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Thüringer Landtag

CDU, BSW und SPD setzen auf maximale Eskalation gegen die AfD – das könnte sich rächen

Der neu konstituierte Thüringer Landtag hat die AfD als stärkste Fraktion von wichtigen Ämtern ausgeschlossen, man hat sich dabei zahlreicher fragwürdiger Tricks bedient. Damit gibt man der Partei das perfekte Argument für einen Total-Boykott schon mit an die Hand.

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Nach dem umstrittenen Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs hat sich der Erfurter Landtag am Samstag konstituiert. Entgegen den parlamentarischen Bräuchen wird die AfD, als stärkste Fraktion, jedoch nicht den Parlamentspräsidenten stellen. Selbst das alleinige Vorschlagsrecht wurde ihr durch die von CDU und BSW auf den Weg gebrachte Geschäftsordnungsänderung genommen.

Bei der Wahl konnte sich schließlich Thadäus König (CDU) mit 54 Stimmen gegen die AfD-Kandidatin Wiebke Muhsal (32 Stimmen) durchsetzen. Die übrigen Parteien wollten der AfD noch nicht einmal den Vizepräsidentenposten gönnen. Als Muhsal für den Posten des Vizepräsidenten kandidierte, fiel sie ebenfalls klar durch. Auch hier erhielt sie nur 32 Ja-Stimmen.

Die Mehrheit des Thüringer Landtags hat neben dem Wahlverfahren für den Landtagspräsidenten auch das Berechnungssystem für die Ausschussbesetzung geändert. Statt des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens wird nun das Rangmaßzahlverfahren angewandt, was kleinere Fraktionen begünstigt. Durch diese Änderung und die Festlegung der Ausschussgröße auf zwölf Mitglieder verliert die AfD in allen Ausschüssen ihre Sperrminorität. In sämtlichen Ausschüssen wird die AfD nur vier Abgeordnete stellen und damit die Sperrminorität um genau eine Stimme verfehlen.

Für die Landtagsmehrheit könnte sich das noch rächen. Die AfD verfügt im Plenum über die Sperrminorität und kann damit zahlreiche Entscheidungen des Landtags blockieren. Änderungen der Landesverfassung werden etwa ohne Übereinkunft mit der AfD nicht mehr stattfinden können.

Doch die Macht der AfD geht weit darüber hinaus. Häufig genannt wird in diesem Zusammenhang die Wahl der Verfassungsrichter. Während auf Bundesebene die Verfassungsrichter von einem Wahlausschuss gewählt werden, wird in Thüringen die Wahl der Verfassungsrichter vom gesamten Landtag vorgenommen. Die von CDU, BSW, SPD und Linke herbeigeführte Änderung des Berechnungsverfahrens, durch welche die AfD die Sperrminorität in den Landtagen verloren hat, ist bei der Wahl der Verfassungsrichter also nicht relevant.

Ohne zumindest teilweise Zustimmung der AfD können in Thüringen also keine Verfassungsrichter mehr ernannt werden. Relevant werden dürfte dies zum ersten Mal 2025. Dann steht die Neuernennung von zwei stellvertretenden Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs an. 2026 muss dann mit Klaus Hinkel auch ein Verfassungsrichter ersetzt werden.

Zudem könnte die AfD die Arbeitsfähigkeit des Richter- und Staatsanwaltswahlausschusses sabotieren. Jedes Mitglied dieses Gremiums muss zwei Drittel der Stimmen des Landtags hinter sich bringen. Zwar könnten die derzeit im Amt befindlichen Wahlausschüsse für eine längere Zeit geschäftsführend weiterarbeiten, langfristig könnte die AfD hiermit jedoch die Neuernennung von Richtern und Staatsanwälten in Thüringen blockieren.

Selbiges gilt auch für die Parlamentarische Kontrollkommission. Die Parlamentarische Kontrollkommission überwacht den Thüringer Verfassungsschutz und legitimiert dessen Arbeit gemäß Artikel 97 der Landesverfassung. Seit einem Gesetz von 2022 besteht die Kommission aus fünf Mitgliedern, die je mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden müssen. Sofern die AfD im neuen Thüringer Landtag der Opposition angehören wird – wovon Stand jetzt auszugehen ist – stehen ihr zwei Sitze in dem Gremium zu.

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Das Thüringer Landesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens vier Mitglieder benötigt, um handlungsfähig zu sein. Sollte keine neue Kommission gewählt werden, würden die bisherigen Mitglieder ihre Arbeit fortsetzen. Da die aktuelle Kommission nur vier Mitglieder hat, würde schon das Ausscheiden eines einzelnen Mitglieds die Arbeitsfähigkeit gefährden. In diesem Fall hätte die AfD durch ihre Blockadehaltung die Möglichkeit, die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes zu blockieren. Die Legitimität des Landesverfassungsschutzes stünde dann massiv in Frage. Wie sich der Thüringer Verfassungsgerichtshof verhält, wenn der Verfassungsschutz dennoch seine Arbeit fortsetzt, ist völlig offen.

Die Konstituierung des Thüringer Landtags und die anschließende Wahl des Parlamentspräsidenten haben die politischen Spannungen in Thüringen weiter verschärft. Durch die Wahl von Thadäus König (CDU) zum Landtagspräsidenten und die Ablehnung der AfD-Kandidatin Wiebke Muhsal sowohl für dieses Amt als auch für den Posten des Vizepräsidenten, wurde die stärkste Fraktion von wichtigen parlamentarischen Positionen ausgeschlossen. Im Laufe der Legislatur könnte sich das noch erheblich rächen.

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