Kollaps der Anti-FPÖ-Koalition: Diese Lehren müsste die CDU ziehen
Koalitionsverhandlungen scheitern, Nehammer tritt zurück - drei Monate nach der Wahl steckt Österreich in einer politischen Sackgasse. Die Entwicklungen in Wien liefern auch klare Botschaften an die deutsche Politik - drei Lehren muss insbesondere die Union ziehen.
Auch das wird nichts: Nachdem die österreichischen liberalen NEOS die Koalitionsverhandlungen bereits verlassen hatten, beendet die christdemokratische ÖVP nun die Gespräche mit der SPÖ. Mit den Sozialdemokraten sei keine Regierung zu machen gewesen, erklärt sich Bundeskanzler Nehammer – die „destruktiven Kräfte in der SPÖ“ hätten „die Oberhand gewonnen“. Die ÖVP „kann und wird kein Programm unterzeichnen, das wirtschaftsfeindlich, wettbewerbsfeindlich, und leistungsfeindlich ist“, erklärt er. Nehammer spricht von „Leistung, Familie und Sicherheit“ als „die drei Leitlinien unseres Programmes.“ Diese hätte man mit der SPÖ nicht umsetzen können. „Uns allen ist bewusst, dass man in Regierungsverhandlungen Kompromisse eingehen muss – aber niemals zulasten der Menschen.“
„Mit uns gibt es keine Bevormundung, keine Zerstörung von Arbeitsplätzen, und keine Vernichtung von Wohlstand.“ Es habe stets außer Zweifel gestanden, dass die Partei zu diesen Grundsätzen stehen werde. „Es gab nie einen Zweifel daran, dass wir Eigentums- und Erbschaftssteuern nicht zustimmen werden. (…) Ich halte mein Wort: Solche Steuern schaden unserem Land, schaden unserer Wirtschaft und den Menschen, die sich etwas geschaffen haben.“ All das habe jedoch die SPÖ gewollt, drückt der ÖVP-Chef aus.
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Er sei gegenüber den Wählern der ÖVP „persönlich im Wort“, sagt Nehammer. „Redlichkeit ist in der Politik nicht sexy“, erklärt er – „ich werde mich trotzdem nicht verbiegen.“ Daher zieht er die Konsequenzen: „Ich werde mich als Bundeskanzler und auch als Parteiobmann der Volkspartei in den nächsten Tagen zurückziehen, um einen geordneten Übergang zu ermöglichen.“
Nehammer zieht damit die Konsequenz aus seinen Versprechen – dazu gehörte auch der klare Ausschluss einer Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Herbert Kickl. Dessen Wahlsieg hat das politische System in Österreich jetzt umgeworfen und alle Parteien in eine Vermeidungstaktik gegen ihn gezwungen, die nun gescheitert ist.
Von Ibiza zum Wahlsieg: Der Wiederaufstieg der FPÖ
Die Geschichte dieses denkwürdigen Wahlsieges beginnt 2019 – ganz unten. Erfolgreich hatte eine Schwarz-Blaue Koalition unter Bundeskanzler Sebastian Kurz regiert und konservative Politik im besten Sinne gemacht: Alle Bürgerlich-Konservativen in Europa blickten damals bewundernd nach Österreich. Der Ibiza-Skandal um den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war es, der diese erfolgreiche Regierung schließlich jäh sprengte. Die Partei war im Auge des Skandals – „FPÖ am Ende“, titelte damals das Boulevard-Blatt Kronen-Zeitung.
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Die FPÖ verlor bei den Neuwahlen nach der Ibiza-Affäre krachend. Während der ehemalige Bundespräsidentschafts-Kandidat Norbert Hofer Parteichef wurde, wuchs auch Kickls Macht. Die Bedingung der ÖVP, im Zuge der Ibiza-Affäre auch seinen Rücktritt zu fordern, obwohl er mit ebenjener nichts zu tun hatte, stärkte ihn innerparteilich als eine Art Märtyrer – Kurz ließ der FPÖ quasi keine andere Wahl, als sich hinter Kickl zu versammeln. Ein taktischer Fehler, wie sich heute zeigt – denn eigentlich war Kickls Zeit als Innenminister der türkis-blauen Regierung nicht gerade ein Erfolg, sondern eher von Peinlichkeiten und Skandalen geprägt.
