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Denunzieren, das macht Spaß

Dass wirklich unklar war, ob Norbert Bolz seinen Post selbst geschrieben hat, lässt sich wohl kaum behaupten. Dennoch eine Hausdurchsuchung zu veranlassen, ist nichts als Einschüchterung - und das Spiel mit der Vorverurteilung, damit die Nachbarn was zum tuscheln haben.

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Wenn beim Nachbarn morgens die Polizei klingelt, hat man zum Frühstück großes Kino. Heutzutage ist die Welt doch so furchtbar, kahl und unpersönlich geworden. Die meisten in seiner Nachbarschaft kennt man gar nicht mehr und viel aus deren Leben bekommt man auch nicht mit. Wenn es nebenan laut wird, hört man vielleicht mal Wortfetzen durch die Wand, man sieht sich zufällig auf der Straße oder erhascht mal einen Blick in den Flur, wenn man ein Päckchen abholt. Aber wenn man seinem tiefen menschlichen Verlangen nach Lästereien und moralischer Überlegenheit nachgehen will, muss man sich mit gespielten Szenen aus dem Fernsehen begnügen. Oder mit Hausdurchsuchungen nebenan. 

Da hilft der Staat ja dankenswerterweise immer mehr nach. Plötzlich sind die Möglichkeiten endlos und der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Vielleicht was mit Drogen? Diese komischen Leute, die er immer zu Besuch hatte, die ihre Schuhe dann vor der Haustür verbreitet haben, obwohl das eindeutig gegen die Brandschutzverordnung verstößt, waren einem doch noch nie ganz geheuer. Vielleicht häusliche Gewalt? Ist es nicht schon lange her, dass man ihn mal mit seiner Frau Händchen haltend gesehen hat? Den Hund führen die auch immer getrennt aus.

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Vielleicht war es andersherum und die Frau hat ihn geschlagen? Sowas kommt in den besten Familien vor. Und bei den ganzen Hemden, die er immer trägt und sie immer bügeln muss, wäre das doch auch kein Wunder. Vielleicht hat er sich schmutzige Filmchen im Internet angeschaut? So wie der immer auf Saubermann gemacht hat, mit seinen Krawatten unterm Pullover sogar am Wochenende, wäre das ja nur typisch. Oder der Sohn hat irgendwas angestellt. Der hat auch immer so zittrige Hände, wenn er die Tür aufschließt, mit dem stimmt was nicht!

Die Unschuldsvermutung ist für den Menschen etwas Unnatürliches – und furchtbar uninteressant. Wenn die Polizei gegen jemanden ermittelt, wird sie sich da schon etwas dabei gedacht haben. Jemandem, der am Sonntag bohrt, nachts Möbel zu verrücken scheint und zu seltsamen Zeiten spazieren geht, ist alles zuzutrauen. Und wenn ein Gericht die Schuld am Ende doch nicht feststellen kann, heißt das ja nicht, dass der Angeklagte wirklich unschuldig ist – nur dass man es ihm nicht nachweisen kann. Irgendwas wird schon dran gewesen sein. 

Es erfordert kein unerschütterliches Vertrauen in den Rechtsstaat, um jedes repressive Mittel gegen andere gutzuheißen – das Misstrauen gegenüber seinen Nachbarn, Neugier und Sensationslust reichen bereits völlig aus. Man sieht sich schon als Zeuge vor Gericht auf eine Bibel schwören oder bei einem heißen Tee mit seinen Freundinnen tuscheln. „Ich würde ja niemals lästern, aber…“, „Eigentlich spreche ich ja nicht schlecht über andere Leute“, „Ich verurteile sie ja nicht, sie tut mir nur leid“. Endlich wieder ein guter Grund, um Kekse zu backen.

