte, dass jemand überlegt, sein Ehrenamt niederzulegen, kann das schon darunter fallen. Es ist nicht erforderlich, dass das Amt tatsächlich niedergelegt wird. Ausdrücklich sollen unter den Begriff auch Konstellationen fallen, „in denen eine tatsächliche Beeinträchtigung (noch) nicht eingetreten ist“.

Das Gesetz lässt damit auch ein „Hätte ja sein können“ unter Umständen schon gelten. Wieder so ein dehnbarer Begriff. Zumindest niedrigschwellige Beleidigungen werden ausgeschlossen, da die Tat eine gewisse Erheblichkeit braucht. Doch auch das erscheint wenig greifbar. Politisches Strafrecht an sich lässt schon aufmerken. Wenn das dann auch noch dafür sorgt, dass DDR-Lieblingswörter ins Strafgesetz aufgenommen werden und der Bundesjustizminister im Kampf für das Gute Brandreden gegen böse Sozialschädlinge hält, wird es beängstigend. 

Werbung