Der schier unglaubliche Schuldenberg der USA wächst immer weiter an, Unsicherheit an den globalen Märkten macht sich breit. Doch im Zentrum steht das Vertrauen in die Institutionen. Gerade Deutschland und die Schuldenbremse stellen einen wichtigen Anker dar - bis jetzt.

Eine Analyse •

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Das chinesische Finanzministerium gab kürzlich bekannt, dass im ersten Quartal des laufenden Jahres US-Staatsanleihen in Rekordhöhe abgestoßen wurden – im Wert von knapp 50 Milliarden US-Dollar. Das weltberühmte Nachrichtenportal für Finanzmärkte Bloomberg und auch die US-Zentralbank, Federal Reserve Bank (FED), bereiteten die Öffentlichkeit mit mehreren Pressemitteilungen bereits auf das Schlimmste vor: Der ständige Konflikt mit Taiwan inmitten geopolitischer Verschiebungen oder der bereits seit Donald Trumps Amtszeit anhaltende Handelskonflikt mit Peking, welcher erst kürzlich in einer Zollerhöhung auf 100 Prozent auf chinesische Elektroautos mündete (Apollo-News berichtete), seien die Gründe für die brutale Reaktion Pekings. Prompt machte sich Unsicherheit breit, die Schulden der US-Regierung würden aus dem Ruder laufen und die Vormachtstellung des US-Dollar auf den Weltmärkten würde zerbrechen.

Das scheint allerdings etwas überzogen: Bereits seit der Finanzkrise kauft und verkauft Peking in großem Maße US-Schuldtitel, insbesondere zwischen 2007 und 2016 mit großer Volatilität (Schwankung). Allein im ersten Quartal 2014 vergrößerte China das eigene Portofolio mit US-amerikanische Staatsanleihen im Wert von etwa 80 Milliarden US-Dollar, nur um dann etwa 18 Monate später dieselben Schuldtitel wieder zu verkaufen – ebenfalls in zweistelliger Milliardenhöhe.

Verkauft China vermehrt US-Staatsanleihen, dann hat es oftmals mit Problemen im eigenen Land zu kämpfen. So sind die Schulden der privaten Haushalte in China in den letzten 10 Jahren auf knapp 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen, während das Wirtschaftswachstum Chinas verhältnismäßig gering ausfällt. Auch sind aufgrund niedriger Nachfrage und hoher privater Schulden die Immobilienpreise eingebrochen, weswegen die Regierung in Peking jetzt Geld braucht, um eine Kaufoffensive zu starten und das Wohnen wieder bezahlbar zu machen – schuldenfinanziert.

Der letzte und womöglich wichtigste Faktor sind die chinesischen Einzelhandelsumsätze, die ebenfalls seit mehr als einem halben Jahr unverändert gering blieben. Das Vorpreschen Pekings im ersten Quartal dieses Jahres ist demnach nicht unbedingt eine Abkoppelung vom US-Dollar.

Bahnt sich eine Schuldenkrise an?

Dennoch spitzt sich die haushaltspolitische Krise der Vereinigten Staaten immer weiter zu. Insbesondere in den vergangenen 12 Monaten ist die Schuldenlast um über 6 Billionen US-Dollar (6.000 Milliarden US-Dollar) angestiegen, mehr als 25 Prozent davon blieb ungedeckt. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten Washingtons auf über 33 Billionen US-Dollar – eine unglaubliche, kaum kontrollierbare Summe. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP) sind die Schulden 2020 unter Donald Trump sprunghaft angestiegen, um die Folgen der COVID-Pandemie abzudämpfen.

Doch auch Joe Biden hat mit dem Inflation Reduction Act – ein massives Subventionsprogramm für die US-amerikanische Wirtschaft im Wert von über 350 Milliarden US-Dollar – den Haushalt massiv belastet. Und es mehren sich die Stimmen der Unsicherheit: Larry Fink, Chef von Blackrock, sagt, die Schuldensituation sei niemals schwieriger gewesen. Auch zahlreiche andere Investoren und Manager sprechen von einer „fürchterlichen Lage“ und „wachsenden Problemen, die nicht übersehen werden dürfen“.

Die Bewertung und Einschätzung der Risiken einer exorbitanten Staatsverschuldung können anhand einiger Indikatoren und Daten an den Finanzmärkten festgestellt werden. Dabei liefern insbesondere die Anleiherenditen von Staatstiteln – neben zahlreichen anderen Faktoren – gute Hinweise darauf, wie hoch die Risiken einer Zahlungsunfähigkeit sind. Besitzt jemand eine Staatsanleihe, dann hat dieser dem jeweiligen Staat Geld geliehen und kann dafür im Gegenzug Zinszahlungen in Anpruch nehmen. Steigt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit, beispielsweise durch einen Krieg oder eine Haushaltskrise, dann verlangen die Investoren höhere Zinszahlungen – eine höhere Rendite.