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Einem Staatsanwalt dürfte ziemlich bewusst sein, was es bedeutet, eine Hausdurchsuchung zu veranlassen. Selbst wenn es zum Beruf gehört und sogar Alltag ist. Hausdurchsuchungen – würde man denken – erfordern eine besondere Schwere der Tat, so etwas macht man nicht einfach so. Und auch wenn man natürlich noch im Ermittlungsstadium ist, würde man zu solchen Mitteln doch nicht greifen, wenn der Verdächtige ziemlich sicher der Täter ist. So etwas muss doch irgendwie immer angemessen sein. Oder?

Und doch wird man in dieser Annahme aktuell wieder eines Besseren belehrt. Man hätte vielleicht annehmen können, dass der Skandal und der Aufschrei um den „Schwachkopf“-Fall erst vor Monaten für Zurückhaltung in der Verfolgung von Tweets sorgen könnten. Stattdessen gab es diese Woche eine Hausdurchsuchung bei dem renommierten Kolumnisten und Autoren Norbert Bolz. Das ist auf vielen Ebenen eine Eskalation, mit der man nicht so schnell gerechnet hätte. 

Nicht nur ist Norbert Bolz im liberal-bürgerlichen Lager sehr bekannt, womit eigentlich von Anfang an klar gewesen sein dürfte, dass sich das nicht unter den Teppich kehren lassen würde. Bei ihm zieht auch das übliche Pöbel-Argument nicht. Bolz wählt seine Worte sehr genau und ist als eloquent bekannt. Man kann nicht behaupten, dass er einfach schlimmes Zeug herauspöbelt und sich einfach ein bisschen zusammenreißen könnte. Und dann ist Norbert Bolz auch noch Welt-Kolumnist – eine Hausdurchsuchung also nicht nur ein Angriff auf seine Meinungsfreiheit, sondern auch im Hinblick auf die Pressefreiheit hochproblematisch. 

Diese Aspekte sind nicht nur mit Blick auf die Außenwirksamkeit relevant. Bei anonymen Usern, bei deren Profilen im Internet vielleicht nur eine anonyme Mail-Adresse oder eine veraltete Handynummer hinterlegt sind, mag es argumentierbar sein, dass man die Identität des Nutzers nicht zweifelsfrei feststellen kann, ohne die Geräte sicherzustellen. Das macht eine Hausdurchsuchung natürlich dennoch nicht automatisch angemessen und gerechtfertigt. 

Bei dem Profil von Norbert Bolz dürfte der Zweifel dagegen extrem gering sein. Seit Wochen war der Tweet online und nicht einmal hat Herr Bolz einen Hackerangriff oder Identitätsdiebstahl beklagt. Ist es rein theoretisch möglich, dass dennoch jemand anderes von seinem Profil aus getwittert haben könnte? Klar. Das würde aber bedeuten, dass man bei jedem einzelnen möglichen Delikt im Internet eine Hausdurchsuchung machen müsste. Und auch wenn man das bei der Nachrichtenlage manchmal annehmen könnte, ist das nicht der Fall. 

Diese Hausdurchsuchung hatte im Hinblick auf die Ermittlungen damit absolut keinen Mehrwert. Man ist genauso schlau wie vorher und das war zu erwarten. Die Fragen nach der Herkunft des Posts, die die Polizisten Herrn Bolz gestellt haben, um einer tatsächlichen Durchsuchung zu entkommen, hätten genauso gut Beamte in Zivil stellen oder in einem Brief abfragen können. Es ist klar, welchen Zweck diese Aktion hatte: Einschüchterung. Das können die Verantwortlichen genauso schwer leugnen, wie Norbert Bolz die Urheberschaft seines Tweets (was er ohnehin nicht tut). 

Von uns bis zur taz ist man sich einig, dass Norbert Bolz keine Straftat begangen haben kann – keine Straftat begangen haben darf, da das ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Meinungsfreiheit wäre. Von daher ist das ganze Ermittlungsverfahren bereits eine Farce. Dass in diesem Ermittlungsverfahren aber auch noch zu einem der härtesten Mittel gegriffen wurde, das zur Verfügung steht, ist ein Skandal, der kaum in Worte zu fassen ist. Wirklich etwas anderes kann man zur Ermittlung von Drogen-, Vermögens-, Gewalt- oder Tötungsdelikten auch nicht machen. Darüber kommt eigentlich nur noch Verhör und U-Haft. 

