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Weihnachtsmarkt-Anschlag

Attentäter von Magdeburg: Die wirre Gedankenwelt des Taleb al-Abdulmohsen

Die Biografie des mutmaßlichen Attentäters von Magdeburg wirft mehr Fragen als Antworten auf. Der Ex-Muslim Taleb al-Abdulmohsen entzieht sich dem klassischen Täterschema. Einziges Tatmotiv bisher: sein wahnhafter Hass auf Deutschland und seine Bürger.

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Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt erschüttert Deutschland. Doch je mehr Details über den mutmaßlichen Täter Taleb al-Abdulmohsen bekannt werden, desto verwirrender wird das Bild. Der 50-jährige Arzt aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebte, passt in kein klassisches Täterschema – weder ist er Islamist noch klar Rechtsextremer, wie jetzt einige meinen.

Taleb al-Abdulmohsen wurde 1974 in Hofuf, Saudi-Arabien, geboren. Er studierte Medizin und arbeitete als Arzt, bevor er 2006 nach Deutschland kam, um eine Facharztausbildung zu absolvieren. Im Jahr 2016 beantragte er Asyl in Deutschland, da er sich als Ex-Muslim und Kritiker des Islams in Saudi-Arabien verfolgt fühlte. Das Regime dort würde ihn „schlachten“ wollen, wenn er zurückkehren würde, behauptete er.

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Al-Abdulmohsen bezeichnete sich selbst als „aggressivsten Kritiker des Islams in der Geschichte“. „Deutschland ist ein gutes Land, wenn man mich fragt“, sagte er damals noch der FAZ. Diese Haltung würde sich in den nächsten Jahren noch drastisch ändern. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) baute er eine beachtliche Anhängerschaft von rund 40.000 Followern auf, vor allem unter Ex-Muslimen und saudischen Oppositionellen. Zudem gründete er sogar eine Online-Initiative zur „kreativen Widerlegung“ des Islams.

In einem Interview mit der BBC im Jahr 2019 wurde er als engagierter Unterstützer saudi-arabischer Asylsuchender dargestellt: „Wenn ich Zeit habe, verbringe ich zehn bis 16 Stunden am Tag damit, saudischen Asylsuchenden zu helfen.“ Über seine Website „wearesaudis.net“ half er zahlreichen Personen bei der Flucht und Asylsuche in Europa. Al-Abdulmohsen war außerordentlich aktiv auf X und postete regelmäßig, oft in langen und emotional aufgeladenen Threads, die sich gegen den Islam, die deutsche Regierung und andere vermeintliche Gegner richteten.

Seine Online-Aktivitäten zeigten eine zunehmend radikale und widersprüchliche Haltung. Zunehmend verfiel Al-Abdulmohsen in Verschwörungstheorien und Paranoia. Er warf Deutschland vor, Europa islamisieren zu wollen, und verbreitete zunehmend paranoide Vorstellungen: In einem Videointerview eine Woche vor der Tat äußerte er die bizarre These, der deutsche Staat führe eine „geheime Operation“ durch, um saudische Ex-Muslime weltweit zu „jagen und ihr Leben zu zerstören“.

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Er beschuldigte die deutsche Polizei, „der echte Treiber des Islamismus in Deutschland“ zu sein. Al-Abdulmohsen machte auch Vorwürfe gegen Organisationen wie die „Säkulare Flüchtlingshilfe Deutschland“. Er beschuldigte die Mitbegründerin Rana Ahmad, Gelder für saudische Mädchen zu verstecken, und kritisierte die deutsche Staatsanwaltschaft dafür, keine Ermittlungen einzuleiten.

Obwohl Al-Abdulmohsen wiederholt versuchte, sich in den Kreisen prominenter Islamkritiker zu etablieren, gelang ihm dies nicht. Hamed Abdel-Samad teilte am Samstag mit, der Attentäter habe bereits im November geschrieben und gefordert, Abdel-Samad solle seine Unterstützung für die „säkulare Flüchtlingshilfe“ einstellen. „Er schrieb, er werde bald etwas tun, dass diese Organisation zum Gesprächsthema in der Welt macht“

Al-Abdulmohsen schrieb zudem mehrfach rechtsextreme Aktivisten an. Mitunter postete er AfD-freundliche Inhalte. „Ich und AfD bekämpfen den gleichen Feind, um Deutschland zu schützen“, schrieb er 2016. Er teilte Beiträge von Querdenken-Aktivisten und solidarisierte sich mit dem rechten Aktivisten Tommy Robinson aus Großbritannien. In einem Interview bezeichnete er sich allerdings selbst wiederum als „Linker“. In einem Tweet bezeichnete er den Wahhabismus, eine ultrakonservative Auslegung des Islams und die dominierende religiöse Strömung in Saudi-Arabien, als „den originalen Islam“. 

Islam-Experte Ahmad Mansour kommentierte auf Twitter: „Wir haben es zu tun mit jemandem, der von sich behauptet, ‚der größte Islamkritiker der Geschichte‘ zu sein. Derselbe Mann, der vorgibt, Menschen vor der radikal-islamischen Verfolgung zu retten, während er sie als Asylsuchende nach Deutschland bringt, hat in Magdeburg einen Terroranschlag verübt, der eins zu eins nach dem Vorbild von Anis Amri geplant war.“

In den Monaten vor der Tat verschärfte sich al-Abdulmohsens Rhetorik. Bereits im August 2023 veröffentlichte er einen gelöschten Beitrag, in dem er spekulierte: „Würden Sie es mir verübeln, wenn ich wahllos 20 Deutsche töte, weil Deutschland gegen die saudische Opposition vorgeht?“ Im Dezember 2023 drohte er: „Ich versichere euch, dass zu 100 Prozent bald die Rache kommt. Auch wenn es mich mein Leben kostet.“ Im Mai 2024 schrieb er: „Ich werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen“ und deutete an, in diesem Jahr sterben zu wollen.

Am 13. August 2024 postete er auf Arabisch: „Wenn Deutschland Krieg will, werden wir ihn haben. Wenn Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder voller Stolz ins Gefängnis gehen.“

Am Tag des Anschlags veröffentlichte er verstörende Videos. Darin erklärte er: „Ich mache die deutsche Nation für die Tötung von Sokrates verantwortlich.“ Weiters sagte er: „Die Regierung ist kriminell, statt mich zu schützen. Die Polizei sind die Kriminellen. In diesem Fall mache ich die deutsche Nation und die deutschen Bürger dafür verantwortlich.“

Am Abend des 20. Dezember 2024 fuhr al-Abdulmohsen mit einem gemieteten BMW in die Menschenmenge des Magdeburger Weihnachtsmarktes. Dabei tötete er fünf Personen, darunter ein neunjähriges Kind, und verletzte über 200 weitere, von denen 41 in kritischem Zustand sind.

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