Jedoch gelten Staatsanleihen als sehr sichere Anlagewerte, da das Eintreten einer Zahlungsunfähigkeit eines gesamten Staates relativ unwahrscheinlich ist, insbesondere wenn man die größte und die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt in Betracht zieht: Die USA und Deutschland. Analysiert man die Anleiherenditen der deutschen und US-amerikanischen Schuldtitel, kann man das Lagebild und die aktuelle Situation der US-Schulden einordnen – hinweg über mehrere Krisen der vergangenen fast 20 Jahre.

Die Anleiherenditen der deutschen und US-amerikanischen Schuldscheine bewegen sich nahezu identisch miteinander. Sie weisen eine Korrelation von etwa 0.88 auf, was darauf hindeutet, dass die Renditen der beiden Länder tendenziell in die gleiche Richtung schwanken. Steigen die US-Renditen, steigen auch die deutschen Renditen, und umgekehrt. Das ist darauf zurückzuführen, dass Volkswirtschaften nicht nur national zu betrachten sind, sondern in einem gigantischen Geflecht miteinander interagieren, insbesondere im Währungspaar Euro-Dollar – es ist ein riesiger, gemeinsamer Wirtschaftsraum.

Diese Symbiose kann bereits seit Anfang der 2000er festgestellt werden. Betrachtet man jetzt die Schuldensituation der USA, dann kann man die Renditen der Bundesanleihen als Referenzwert nehmen, da Deutschland – als ökonomisch mächtigstes Land im Euroraum – sich noch nicht in einer Haushaltskrise befindet, welche globale Auswirkungen auf die Finanzmärkte hätte. Außerdem nimmt Deutschland nicht ansatzweise so viele Schulden auf, wie Uncle Sam.

Somit kann anhand von Abweichungen der US-Renditen vom eigentlich normalen Pfad – gegeben durch die deutschen Renditen – festgestellt werden, welche politischen, geopolitischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen gerade nur die USA betreffen. Gibt es globale Entwicklungen, welche beide Wirtschaftsräume betreffen, wie beispielsweise die Finanzkrise ab 2007, die Eurokrise ab 2013 oder die COVID-Pandemie ab 2020, dann sind Renditen sowohl der deutschen als auch der US-amerikanischen Anleihen betroffen und es sollten normalerweise keine Abweichungen festgestellt werden können.

Einige Trends sind deutlich erkennbar: Während der globalen Finanzkrise bewegten sich die Anleiherenditen der Bundesanleihen und der US-Staatsanleihen nahezu gleich – ebenso während der Eurokrise ab 2013, welche – wie oftmals angenommen – kein rein europäisches Phänomen war, sondern ein globales, das auch die US-Märkte betroffen hatte. Dann jedoch, kurz nach der Wahl von Donald Trump als US-Präsidenten, hob die Federal Reserve Bank die Zinsen an, um die Inflation zu bekämpfen – während die Zinsen in Europa weiter bei null belassen wurden. Daraufhin sprangen die Anleiherenditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen in die Höhe, während die Renditen der deutschen Bundesanleihen unverändert blieben. 2019 senkte dann die US-Zentralbank wieder die Zinsen.

Interessant wird es jedoch ab 2020 und in diesem Zeitraum liegt auch die Antwort auf die Frage, ob die Haushaltslage in den USA als bedrohlich einzustufen ist: In diesem Zeitraum steigt die Schuldenlast der USA auf exorbitante Höhen, allein um über 20 Prozentpunkte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Nach Ende der COVID-Pandemie wurden sowohl die USA als auch Europa von der Inflation erfasst, in Folge dessen waren die Nationalbanken gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen und die Zinsen zu erhöhen.

Während jedoch seit 2023 in Europa alle Anzeichen darauf stehen, Zinsen wieder zu senken, wird in den USA vermehrt spekuliert: Die New York Times titelte zuletzt „An Era of Peak Uncertainty“ – Unsicherheit am Höhepunkt. Dem liegt zugrunde, dass Investoren vermehrt von der US-Notenbank fordern, endlich die Zinsen zu senken, während die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt und Inflationsdaten einen positiven Ausblick geben.