Wenn man hört, wie überlastet die Justiz in ganz Deutschland ist, fragt man sich doch etwas zynisch, wo man denn plötzlich diese ganzen Ressourcen aufgetrieben bekommt, um jeden mickrigen Social-Media-Post zu verfolgen. Auf der einen Seite werden mögliche Gewaltverbrecher aus der U-Haft gelassen, weil zu lange kein Verfahren eröffnet werden konnte – was ihre Opfer in Angst versetzen und in Gefahr bringen kann, sofern sie noch leben. Auf der anderen Seite kann man sogar für Posts verurteilt werden, die – etwa in Fällen der Politikerbeleidigung – der Geschädigte niemals gelesen hätte, wenn er nicht Kanzleien danach das Internet absuchen lassen würde. 

Da kann man schon mal das Vertrauen in den Rechtsstaat verlieren. Verurteilungen wegen der Delikte, die man mit bösen Tweets erfüllen kann, sind nicht so schwerwiegend, einschneidend oder sogar traumatisierend wie eine Hausdurchsuchung. Erst recht, wenn sogar noch Kinder oder völlig unwissende Verwandte mit betroffen sind. Wenn man freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird, macht das auch nichts ungeschehen. Alles, was bleibt, ist eine Machtdemonstration des Staates. Und der üble Geruch der Vorverurteilung, der die Nachbarn die Straßenseite wechseln lässt.

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16 Kommentare

  • Verabscheuungswürdig das Ganze, ganz schlimm!

  • Es ist mittlerweile überdeutlich das sich die politische und somit auch die juristische Elite von der übergroßen Mehrheit des Volkes völlig abgekoppelt hat. Mir ist mangels Präzedenz in einer Demokratie unklar wie das ausgeht, aber so ein Zustand, zumal er immer deutlicher zutage tritt und immer größer wird, lässt sich nicht lange aufrechterhalten. Ich sehe keine andere Möglichkeit als das sich dieser gordische Knoten in einem unguten Knall lösen wird.

  • Dem Richter und der Staatsanwaltschaft gehört der Job entzogen…

    • Die bekommen eher das Bundesverdienstkreuz von dem vom Volk ungewählten Präsi.
      Trump hätte seinen Flugzeugträger die Spree hochschicken sollen….

  • Die Begründung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Verwendung verassungswidriger Kennzeichen ist hanebüchen. Das Fernsehen beispielsweise ist jeden Tag voll von Hakenkreuzen, Hitlergrüßen und Naziaussagen. Hier eben aus Gründen der Dokumentation vergangener Geschehnisse und eben nicht als Werbeaussage für die NS-Herrschaft. Versteht jeder, weiß jeder. Und die Absicht bei Herrn Bolz ist ebenso deutlich und ganz klar ersichtlich für jeden, daß Herr Bolz sich darüber lustigmacht. Darüber, daß woke eben auch nur das heißt, was eben übersetzt heißt. Die Staatsanwaltschaft verrennt sich ganz klar.

  • Das Erstaunliche ist in der Tat, dass hierzulande nicht nur die Polizei, sondern sogar ein in der Not von einem Arzt angerufenes Gericht noch immer so tun kann, als ob jemand sich schwerste Verletzungen mit beinahe tödlichen Folgen selbst beigebracht hat; anstatt sich damit zu befassen, ob nicht doch Dritte dafür die Schuld tragen. Auf diese Weise ist ein geradezu „perfekter Mord“ (Der Spiegel 4/1982: 47) ermöglicht. Mithin ist es insofern zunächst nichts Neues, wenn auch der Publizist und Autor Norbert Bolz seiner Preisgabe entgegenzublicken hat. Allerdings sollte dann Bundeskanzler Friedrich Merz sich nicht hinstellen und sagen, der Staat würde die Freiheit verteidigen.