Kickl war schon unter Strache das „radikale Gesicht“ der FPÖ. Während die rechte Partei, im Gegensatz zur AfD in Deutschland, längst etabliert ist und Regierungen stellt, löste Kickl auch bei vielen Bürgerlichen Unbehagen aus. Er war es, wegen dem das Wort „Brandmauer“ seinen Weg aus der Bundesrepublik ins österreichische Polit-Deutsch fand.
Er ist mehr als nur ein Provokateur – er surft geradezu auf den Wellen der Empörung, die er genüsslich auslöst. Kickl nennt sich gerne „Volkskanzler“ – wenn man ihm vorhält, dass Hitler sich genauso bezeichnet habe, rudert er nicht zurück, sondern setzt einen drauf. Seine Wahlkämpfe sind streckenweise von sachfremder Polemik und oft reinem Populismus geprägt. Oft wird er in seiner Rolle als radikale Reizfigur mit Björn Höcke in Deutschland verglichen.
Kickl gilt als brillanter Polit-Stratege. Als politischer Ziehsohn von FPÖ-Legende Jörg Haider und rechte Hand von Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache war er es, der es schaffte, das lange bestehende Vakuum nach dem Ibiza-Skandal auszufüllen. Straches Kurs, der die FPÖ von einer freiheitlichen Partei in Richtung einer „sozialen Heimatpartei“ bewegte, kam aus Kickls Feder, meinen Beobachter – diese Ausrichtung führte dieser als Parteichef dann konsequent zu Ende.
Die Coronazeit inklusive harter Maßnahmen in Österreich kamen ihm dabei zur Hilfe, die Partei wieder aufzurichten: Die Maßnahmen in der Alpenrepublik waren nochmal entschieden härter und damit polarisierender als die in Deutschland, etwa mit Hinblick auf eine beschlossene Impfpflicht und einen Lockdown für Ungeimpfte. Kickl war es, der – gegen den Widerstand so mancher in der FPÖ – die Partei voll für das maßnahmenkritische Milieu öffnete.
Kickl ist anders als der klassische FPÖler: Er entstammt als Arbeiterkind nicht dem akademischen Milieu, hat nicht die Verbindungen der korporierten Burschenschaftler, die die FPÖ prägten und prägen. Er war lange in der zweiten Reihe, im Schatten geblieben. Dort hatte auch etwa ein Jörg Haider ihn bewusst verortet – Kickl ist kein Sympathieträger, tritt radikal auf. Charisma oder Volksnähe strahlt der „Volkskanzler“ nicht aus. Und seine politischen Problematiken haben ihn lange unmöglich gemacht. Während man in der ÖVP und in der Vergangenheit auch in der SPÖ zur Zusammenarbeit mit der FPÖ bereit ist, ist es Kickl, der abgelehnt wird. Auch Nehammer hatte vor der Wahl im letzten Jahr Kickl als Person, nicht aber die FPÖ ausgeschlossen.
Die ÖVP bekam im September 2024 ihre Quittung für die Regierung mit den Grünen: elf Prozent verloren – die Verluste dabei fast deckungsgleich mit den Zugewinnen der FPÖ – und hinter den Rechten zweitstärkste Kraft. Eine Niederlage ungekannten Ausmaßes. Die FPÖ feierte mit 28,9 Prozent den Wahlsieg und einen historischen Erfolg. Das war Kickls Erfolg – der Unmögliche ist jetzt unvermeidbar geworden.
