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Editorial

Das unglaubliche Comeback des Donald Trump

2022 schien Trump wütend und wenig dynamisch, seine Kampagne startete schwach, seine Gegner dachten er sei der ideale schwache Kandidat, kaum jemand glaubte an ihn. Doch jetzt hat es seine Kampagne wirklich in sich und fast spielerisch fährt er Sieg um Sieg ein.

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Keine Wahlkampagne der letzten Jahrzehnte sorgte für so viele ikonische Momente wie dieser von Donald Trump: Von seinem Mugshot (Fahndungsfoto) bis zur emporgestreckten Faust mit blutüberströmtem Gesicht nach dem Attentatsversuch. Und in dieser Woche: Trump winkt mit Schürze aus dem Drive-In-Fenster von McDonald’s. 

Im Interview mit Joe Rogan erklärte Trump, die McDonald’s-Aktion sei nicht als „big deal“ geplant gewesen, sondern mehr als eine 15-minütige Wahlkampf-Kurveranstaltung. Doch die Szenen von Trump mit McDonald’s-Schürze, engagiert beim Pommes zubereiten, beherrschen das Internet tagelang. Angeblich habe sogar der Google-Chef bei Trump angerufen, wegen der enormen Zahl an Suchanfragen. Als am Schalter ein indischer Migrant in gebrochenem Englisch Trump dafür dankt, dass er auch mit „durchschnittlichen Amerikanern“ rede, entgegnet er: „An Ihnen ist nichts Durchschnittliches.“ Man könnte sagen: billig. Aber es berührt einen irgendwie, ein typischer Trump. Sein eigentümlicher Charme ist wieder da.

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Die Demokraten versuchen verschiedene Taktiken gegen Trumps McDonald’s-Moment: Zuerst schnitt man Trumps unansehnliche McDonald’s-Schürze gegen Kamala Harris‘ elegantes Foto auf dem Cover der Modezeitschrift Vogue. Ein totaler Flop: Es gibt wohl wenig, was Trump mehr in die Hände spielen könnte als der Gegensatz zwischen dem Mann des Volkes und der abgehobenen Gegenkandidatin der Ostküstenelite. Schnell änderte man die Taktik: Das Ganze sei inszeniert. Was für ein lächerlicher Vorwurf—manche fragten dann, ob Donald Trumps Showeinlagen bei Wrestling-Kämpfen auch inszeniert sein könnten und wie es mit dem Weihnachtsmann stünde. 

Das McDonald’s-Foto ist ein wirklich magischer Moment. Eigentlich gibt es keinen unattraktiveren Ort als die McDonald’s-Küche – aber dass ausgerechnet jener Milliardär Donald Trump dort steht und sichtlich Freude daran empfindet, ist irgendwie Balsam für die amerikanische Seele. Schon im Weißen Haus setzte er bei offiziellen Events auf Fastfood. Jeder achte Amerikaner hat in seinem Leben schon einmal bei McDonald’s gearbeitet – es ist eine Liebeserklärung an sie. Und: Trump scheint wirklich Spaß daran zu haben, sich in dieser Welt des einfachen Amerikaners zu bewegen. Er scheint ganz bei sich zu sein, in diesem Moment sieht man das Erfolgsrezept seiner Kampagne: Der als Millionär geborene Trump als Kämpfer des einfachen Amerikaners, und irgendwie ist es dann doch authentisch. 

Vor allem wirkt er aber wieder charmant und geistesgegenwärtig. Trump ist in den letzten vier Jahren auf skurrile Weise optisch jünger geworden, meinen viele, die Fotos vergleichen. 2021 nach seiner Abwahl war er am Boden, sein Gesicht aufgedunsen, seine Interviews fad, alles, was er sagte, irgendwie unpräzise, über-aggressiv, sein Charme, sein emotionales Konzert des amerikanischen Traums schien verloren. 2022 sorgten seine Kandidaten bei den Midterms noch für ein mieses Ergebnis, die Ankündigung seiner erneuten Kandidatur wirkte ohne jede Dynamik, US-Konservativen bereitete sie Bauchschmerzen, bei den Linken knallten Sektkorken: Ein einfacherer Gegner könnte kaum zu finden sein. Ohnehin wirkte für viele in Deutschland der Versuch, nach einer verlorenen Wahl noch einmal Präsident werden zu wollen, absurd. Manche sahen ihn vielmehr mit einem Bein im Gefängnis. 

Der Kampf gegen alle Widerstände

Doch dann begann das große Comeback von Donald Trump. Seine Prozesse gewann er ganz überwiegend oder entschärfte sie, die republikanischen Vorwahlen, bei denen er zwischenzeitlich gleichauf mit Ron DeSantis lag, gewann er am Ende mit weitem Vorsprung. Er ließ plötzlich alle alten Erzählungen von der gestohlenen Wahl hinter sich und setzte auf eine Kampagne wie 2016: nach vorne gerichtet, er als der Gewinner, Make America Great Again – Again. Mit seinem neuen Fokus und seiner neuen Frische deklassierte er einen müden Joe Biden im TV-Duell, spielte ihm derart stark mit, dass die Demokraten gleich einen zweiten Kandidaten aus dem Hut zauberten, um überhaupt noch eine Chance zu haben.

Dann folgten zwei Attentatsversuche, aus denen Trump kämpfend und lächelnd hervorging. Selbst seine ärgsten Gegner zollen seinem Mut plötzlich Respekt. In dem Moment inszeniert er sich als der perfekte Anführer – unabhängig aller Inhalte, als Person. Wer sonst wäre in dieser Situation zu solch einer Tat, einem solchen Symbol fähig gewesen? Er präsentiert sich als starker Mann, der auf der Weltbühne bestehen kann. Ritt er sich 2020 immer weiter in Schwierigkeiten, zerstritt sich mit jedem, gelingt ihm jetzt scheinbar alles: Elon Musk wird perfekt integriert, er sichert sich Robert F. Kennedy für seine Kampagne. Und jetzt will nicht einmal Jeff Bezos‘ linkes Vorzeigeblatt, die Washington Post, Kamala Harris offiziell unterstützen – ihre Kampagne ist im Keller.

Und Trump ist omnipräsent: Mit seinem Privatjet mit goldener Schrift tritt er mehrmals am Tag auf, seine Wahlkampf-Rallyes hält er direkt am Flughafen, um gleich weiter zu können. Das unglaubliche Pensum scheint dem 78-Jährigen wenig anzuhaben. 

Die Wahl in weniger als zwei Wochen ist noch nicht entschieden, aber wenn Trump gewinnt, würde man sagen: Darauf ist es irgendwie hinausgelaufen, der Lauf der Geschichte. Es gibt kaum einen Präsidenten, der seine Wahl so erzwungen und insofern auch so verdient hätte. Es ist auch aus dieser persönlichen Entwicklung eine Art Personifizierung Amerikas: Alles ist möglich. Der Kampf gegen alle Quoten ist Donald Trumps Lebensthema. Trotz aller berechtigten inhaltlichen Kritik auch vieler Konservativer kommt man nicht umhin, diese Entwicklung, diesen Kampf zurück an die Spitze als geradezu inspirierend zu empfinden.

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