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Abschaffung des Bürgergeldes? Der vermeintliche CDU-Erfolg ist eine Finte

Schwarz-Rot will für Verschärfungen beim Bürgergeld sorgen: Doch mit den aktuellen Plänen bleibt alles beim Alten – abgesehen vom Namen.

Beim Bürgergeld ändert sich nur eines wirklich: der Name

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CDU/CSU und SPD haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf Änderungen beim Bürgergeld verständigt. Stärkere Arbeitsmarktorientierung, Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs, Verschärfung von Sanktionen und Umbenennung: Auf den ersten Blick lesen sich die Pläne wie der langersehnte Verhandlungserfolg von CDU und CSU. Doch bei genauerem Hinsehen erweisen sich die wichtigsten Reformpunkte als kosmetische Formelkompromisse, die klarmachen: Viel mehr als der Name wird sich unter Schwarz-Rot beim Bürgergeld nicht ändern.

Das Bürgergeld abzuschaffen und umfassend zu reformieren, war neben einer Wende in der Migrations- und Wirtschaftspolitik eines der zentralen Versprechen des CDU/CSU-Wahlkampfes, die nach der gewonnenen Bundestagswahl im Zuge des angekündigten Politikwechsels in Angriff genommen werden sollten. Doch nur etwas mehr als einen Monat nach der Wahl ist vom versprochenen Politikwechsel und Merz‘ Glaubwürdigkeit nicht mehr viel übrig. Aus „Links ist vorbei“ ist binnen kürzester Zeit ein auf Pump finanziertes „Weiter so wie bisher“ geworden – inklusive einer Abkehr von der Schuldenbremse.

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Statt die nötigen Strukturreformen anzugehen, sollen die alten Probleme mit neuen Rekordschulden zugedeckt werden, die man noch eiligst mithilfe des alten, abgewählten Bundestages beschlossen hat. Angesichts dieser Bilanz wird das Unbehagen an der Parteibasis immer größer. Dort hat sich längst die Auffassung breitgemacht, man habe mit den bisherigen Zugeständnissen an die SPD die eigenen Wahlversprechen über Bord geworfen.

In Kühlungsborn etwa ist in dieser Woche beinahe der gesamte Stadtverband geschlossen aus der CDU ausgetreten. In einem Schreiben, in dem die langjährigen Mitglieder ihren gemeinsamen Austritt ankündigten, ist von überschrittenen roten Linien, der Zerstörung christdemokratischer Grundwerte und von einer Gefährdung der politischen „DNA“ der Partei die Rede. Andernorts dürfte die Stimmung in der Union ähnlich frostig sein.

Der Druck auf die Parteispitzen von CDU/CSU und die Unterhändler in den einzelnen Arbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen, endlich vorzeigbare Ergebnisse zu liefern, ist dementsprechend enorm. Beim Thema Bürgergeld scheint das der Union nun tatsächlich gelungen zu sein. Medial ist diesbezüglich bisweilen gar von einem „bedeutenden Durchbruch“ der Union die Rede. Aber geben die geplanten Änderungen das wirklich her?

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Neben der Umbenennung des Bürgergeldes in „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist die Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs eine der zentralen Neuerungen, auf die sich Union und SPD in der „Arbeitsgruppe 5 – Arbeit und Soziales“ geeinigt haben. Im Papier der AG heißt es dazu: „Leistungsbeziehende sind verpflichtet, vorrangig jede zumutbare Arbeit aufzunehmen, anstatt sich ausschließlich auf Weiterbildungsmaßnahmen zu konzentrieren.“ 

Bürgergeldempfänger sollen künftig also schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das entspricht zwar den Vorstellungen der Union. Allerdings soll es eine Ausnahmeregelung für Menschen mit erheblichen Vermittlungshemmnissen geben: „Für diejenigen, die aufgrund von gesundheitlichen oder sozialen Einschränkungen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, wird weiterhin auf Qualifizierung und Reha-Maßnahmen gesetzt.“ Mit dieser Einschränkung könnte der wiedereingeführte Vermittlungsvorrang im Zweifel hunderttausendfach umgangen werden und letztlich wirkungslos bleiben.

Auch bei den Sanktionen gegen Totalverweigerer setzt die Koalition vermeintlich auf eine härtere Gangart. Das Verhandlungspapier hält dazu fest: „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ Doch auch diese zentrale Formel wird im nächsten Atemzug direkt wieder durch eine Einschränkung konterkariert und entschärft.

Die Arbeitsgruppe verweist nämlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das 2019 geurteilt hat, dass sowohl eine vollständige Streichung der Leistungen als auch eine Teilstreichung um 60 Prozent nicht mit der Verfassung zu vereinbaren ist. Und zu den rechtlichen Hürden kommt noch die Frage, was unter „Arbeitsverweigerung“ konkret verstanden werden soll. Die entsprechende Formulierung im Papier ist vage und lässt folglich einen großen Spielraum für Interpretationen und damit alles im Unklaren und Ungefähren.

