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Zerrbild deutscher Medien im Check: McCarthys Sturz hat nichts mit Trump zu tun

Der historische Sturz des Sprechers des US-Repräsentantenhauses löst in Deutschland ein Feuerwerk an Ahnungslosigkeit aus. McCarthys Sturz ist der Pakt einer Handvoll Querköpfe bei den Republikanern mit der geschlossenen Demokratischen Partei - die Empörungswelle ist also ziemlich wohlfeil.

Am Dienstag stürzte eine bemerkenswerte Koalition aus acht Republikanern und allen Abgeordneten der Demokraten den Sprecher des US-Repräsentantenhauses, den Republikaner Kevin McCarthy. Deutsche Medien hyperventilieren: Die Rede ist gar von „rechtsextremen Trumpisten“, die die „US-Demokratie zerstören“ würden. Der deutsche grüne Abgeordnete Konstantin von Notz twittert: „Rechtsextreme in politischer Verantwortung in einer Demokratie haben nur ein Ziel: Die Demokratie zu zerstören.“

Mit den tatsächlichen Abläufen hat das wenig zu tun. Der Vorwurf eines Anschlags auf die Demokratie widerlegt sich schon durch die bloßen Zahlen: Für die Absetzung McCarthys stimmten nicht einmal vier Prozent der republikanischen Abgeordneten – aber alle der US-Demokraten. Das ist zwar aus Sicht der Demokraten parteitaktisch üblich und auch ein Stück weit verständlich, die angebliche Sorge um den Fortbestand der US-Demokratie im Zusammenhang mit dieser Abstimmung macht das aber aus linker Sicht völlig unglaubwürdig.

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In deutschen Medien zeichnet man zudem ein einhelliges Bild: natürlich sei an alldem Trump schuld. Dabei mag es bei der Sprecher-Abwahl um vieles gegangen sein – um einen ging es definitiv nicht: Trump. Wer für und gegen McCarthy war, das verlief nicht entlang der innerparteilichen Grenze zwischen Trump-Unterstützern und -Gegnern.

McCarthy blieb sich treu

McCarthy selbst hat bis heute Trumps volle Unterstützung, dieser sprach sich immer wieder für ihn aus. Die 76 Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus, die öffentlich Trumps Kampagne unterstützen, stimmten fast geschlossen für McCarthy. Dutzende extrem konservative Abgeordnete und glühende Trump-Unterstützer standen auf McCarthys Seite. Seien es Trump-Showleute wie Majorie Taylor Greene oder aber konservative Rebellen wie die DeSantis-Unterstützer Chip Roy und Thomas Massie – letzterer unterstütze in der Vergangenheit den Sturz des Sprechers Boehner und machte jetzt klar: McCarthy sei der konservativste Repräsentantenhaus-Sprecher, den er je gesehen habe. Es war kein Aufstand des konservativen Randes, der McCarthy zu Fall gebracht hatte. Es ist ein buntgemischter, opportunistisch agierender Haufen an Republikanern, der sich vom Sturz McCarthys politischen Profit erhofft.

McCarthys Gegner waren bei weitem nicht alle rechts: Nancy Mace etwa, die für McCarthys Sturz stimmte, gilt als eine der moderatesten Republikaner – und als Trump-Kritikerin, hatte zuletzt gar mit einem von ihm unterstützten Vorwahl-Gegner zu kämpfen.

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Mit rechts und links, Trump oder nicht Trump hat all das also wenig zu tun. Das Kalkül des Anti-McCarthy-Wortführer Gaetz schien wohl eher gewesen zu sein, mit der Attacke Stimmung für sich zu gewinnen, insbesondere wenn er McCarthy dabei in die Arme der Demokraten treiben kann. Um sein Amt zu retten, hätte McCarthy natürlich auch einen Deal mit Demokraten machen können, damit hätte er dann halt nur die Konservativen in seiner Fraktion verprellt. Womöglich hoffte Gaetz auf genau so etwas: McCarthy bleibt im Amt, wird aber zum Sprecher von Gnaden der Demokraten und Gaetz kann sich als der ultimative Anti-McCarthy-Mann präsentieren. 

Kevin McCarthy blieb aber seinen Versprechen und seiner Fraktion treu – lieber ließ er sich abwählen, als Kompromisse zu machen: Genau das forderten rebellische Republikaner eigentlich immer von ihrem Sprecher. Dank Gaetz und Co. ist er das Amt trotzdem los.

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