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AfD-Parteitag in Essen: Geschlossenheit und die neue Schwäche des Flügels

Die AfD geht aus dem Essener Parteitag geschlossen hervor. Auch das bürgerlich-moderate Lager der Partei stärkt sich eindeutig - und die Kräfte des umstrittenen „Flügels“ gehen als Verlierer vom Parteitag.

Sie haben allen Grund zur Freude: AfD-Chefs Chrupalla und Weidel

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Es muss eine herbe Enttäuschung für so manchen engagierten Journalisten gewesen sein, der schon seit Jahren über eine Radikalisierung der AfD berichtet – und dabei vom Beschreiben auch gerne ins Herbeischreiben abdriftet. Der AfD-Parteitag geht ohne Machtübernahme des „Flügels“, ohne shake-up von ganz Rechts zu Ende. „Bei der AfD fällt die Revolution aus“, schreibt ntv.

In der Tat präsentierte sich am Wochenende eine betont ruhige, geschlossen auftretende Partei, die intern in Richtung Mitte auspendelt. Bisher hatten die Kräfte des ehemaligen „Flügels“ immer eine zentrale Rolle auf Parteitagen gespielt – diesmal deutlich weniger. Maximilian Krah? Ist nicht einmal anwesend. Björn Höcke? Ebenfalls kaum präsent. Zumindest nicht wie in der Vergangenheit, wo er wie eine graue Eminenz durch die Reihen ging und die Fäden zu ziehen schien.

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„Nächstes Mal“ werde man eine Einzelspitze wählen, hatte der Thüringer AfD-Chef auf dem letzten Parteitag in Riesa gesagt. Daraus wurde nichts. Alice Weidel und Tino Chrupalla bleiben Co-Vorsitzende. Und wie: Erst holte Chrupalla 82,7 Prozent, dann Weidel 79,8 Prozent. Zum Vergleich: Beim Parteitag in Riesa wurden die beiden nur mit 53 beziehungsweise 67 Prozent gewählt. Die Doppelspitze ist bestätigt, Höckes Kalkül nicht.

Gegenüber Apollo News erklärte ein Delegierter während des Parteitages, der „Flügel“ habe seine Mehrheit verloren. Dafür sprechen auch zahlreiche bürgerliche Gesichter in der Partei, die sich gegen radikalere Kandidaten durchsetzten – der Nordrhein-Westfälische Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk beispielsweise besiegte seine Gegenkandidatin Christina Baum deutlich. Nach fast jedem Parteitag war die AfD nach Rechts gerückt oder ihr rechter Flügel war zumindest gestärkt – diesmal triumphieren vor allem die bürgerlichen Kräfte.

Bürgerlich und professionell statt Krawall

Der Bundesvorstand ist mit moderaten Weidel-Freunden durchsetzt. Diverse Kampfkandidaturen der radikalen Rechten scheitern. Das bürgerliche Lager, welches viele Journalisten schon seit Jahren mit Wonne abgeschrieben haben, behauptet sich auf dem Parteitag – und verlässt Essen gestärkt. Gestärkt ist aber auch die ganze Partei, die sich nicht selbst zerrissen hat. Die AfD demonstrierte auf dem Parteitag geradezu ungewohnte Geschlossenheit.

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Die junge Partei war lange von internen Streitigkeiten und Grabenkämpfen geprägt, auch von einer gewissen Unprofessionalität. Davon war in Essen nichts zu spüren: Die Partei sei „erwachsen“ geworden, meint AfD-Chefin Weidel gegenüber der Jungen Freiheit: „Es läuft glatt durch – und so wollen wir das auch fortführen“. Die kollegiale Zusammenarbeit mit Tino Chrupalla habe sich auch bewährt. Die Kanzlerkandidaten-Frage sei „völlig offen“, so Weidel. Als aktuell zweitstärkste Kraft könne die AfD das erste Mal in Ihrer Geschichte einen erklärten Kanzlerkandidaten aufstellen – auch, wenn die Chancen auf eine tatsächliche AfD-Kanzlerschaft 2025 gegen null laufen.

Scheinbar hat die AfD von anderen Rechtsparteien in Europa gelernt: In Italien regiert Giorgia Meloni erfolgreich, in Frankreich schickt sich eine gemäßigte Rassemblement National nach erfolgreichen Parlamentswahlen fast an, erstmals national Gestaltungsmacht zu übernehmen. Eine Professionalisierung, das Abstellen schädlicher, zu umstrittener Aussagen war für beide dabei maßgeblich. Die AfD täte gut daran, diese Mäßigung ebenfalls zu verfolgen – etwas, was innerparteiliche Gegner dieses Prozesses abfällig als „Melonisierung“ verunglimpfen.

Und wo ist „der Flügel“?

Die radikaleren Kräfte rund um Björn Höcke sind natürlich nicht weg – und noch immer auch stark im Bundesvorstand vertreten. Der Thüringer Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner etwa wurde mit 90,77 Prozent als stellvertretender Bundesvorsitzender bestätigt. Auch der Sachsen-Anhaltinische Bundestagsabgeordnete Martin Reichert, ein ehemaliger Vertrauter des rechtsradikalen Ex-Landeschefs Poggenburg sitzt im Vorstand, genauso wie der parteirechte Alexander Jungbluth. Ihnen gegenüber stehen aber bürgerliche Vertreter wie der Jurist Roman Reusch oder AfD-Mitbegründer Marc Jongen. Auch der sächsische Politiker Carsten Hütter, der als Schatzmeister gewählt wurde, setzte sich in der Vergangenheit deutlich gegen Rechtsextremismus ein.

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