Bereits bei den bisherigen Möglichkeiten, das Bürgergeld zu streichen, sind die Hürden dafür laut Jobcentern hoch. Union und SPD haben sich mit anderen Worten also zunächst auf eine Maßnahme geeinigt, um dann zu erklären, dass diese weder rechtlich noch praktisch umsetzbar ist. Und doch können beide Parteien daraus politisches Kapital schlagen: CDU und CSU können ihrer Klientel verkaufen, für die Zukunft drastische Verschärfungen durchgesetzt zu haben, während die SPD unter dem Verweis auf die Rechtslage öffentlich das genaue Gegenteil behaupten kann. 

Einigkeit besteht darüber hinaus in der Frage der Berechnung der Höhe der Grundsicherung. Hier strebt die künftige Bundesregierung eine Rückkehr zu dem Verfahren vor der Corona-Pandemie an, bei dem die Inflation erst nachträglich bei Anpassungen berücksichtigt wird – auch das ein Vorschlag der Union. Damit soll sichergestellt werden, dass Leistungen nicht so schnell steigen, wie es zuletzt der Fall war. Etwaige Leistungskürzungen thematisieren die designierten Koalitionäre allerdings nicht.

Ein zentrales Problem des Bürgergeldes, nämlich der nur geringfügige Abstand zu unteren Einkommensschichten und die damit einhergehenden negativen Arbeits- und Leistungsanreize werden schlicht ignoriert. Auch die Tatsache, dass knapp 50 Prozent der Bezieher von Bürgergeld mittlerweile keine deutschen Staatsbürger sind oder der Umstand, dass etwa 60 Prozent der aufgewendeten Haushaltsmittel nicht in die Grundsicherung selbst, sondern in die immer größeren öffentlichen Verwaltungsstrukturen fließen, scheint bisher nicht im Problembewusstsein der beiden Verhandlungspartner angekommen zu sein.

Letztlich sind die schwarz-roten Reformvorschläge beim Thema Grundsicherung also eine Reihe bloßer Formelkompromisse. An allen entscheidenden Punkten hat die SPD Hintertüren eingebaut, die der Union nun zwar die Freude über einen Pyrrhussieg lassen, die aber zugleich alle konsequenten Maßnahmen ausschließen und etwa den vermeintlichen Sanktionsverschärfungen das Schwert wieder aus der Hand nehmen. Dass die Pläne in ihrer jetzigen Form im undurchschaubaren Dickicht der Bürgergeld-Bürokratie überhaupt zu messbaren Veränderungen führen werden, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Die Union hofft zwar, dass die Öffentlichkeit über der medienwirksamen Umbenennung des Bürgergeldes nicht nur den Namen, sondern auch die Probleme aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Dass diese Strategie aufgehen wird, ist aber mehr als fraglich. Fest steht: Von einem „bedeutenden Durchbruch“ in den Verhandlungen mit der SPD sind auch diese Ergebnisse meilenweit entfernt. 

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43 Kommentare

  • Da hilft nur, melde dich selber Arbeitslos und kassiere deine eigenen eingezahlten Steuern zurück. Es ist nicht zum aushalten, alles, aber auch alles, was versprochen wurde, ist nicht mehr da, oder verschwindet in der Bedeutungslosigkeit, so wie auch hoffe, es die CDU auch bald sein wird.

    41
  • Die arbeitende Bevölkerung wird weiter ausgebeutet.

    27
  • Eine Finte die wieder nur Bürokratie bedeutet.

    Nun wieder alles neue Formulare, Vereinbarungen etc. um exakt NICHTS anderes zu bewirken.

    Die Gelder werden von den Falschen milliardenfach abgezweigt und verhindern gleichzeitig Programme/Projekte die die Weiterbildung/Umschulung von dt. Transferleistungsempfängern befördern.

    So löst man keinen „Fachkräftemangel“, so kommt auch keine Sozialleistungen von neuen Arbeitnehmer in die Kassen.

  • Gut so. Rechtzeitig vor der zu erwartenden Massenarbeitslosigkeit. Obwohl, die neue Maßnahmenstatistik wirds schon richten.

    23
  • Bürgergeld abschaffen? Muahaha. Bereits die Kürzung ist durch das BVerfG nur begrenzt möglich. Denn nach einem früheren Urteil (Kj 2012) eben dieses Gerichts, hat jeder Mensch, der sich in Deutschland aufhält (!), egal ob Deutscher oder Ausländer, Anspruch auf die Gewährung des Existenzminimums vom Staat zu sprich Bürgergeld, früher Hartz IV. Grundsätzlich nur als Sachbezüge, aus Vereinfachungsgründen aber in Geld. Das wusste Merkel ganz genau. Deshalb nervte sie unaufhörlich mit;“Es gibt keine Obergrenze“.

    13
  • 10.000 Totalverweigerer sind denklogisch nicht zu erklären, wenn die anderen 3 Mio auch keinen Job finden.

    9
  • Es wird eine neue Wortschöpfung geben, sonst ändert sich nix!