Dabei versuchten die ÖVP, die anderen Parteien und auch der Bundespräsident nach der Wahl alles, um ihn zu umgehen. Seitdem hat die Partei in Umfragen nur noch hinzugewonnen, während die ÖVP weiter abgebaut hat. Alle Versuche, eine Anti-FPÖ-Koalition zu schmieden, sind nicht nur gescheitert, sondern haben die FPÖ gestärkt. Die steht in Umfragen inzwischen klar über 30 Prozent.
Drei Lehren für Deutschland – Friedrich Merz sollte mitschreiben
Die Ereignisse in Österreich enthalten klare Botschaften für die Bundesrepublik. Es sei jedem Politiker, jedem Strategen und jedem Berichterstatter nur geraten, sich die Entwicklung genau anzugucken, die die jetzige Situation in Wien schließlich herbeigeführt haben – insbesondere der Union und ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, der scheinbar auf dem Weg ist, die Fehler der ÖVP zu wiederholen.
Erstens: Eine Koalition mit den Grünen ist zum Scheitern verurteilt. Während der linke Rand der Union, getragen von Köpfen wie Daniel Günther und Hendrik Wüst, die Erzählung von Schwarz-Grün als Erfolgsmodell verbreitet (und auch Friedrich Merz sich zuletzt offener zeigte), ist das Schicksal der ÖVP in Österreich eine Mahnung auch für das Konrad-Adenauer-Haus: Eine Regierung mit den Grünen schwächt die Christdemokraten und stärkt alles Rechts von ihnen. Einen „Politikwechsel“, den die Union im Wahlkampf mantraartig verspricht, kann man sich im Falle einer Koalition mit den Grünen abschminken – stattdessen kann man in diesem Fall direkt die Clownschminke auftragen, denn in einem schwarz-grünen Zirkus wird vor allem die Union zur Lachnummer werden. Die ÖVP verlor so stark wie noch nie nach ihrer Zusammenarbeit mit den Grünen – das sollte die Union schleunigst begreifen.
Zweitens: Eine Einbindung rechter Parteien verspricht mehr Erfolg als die Brandmauer. Die türkis-blaue ÖVP-FPÖ-Koalition regierte erfolgreich bei im Grunde stabilen Umfragewerten für beide Parteien – im Trend sank die FPÖ leicht, während die ÖVP erstarkte. Politik im Sinne beider Wählergruppen wurde umgesetzt – das sorgte für politische Stabilität. Im Vergleich dazu die Regierungszeit mit den Grünen: Abgesehen vom demoskopischen Phänomen eines anfänglichen Corona-Hochs für die Kanzlerpartei ÖVP begann hier der stete Abstieg in den Umfragen, begleitet von Streit, Hickhack und Demütigungen in der Koalition. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass der CDU und einem Kanzler Merz genau so ein Schicksal mit den radikalen Grünen drohen würde, denen schon die Ampel am Ende nicht links genug war.
In der Koaliton war die FPÖ weitgehend um Mäßigung bemüht – nach ihrem Ende hatte der radikale Kickl Oberwasser und führte die Partei weiter nach Rechts. Ließe sich diese Entwicklung auf Deutschland übersetzen, hieße das: Wenn etwas die Radikalen in der AfD in Schach halten könnte, dann wohl eine Regierung, die seriöse und vernünftige, bürgerlich-rechte Politik macht.
Politik im Sinne der Hälfte der Deutschen, die Union und AfD wählen. Nicht radikal rechts, nicht getrieben von AfD-Randpositionen zu Russland oder anderen Themen, sondern realpolitisch orientiert. Wenn die AfD strukturell nicht zu Realpolitik fähig ist, wie Kritiker ihr vorwerfen, und statt reeller politischer Veränderungen lieber Krawall macht, dürfte ihr das zum Verhängnis werden – wenn es das nicht wird, stellen sich ganz andere politische Fragen. Ob so ein Bündnis in Deutschland funktionieren und radikale Kräfte eingrenzen kann – das ist am Ende trotz aller Vergleichsmuster Kaffeesatzleserei. Klar ist nur: Die Brandmauer ist gescheitert.