  • Eine Erkenntnis aus diesem Skandal: Ricarda Lang ist klüger als Michael Kretschmer.

  • Man hat ja gesehen, daß manche Staatsanwälte so Hausdurchsuchungen ganz amüsant finden und es ihnen bewußt ist, was es heißt ein Handy oder einen PC mitzunehmen. Die Herrschenden haben es geschafft, die Gesellschaft zu spalten und es geht soweit, daß Kita Eltern eine Petition schreiben, um ein vierjähriges Kind auszuschließen, weil der Vater AFD Mitglied ist. Ich frage mich, wie kann ein Mensch, der Mitglied in einer Partei ist, die als ersten Buchstaben das C verwendet, zu diesen Dingen schweigen, geschweige denn daran mit zu wirken.

    • Tja Kontaktschuld. Die durchschnittliche Bevölkerung ist eben auch ziemlich minderbemittelt. Vielleicht sollte man den Eltern des Kindes klarmachen, daß auch beim Bäcker ihres Vertrauens „Rechte“ einkaufen, daß an der Tankstelle wo Papa tankt auch „Rechte“ tanken, daß die Straße auf der sie fahren, auf dem Geweg auf dem sie laufen, das Wasser von dem sie trinken…… Dummheit ist stark verbreitet.

  • Das rechtliche Problem bei Denunziation bzw. Diffamierung ist, daß diese nicht umgehend geahndet werden. Auch nicht, wenn diese höchst richterlich als unwahre Behauptungen festgestellt werden. Leider meist nur in einem Beschluss enden, nicht in einem Urteil.
    Man kann zwar als Betroffener Klage wegen übler Nachrede einreichen –> Hornberger Schießen.
    Da Denunzieren und Diffamieren Dank der Rot-Grünen von Staats wegen durch Meldestellen (wie kann in einer Demokratie so etwas überhaupt geduldet sein) unterstützt werden, wünsche ich Professor Bolz, daß er sehr, sehr gute Anwälte hat und soviel Unterstützung aus der Öffentlichkeit erhält, so daß man bei ihm nicht das gleiche konstruiert, wie man es bei Niehoff machte: solange suchen und rumdrehen, bis man irgend etwas findet, um das Vorgehen zu legitimieren – was letzten Endes doch noch zu einem Urteil gegen ihn führte. Was eine hahnebüchene …

  • Liebe Frau David, es ist einfach genial, wie Sie im Oberstübchen des deutschen Nachbarn herum spazieren und prospektieren. Sehr plastisch, wie da Denunziant, Oma und Teddybärwerfer kohabitieren.

  • Nur noch zum Kotzen, „…der Schoss ist noch fruchtbar, aus dem das kroch…..“ alle Jahre wieder, wie Weihnachten?

  • Der Kommentar von Herrn Bolz war total gefährlich und greift den Staat in seinen Grundfesten an. Das sind wirklich schlimme Verbrechen, da muss man nicht nur das ganze Haus durchsuchen sondern auch mehrere Jahre Gefängnis mit Standgerichtsbarkeit sind hier angebracht. Dazu brauchen wir noch mehr Meldeportale, bitte gleich in jedem Supermarkt da kann man das gleich beim Einkaufen mit erledigen den Nachbarn anzuzeigen oder den Arbeitskollegen. Auch sollte man den Abschnittsbevollmächtigen wieder einführen das hatte sich in der DDR so gut bewährt. Und auch in den Betrieben brauchen wir wieder Parteileitungen.

  • Wieder so ein Libkon dem es nur wieder darum geht irgendwie antideutsche Propaganda zu machen. Irgendwas von Woke schwadronieren und das in die Nähe des deutschen Nationalismus zu stellen.

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