  • Lieber nicht regieren als woke-verdorben regieren.
    Gebt Deutschland Neuwahlen.
    Wenn mich der Autohändler betrügt, kann ich wohl auch mein Auto zurückgeben.
    Es ist zu mutmassen, dass die Wähler, die sich getäuscht fühlen, ja real auch getäuscht wurden, die Union mit Merz zurückgeben
    wollen.

  • „Der vermeintliche CDU-Erfolg ist eine Finte“

    Wie alles, was von dieser partei kommt! Finten sind für mich auch Lügen, Mr. BlackRock!

  • Man muss nicht wirklich etwas ändern.
    Man muss nur den Eindruck vermitteln, etwas verändern zu wollen.

  • Aus „Links ist vorbei“
    wird
    LINKS AN DEN GRÜNEN VORBEI!

  • Hurra. Mehr Geld für Rüstung.
    Hoffentlich werden die Renten nicht erhöht.

  • Oh Wunder: Sogar der „Spiegel“ spricht von Nebelkerze.

    0
  • Dann können hier bald weniger kommentieren.

  • Wieso hat man die CDU gewählt ?

    Damit alles bei rot/grün bleibt unter dem Strich🤔
    Schlechtester Möchte -Gern – Kanzler , obwohl noch nicht mal gewählt

  • Ebenso wie mit dem sog. „Heizungsgesetz“, so mit dem „Bürgergeld“ und vermutlich vielem anderen:
    Es wird ein (vergleichsweise) leichtes Hüsteln abgeschafft, dafür irreversible Pest und Cholera eimerweise über den Untertanen ausgeschüttet.
    PS: Irgendwann müssten die Deutschen dann mal aufwachen …

  • Jetzt kann die Hartz4 Industrie wieder richtig loslegen. Umschichtung von Steuerzahlergeld in PC-Kurse, Bewerbungstraining, Schraubgewindetraining für Dummies, Sozialkaufhäuser, Schwippschwager-Stiftungen mit 1Eur Werkstätten und Bauwagenbetreiber. Zeitarbeitsfirmen drücken mit ihren neuen Willigen die Reallöhne. Kostet alles 3x soviel als vorher, merkt nur keiner.

    5
  • „Remigration“ Nein, Arme Deutsche quälen Ja.

    Glückwunsch an Rächts zum großen Wurf.

  • Tricksereien und Finten.
    Hoffentlich merzt es keiner, was der zu Fleisch gewordene Pinocchio und Co. so treiben. Hinter verschlossenen Türen.

  • Stimmige Analyse, da das alles dem Denkenden aber schon vor der Wahl klar war, habe ich nur eine Frage: was passiert im Gehirn von Unionswählern? Ist das nur eine inaktive Masse die nur passiv zur Reizverarbeitung dient? Wie blenden Unionswähler Informationen und eigene Erfahrungen so aus, dass sie wieder und wieder Union wählen können, obwohl sich nicht die erhoffte Politik einstellt? Ist es ihnen gleichgültig? Ist es Gewohnheit? Das Alter? Für mich reicht es noch & Apres nous le deluge? Eine der interessantesten Fragen der modernen Psychologie: wie umgeht der moderne Unionswähler seinen eigenen Denkapparat um wieder besseren Wissen Union wählen zu können? Ist diese Spezies überlebensfähig oder zum Schicksal des neuseeländischen Dodos verdammt? Fragen über Fragen…

  • Das ist doch Müll…. Es wird noch mehr arbeitslose geben und immer mehr Firmen die pleite sind oder abwandern also woher sollen die Jobs kommen. Das wissen auch SchMerz und Co. Sollen die eigenen Bürger dann kein Hartz 4 oder Bürgergeld mehr bekommen? Die Hütte brennt schon und das wissen auch die Politiker nur sie wollen verbrannte Erde hinterlassen weil ihnen aus Amerika schon vorher gesagt wurde das eben nicht sie sondern die Opposition die Zukunft von Deutschland ist.

  • haha, Hatten sich vor kurzen nicht erst die versammelten „Compact“ Mitarbeiter beim Amt melden müssen, Paul Klemm und Co? Schaun mer mal was ist, wenn die neue Nancy und ihre EU homies demnächst überall im Internet mal so richtig durchgreifen. 😉
    Und wer erst mal ne rechtslastige Vita hat wird anderswo eher nicht so gerne eingestellt, außer in der Produktion.

    !!Karma i a Bitch!!!

  • Wer dem Ursprung aller Probleme glaubt ist, muss irgendwo geistig zurückgeblieben sein.

  • Dieser Schmerz verkauft das letzte bisschen Anstand und Würde für seinen Posten, noch nie so was ekelhaftes erlebt. Sein Koalitionspartner setzt einen Tritt nach dem anderen an in den Hintern der Bevölkerung , sein es der Mig-Wahn, Schulden , Steuern , Verbot der freien Meinung jetzt auch gegen die letzten freien Medienplattformen mit immer widersinnigen Begründungen bezüglich „ihrer“ Demokratie nur um den Thron zu besteigen

  • Was wenn keiner mehr arbeiten geht , heben alle Rücken

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