Jedoch weigert sich der Notenbankchef Jared Powell klare Ansagen zu machen, rudert immer wieder zurück, wenn es um Zinssenkungen geht. Auch schlug vor etwa einem Monat der persönliche Top-Wirtschaftsberater von Joe Biden Wellen, als er auf lächerliche Weise erklärte, dass der Staat Geld verleiht, indem er Staatsanleihen ausgibt. „Funktioniert das so?“, zweifelte er seine eigene Aussage an und verstrickte sich immer weiter in seine makroökonomische Geisterfahrt.

Diese Unsicherheit an den US-Märkten und in der Politik des mächtigsten Landes der Welt – verursacht durch machtvolle Institutionen rund um das Oval Office und der Federal Reserve Bank – sind die Faktoren dafür, dass die Renditen der US-Titel abweichen von dem Normalspfad. Es sind jedoch kleinere Abweichungen inmitten eines Trends, der klare Zeichen setzt: Sowohl die deutschen als auch die US-Renditen steigen seit 2022 gleichermaßen an.

Sie sind ein hervorragender Indikator für fundamentale, wirtschaftliche Daten und die wirtschaftliche Lage. Sie spiegeln die Inflations- und Wachstumserwartungen wider – aber auch die kurzfristigen Zinsen. Da die USA und Deutschland als ein gemeinsamer, gigantischer Wirtschaftsraum zu betrachten sind, bewegen sich die Inflations- und Wachstumserwartungen in beiden Räumen relativ gleich. Was sich jedoch nicht gleichermaßen bewegt, sind die kurzfristigen Zinsen, welche vor allem durch nicht-ökonomische und politische Entwicklungen bestimmt werden – welche in den USA anders sind, als in Deutschland.

Das Vertrauen der Menschen in die Institutionen ist der Schlüsselfaktor

Der Handel mit Währungen ist der mit Abstand größte Markt weltweit, mit einem Transaktionsvolumen von täglich über 7 Billionen US-Dollar im Jahr 2022. Dabei werden fast 80 Prozent aller Transaktionen in Euro und dem US-Dollar getätigt. Die Dominanz dieses Währungspaares auf den globalen Finanzmärkten zeigt die absolute Vormachtstellung der USA und Europas, welche nicht mal eben so beendet werden kann. Das Vertrauen der Investoren – also allen Menschen, die an diesen Transaktionen mittelbar oder unmittelbar teilhaben – spielt dabei die zentrale Rolle: Solange darauf vertraut wird, dass in kürzester Zeit, vielleicht morgen sogar, mit diesem Währungspaar auf der ganzen Welt ein Handel abgeschlossen werden kann, dann ist die Vormachtstellung des Euros und des US-Dollars nahezu unantastbar.

Es braucht jedoch auch das Vertrauen in die zuständigen Institutionen, die diese Vormachtstellung lenken und leiten. Das Zentrum dieses globalen Finanzgeflechts sitzt dabei in Washington und an der Wall Street.

Die fast schon grotesk hohe Verschuldung und insbesondere Neuverschuldung der USA ist allerdings so ein Faktor, welches das Vertrauen der Menschen in die Währung und in den Staat enorm erschüttern kann. Das globale Rennen um immer höhere Neuverschuldung gleicht einem Schneeballsystem – auch Ponzi-Schema genannt – welches nur funktionieren kann, wenn neues Geld von außen, bzw. aus dem Nichts hineinfließt. Es bedarf jedoch nur einen Funken, welcher das gesamte System explodieren lassen kann – und die Folgen eines solchen Zusammenbruchs sind unaussprechlich. Aus diesem Grund ist es auch so zentral für Deutschland, dass die Schuldenbremse eingehalten wird.

Geld regiert die Welt, zumindest solange die Menschen das aktuelle Geld als Zahlungsmittel akzeptieren. Doch die Akzeptanz schwindet langsam: Die Anleiherenditen bewegen sich seit Jahren aufwärts – die Krisen der heutigen Zeit sind noch nicht bewältigt. Und das Edelmetall Gold ist auf Höhenflug. Anscheinend sind die Schulden der großen Industrieländer noch nicht auf dem Niveau, dass eine Bewegung in Gang gesetzt wird, die das ganze System in Schutt und Asche legen können. Wann der Zeitpunkt kommt, weiß niemand. Bis dahin dreht sich das Karussell immer weiter – die Show geht weiter. Doch die Finanzarchitektur des Westens, sie ist verletzbar geworden. Und die oft so gedankenlos geführte Debatte um die Schuldenbremse wird mehr und mehr zur geopolitischen Schicksalsfrage.

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