Tatort: X (ehemals Twitter). Wegen eines Hassposts schaltet im Oktober 2023 die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main den polizeilichen Staatsschutz des Hessischen Landeskriminalamtes ein. Was folgt, sind aufwendige Ermittlungen, ein Verfahren, an dem am Ende fünf Behörden aus zwei Bundesländern beteiligt waren – und knapp sieben Monate, in denen ein Student aus Berlin von der Strafverfolgung als Verdächtiger einer Straftat behandelt wird, weil er ein völlig harmloses Meme im Internet gepostet hat.
Der Fall David Duhme beginnt mit einer Strafanzeige von Amts wegen, die von einem Kommissar des Hessischen Staatsschutzes ausgefertigt worden sein soll. Wie das ZIT auf den Tweet aufmerksam wurde, möchte uns die Generalstaatsanwaltschaft aus rechtlichen Gründen auf Anfrage nicht mitteilen. Grundsätzlich seien aber nach dem 7. Oktober neben „mehreren hundert Hinweisen von Bürgerinnen und Bürgern über die Meldeplattform ‚Hessen gegen Hetze‘“, „auch eigeninitiative Recherchen von Polizei und Staatsanwaltschaft“ erfolgt. Staatliche Behörden, die das Internet ohne Anlass durchkämmen – eine höchst fragwürdige, ungewöhnliche Praxis.
Da Duhme in Berlin lebt, übergibt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main den Fall in die Landeshauptstadt. Die Berliner Staatsanwaltschaft übernimmt, die Polizei Berlin wird eingeschaltet. Damit nehmen die Ermittlungen erst richtig Fahrt auf. Ein Polizeioberkommissar sucht Duhme bei seiner Meldeadresse auf, als er da nicht zugegen ist, befragt er den Hausmeister zu seinem Aufenthaltsort. Das Belehrungsschreiben wird Duhme durch den Oberkommissar schließlich persönlich ausgehändigt.
Bis hierher ist alles schnell gegangen. Zumindest für Behördenverhältnisse. Die Aufnahme der Ermittlungen durch die Hessische Polizei und Generalstaatsanwaltschaft, die Übergabe nach Berlin, die Aufnahme der Ermittlungen durch die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft. Im März nimmt sich David Duhme einen Anwalt. Sein Strafverteidiger Walther Wegner fordert Akteneinsicht. Jetzt geht plötzlich gar nichts mehr schnell. Die Kriminalhauptkommissarin kündigt die Übersendung zwar umgehend an, über einen Monat später sind sie bei Wegner aber immer noch nicht eingegangen.
Stattdessen erhält Duhme einen Strafbefehl. Das Ermittlungsverfahren wurde somit beendet, bevor einem Verteidiger des Beschuldigten Einsicht in die Akten gewährt wurde, was grundsätzlich ein Verfahrensfehler ist, weil es die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs einschränkt. Im Mai erhält Duhmes Anwalt Walther Wegner endlich Akteneinsicht. Der bislang einseitig Verfolgte kann sich nun juristisch wehren. Im Juni kann Wegner zum ersten Mal zum Gegenschlag ausholen. Beim Amtsgericht Tiergarten geht eine Einlassung ein, eine Stellungnahme, die Wegner für seinen Mandanten schreibt. Dieses Schreiben liegt Apollo News vor.
Wie aus einem pro-israelischen Posting Antisemitismus gedreht wird
Was soll Duhme getan haben, das diesen strafbehördlichen Aufwand rechtfertigt? Am Donnerstag, den 12. Oktober 2023 postete er auf X ein Meme. Er kritisierte damit den zu vorsichtigen Umgang mit pro-palästinensischem Antisemitismus im Vergleich zum Umgang mit rechtsextremistischem Antisemitismus. Der rechtsextreme Antisemitismus wird dabei von einem Hakenkreuz symbolisiert. Es ist auf den ersten Blick erkennbar, dass beide Formen des Antisemitismus mit dieser Karikatur kritisiert werden, rechtsextremer Antisemitismus sogar gerade als abschreckendes Negativbeispiel herhalten soll. Die Botschaft des Memes ist also gerade Solidarität mit Juden. Wie konnten die Behörden das übersehen?
Der § 86a StGB, nach dem sich David Duhme durch das Posten seiner Karikatur strafbar gemacht haben soll, fasst grundsätzlich jede Verwendung von NS-Symbolik unter seinen Tatbestand. Also auch die Karikatur. So weit hatte man in den Ermittlungen wohl noch ins Gesetz geschaut. Doch was ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die vor dem Hintergrund der grundrechtlich garantierten Meinungsfreiheit eine zwingende Ausnahme macht, wenn auf den ersten Blick zu erkennen ist, dass die hinter dem Symbol stehende Ideologie kritisiert wird? Eine teleologische Reduktion nennt man so etwas unter Juristen. Diese wurde von der Staatsanwaltschaft pauschal abgelehnt, ohne ersichtliche Auseinandersetzung mit dem Meme.
