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Wahlen nächste Woche

Absehbares Desaster: Wie die Tories ihren Untergang befeuern

Nächste Woche wird in Großbritannien das britische Unterhaus neu gewählt. Nach mehreren Regierungskrisen droht den Tories, unter dem aktuellen Premierminister Rishi Sunak, nun der komplette Bedeutungsverlust. Die Unzufriedenheit der Briten könnte ihnen das mit Abstand schlechteste Wahlergebnis ihrer fast 200-jährigen Geschichte bescheren.  

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In Großbritannien gibt es an jeder Ecke Probleme, kaum ein europäisches Land hat in den letzten Jahrzehnten so stark wirtschaftlich an Bedeutung verloren wie das Inselreich. Die Reallöhne der Mittelschicht stagnieren seit den neunziger Jahren, die Infrastruktur verrottet und im ganzen Land gibt es viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Auch die öffentliche Sicherheit leidet. Die polizeiliche Aufklärungsrate für Straftaten wie Autodiebstahl oder bewaffneten Straßenraub liegen bei nur rund 3 Prozent. Erwartungsgemäß werden Verbrecher daher immer dreister. Kurzum: Die Zufriedenheit der Briten befindet sich im freien Fall. 

Schuld an den Problemen hat in den Augen der Briten vor allem die Regierung. Die Politiker der Conservative Party, umgangssprachlich Tories genannt, die seit mittlerweile fast 15 Jahren den Premierminister stellen, bekommen deshalb den Unmut der Bevölkerung zu spüren. Und tatsächlich ist ihre Schuld für die Misere nicht von der Hand zu weisen, auch wenn manche der Probleme, die Großbritannien plagen, ihren Ursprung schon vor ihrer Regierungszeit haben. Zudem jagt ein Partei-Skandal den anderen. Führende Politiker der Tories hatten ausgerechnet auf den Termin der Parlamentswahlen gewettet und dabei ihr Insider-Wissen genutzt, weshalb sie nun wegen Wettbetrug angeklagt wurden. 

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Das größte Problem der Tories ist jedoch ihre vollkommene Ideologie-Freiheit. Trotz ihres Namens ist die Politik der Conservative Party nicht konservativ, sondern vollkommen beliebig. Selbst die Gegner der Partei sind mittlerweile vom Opportunismus der meisten Tories verwirrt. Mal sind diese für niedrigere Steuern, welche dann zu Gunsten der Staatsverschuldung doch nicht gesenkt werden, mal euphorisch gegen den „Woke-Wahn“ nur um dann strenge „Anti-Hate-Speech“ Gesetze zu verabschieden, mal gegen illegale Immigration, während sie fast tatenlos zusehen, wie zehntausende illegale Migranten jährlich in das Land eindringen. Die meisten Abgeordneten scheinen keinerlei Vision für das Land zu haben, sondern lediglich ihrem persönlichen Erfolg nachzujagen. 

Das Resultat: In den Umfragen ist die Lage für die Tories dramatisch. Die neuesten Umfragewerte zeigen, dass nur etwa 20 Prozent der Wähler vorhaben sie zu wählen. Aufgrund des britischen Wahlsystems wird deshalb prognostiziert, dass sie, je nach Umfrageinstitut, weniger als 100 der 650 Sitze im House of Commons erlangen werden. Ein beispielloser Bedeutungsverlust. Für die andere große Partei Großbritanniens, die Labour Party sehen die Umfragen hingegen blendend aus. Zwar wollen nur etwas über 40 Prozent der Wahlberechtigten bei ihnen ihr Kreuzchen machen, doch aufgrund des eben erwähnten Wahlsystems würde das für bis zu 500 Sitze reichen. Es wäre der größte Wahlerfolg in der Geschichte der linken Partei. 

Die restlichen Stimmen teilen sich auf die linksliberalen „Liberal Democrats“ (aktuell in den Umfragen rund 12 Prozent), die „Green Party“ (rund 5 Prozent) und vor allem die Partei des Pro-Brexit-Aktivisten Nigel Farage „Reform UK“ (rund 17 Prozent) auf. Insbesondere Reform UK (gegründet als Brexit Party) ist hier relevant, da sie viele enttäuschte Tory-Wähler anzieht, die zwar mit ihrer Partei abgeschlossen haben, aber trotzdem keine Linken wählen möchten. Nigel Farage punktet in den Umfragen mit klassisch konservativen Positionen, ist dabei aber glaubhafter als die Tories. Allerdings werden die kleinen Parteien aufgrund des Mehrheitswahlrechts voraussichtlich nur eine Handvoll Sitze erlangen. Es ist daher fast sicher, dass die linke Labour-Partei die nächste Regierung stellen wird. 

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Doch auch Labour bietet keine Perspektive für das Land. Aus Angst, Wähler zu verprellen, verspricht man beispielsweise, die Steuern nicht zu erhöhen, will aber gleichzeitig die Sozialleistungen massiv ausbauen und die bröckelnde Infrastruktur sanieren. Ein dadurch unweigerlich entstehendes Haushaltsloch will man durch die Aufnahme neuer Schulden kompensieren. Dass eine solche Politik langfristig nicht funktionieren kann, ist auch für Menschen ohne besonders gute Mathematikkenntnisse erkennbar. Das Problem der illegalen Einwanderung will Labour ebenfalls nicht angehen, sondern stattdessen noch mehr Migranten den Weg nach Großbritannien ebnen. 

Dabei ist die Migration bereits jetzt auf einem Höchststand. Nur vor rund 20 Jahren, in Folge der EU-Osterweiterung 2004, war die Zahl der Migranten nach Großbritannien noch höher als jetzt. Der große Unterschied: In den Jahren nach 2004 kamen Familien und junge Menschen aus Polen, Ungarn und dem Baltikum nach Großbritannien, um dort zu arbeiten. Viele von ihnen verließen das Land nach einigen Jahren wieder, und kehrten in ihre Heimatländer zurück. Nun sind es vorrangig Menschen aus Indien, Pakistan und Bangladesch, sowie Afrikaner, die jährlich zu Hunderttausenden einwandern. 

Ein großer Teil von ihnen findet keine feste Arbeit, oder hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, und belastet so das ohnehin überlastete Sozialsystem und den Wohnungsmarkt. Der Wille, irgendwann wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren, ist bei den meisten nicht zu erkennen. Die entstehenden Parallelgesellschaften und damit einhergehenden Probleme werden von den beiden großen Parteien kaum angesprochen und schon gar nicht bekämpft. 

Die Wahl am 4. Juli wird zeigen, was aus den Tories, der einst dominierenden Partei der britischen Geschichte wird. Die Wut der Briten auf Regierung und die Partei ist groß, was durch das dilettantische Agieren von Sunak in den letzten Wochen noch verstärkt wird. So deutete er unlängst an, dass Jugendliche, die sich weigern, einen verpflichtenden Sozialdienst zu leisten, vom Führerschein oder einem eigenen Bankkonto ausgeschlossen werden könnten, was der Partei wohl auch die letzte Stimmer junger Wähler gekostet hat.

Es ist sogar möglich, dass Reform UK mehr Stimmen als die Tories erzielen wird. Einzelne Umfragen zeigen dies bereits. Es würde die Conservative Party erstmals auf den dritten Platz nach Labour und Reform befördern und damit ihren rasanten Niedergang als britische Volkspartei zementieren. Es wird sich zeigen, ob sie sich in der Opposition ihren Weg an die Macht zurück arbeiten können, oder ob eine andere konservative Partei, wie Reform UK, langfristig ihre Stelle einnehmen wird. 

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