Drittens: Irgendwie-mit-allen-Koalitionen sind Gift. Die Regierungsbildung in Österreich war seit September nur von einer Prämisse geprägt – der Verhinderung von Herbert Kickl und seiner FPÖ. Das hat sie im Endeffekt stärker gemacht – wie hätte es auch sonst enden sollen? Wenn es bei Koalitionsverhandlungen nicht um die Sache geht, merken die Wähler das. Und wer auf Zwang versucht, Koalitionen nicht für, sondern gegen etwas zu schmieden, gibt Inhalte und damit sich selbst auf. Die ÖVP und Nehammer waren jetzt so konsequent, diesen falschen Weg nicht zu Ende zu gehen – es hätte auch das Ende der Volkspartei bedeutet. Die CDU hat hingegen zuletzt in Thüringen gezeigt, solche Wege, Brandmauer im Rücken, weiter gehen zu wollen. Macht der Erfurter Weg in Berlin Schule, wird auch die Union brutal abstürzen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Union aufmerksam das Schicksal ihrer Schwesterpartei verfolgt hat – und die richtigen Lehren daraus zieht. Die Trägheitskräfte in der CDU, zu denen man inzwischen auch Friedrich Merz zählen kann, machen da wenig Hoffnung – Stichwort „Zufallsmehrheiten“. Dann bleibt 2029 allerdings weniger die Kanzlerfrage, sondern die des nackten politischen Überlebens als Zielmarke für die Union.
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Angenommen die Union wäre bereit die Brandmauer einzureißen: dann würden sie sich unmittelbar die Feindschaft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zuziehen, der mit fast 10 Milliarden pro Jahr ein Gorilla von einem Gegner ist. Zum Vergleich Kamala Harris hatte für ihren Wahlkampf gerade mal 1,2 Milliarden zur Verfügung für die gesamten USA.
Ohne die Abschaffung des ÖRR kein freies Deutschland.
Die CDU wird mit den Grünen gehen. Nach Infa hat grün wieder zugelegt an Wählergunst. Wie auch immer das möglich ist. Die Deutschen sind irre.
Die CDU kann aus dem Niedergang der FDP lernen. Denn der steht der CDU mit Rot-Grün bevor. Merz und seine CDU/ CSU sind aufgrund des Zick-Zack-Kurs unglaubwürdig. Deshalb hat Elon Musk recht: nur die AFD kann Deutschland retten.
Welche CDU ist hier gemeint.
Noch kein Fasching, aber das grüne Kostüm trägt man seit vielen Jahren.
Christdemokraten (Schäuble, Wüst, Wulff und und und) die seit vielen Jahren für den Islam sich stark machen.
Demokraten, die demokratische Prozesse wie Wahlen rückgängig machen wollen und Abstimmung wegen Zufallsmehrheiten verhindern.
„Volksvertreter“ die eigene sowie andere Aufarbeitung im Interesse und dem Wunsche des Volkes verweigern.
Machtpolitiker, denen jeder Machtbeschaffer genehm ist, solange kein Label der AfD trägt.
Lol, selten so gelacht, diese Partei hat weder den Willen, Stärke noch die Personen etwas zu Lernen geschweige dann zu ändern.
1.Kickl war vor einiger Zeit zusammen mit Alice Weidel bei AUF1 zu Gast. Er hat damals bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Von radikalen Äußerungen oder Populismus keine Spur.
2. Der CDU gönne ich die Clownsnummer und verweigere ihr, sich mit Unterstützung der AfD in einer Regierung wieder für die Dummwähler zu profilieren. Wenn CDU, dann nur als Juniorpartner unter einer AfD.
…dafür Bedarf es ein Mindestmaß an intellektuellen Fähigkeiten und die habe ich nicht, achso es geht hier um die CDU, was schreib ich denn da für ein Blödsinn (verfüge z.Zt. über keinen Bademantel, daher ist Vorsicht geboten)
Mal wieder ein Jubelartikel für die Altparteien.