Auf die Meinungsfreiheit von David Duhme wurde nur äußerst dürftig eingegangen. Es wird lediglich die Behauptung, dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der gesellschaftlichen Akzeptanz zwischen palästinensischem und rechtsextremen Antisemitismus herrsche, als „nicht substantiierbar“ abgetan. Wegner kritisierte das in seinem Schreiben: Eine Meinung ist „nicht deshalb ‚nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt‘, weil sie aus staatsanwaltlicher Sicht nicht substantiiert sein soll. Es ist gerade der Kern der Meinung in Abgrenzung zur Tatsachenäußerung, dass sie nicht substantiiert sein muss.“
Weiter normiert das Gesetz Ausnahmen – ausdrücklich für Kunst und Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens. Eine Karikatur fällt unter den Kunstbegriff. Und Duhme postete sie nur fünf Tage nach dem 7. Oktober – was wohl auch als Vorgang der Zeitgeschichte zählen dürfte. Dem anwaltlichen Schreiben nach wurde beides in den Ermittlungen nicht abgewogen, noch nicht einmal beachtet.
War das Verfahren politisch motiviert?
Prekär wird es bei einem weiteren Punkt: Wegner ist aufgefallen, dass bei der Ermittlung der Berliner Polizei festgestellt wurde, dass Nius einen Artikel über das Verfahren um David Duhme veröffentlicht hatte. Nius wurde dabei durch die Polizei als „rechtspopulistisch und rechtskonservativ“ eingeordnet.
„Es stellt sich die Frage, warum es als notwendig angesehen wurde, dies nicht nur zu erwähnen, sondern durch Fettdruck hervorzuheben. Was hat die politische Ausrichtung eines Magazins, das über meinen Mandanten schreibt, mit dem er aber keine Verbindungen hat, mit dem vorliegenden Fall zu tun und wieso wird eine solche Verbindung impliziert?“, schreibt Rechtsanwalt Wegner in der Einlassung zu den Bemerkungen. Offensichtlich stellt dieser Vermerk den Versuch dar, David Duhme in ein bestimmtes politisches Licht zu rücken. Bedeutet das, wenn man als „rechtskonservativ“ gilt, ist die Chance höher, wegen einer Straftat verurteilt zu werden?
Auf Nachfrage will die Polizei Berlin nicht beantworten, wie es zu solchen politischen Einschätzungen durch ihre Mitarbeiter gekommen ist und verweist stattdessen auf die Staatsanwaltschaft Berlin. Die Staatsanwaltschaft Berlin will uns aber aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen ebenfalls keine Fragen zu dem Fall beantworten.
Wenige Tage nach Eingang des Schreibens von Rechtsanwalt Wegner wird angekündigt, dass das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden soll. Der Spuk ist damit vorbei. Einfach so. Ein Verfahren mit Beteiligung von fünf Behörden, das über ein halbes Jahr lief, wird abgeblasen – durch ein einziges Schreiben über drei Seiten. Irgendwas daran muss also direkt ins Schwarze getroffen haben.
Hätte David Duhme sich keinen Anwalt genommen, wäre der Strafbefehl wahrscheinlich rechtskräftig geworden. Aus einem jungen Mann, der Kritik an Palästina und den Nazis und dem Umgang mit ihrem Antisemitismus übte, wäre ein Straftäter geworden, weil mehrere Polizeistellen und Staatsanwaltschaften die Bildsprache nicht verstanden haben.
Der Fall David Duhme zeichnet ein Bild von ganzheitlichem Behördenversagen. Er zeigt, wie leicht man einer Straftat beschuldigt werden kann. Es braucht nur ein bisschen Papierkram. Klar, mit dem richtigen Anwalt lässt sich das alles abschmettern. Doch mit dem falschen oder gar keinem wird mit nur einem missverstandenen Tweet aus einem rechtschaffenden Bürger ein verurteilter Straftäter.
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Das sollte uns uns in einer Demokratie zu denken geben.
Was läuft hier in diesem Staat alles schief.
Das schaut aus wie „Hexenjagt “ im Mittelalter.
Ist die Maschinerie angelaufen wird gerichtet auch wenn offensichtlich nicht verstanden wurde was der Tweet mit seiner Aussage ansprach.
Sehr gut ,dass es den Rechtsanwalt gibt der etwas von seinem „Handwerk “ versteht.
Die Vorgänge in Thüringen zeigen noch deutlicher, dass wir den demokratischen Rechtsstaat verlassen haben und in einer linken Willkürsuppe uns befinden. Die Weimarer Republik wurde auf ähnliche Weise zerstört. Mal sehen, was diesmal passiert, wahrscheinlich sind die Hakenkreuze nur andersrum gedreht. Nicht national sondern international.
Hexenverfolgung wie im Mittelalter und die Inquisitoren nehmen jede Denunziation dankbar auf.
„Ich bin der Antifaschismus!“, stellte sich der Faschismus vor, und trat langsam wieder zur Tür herein…
Auf Nius kann man die inkriminierte Karikatur anschauen,
Es ist lächerlich, dass Polizei und Justiz hierauf angesprungen sind.
Dieser halbstaatliche, fanatische Kampf gegen rechts nimmt langsam Züge an, die an die „Anti-Rechts-Bewegung“ während Mao Zedongs „Großem Sprung nach vorn“ erinnern.
Zur Erklärung: https://de.wikipedia.org/wiki/Anti-Rechts-Bewegung
Die Zeit ist nicht mehr weit entfernt, dass deutsche Staatsbürger im Ausland „politisches Asyl“ beantragen können.