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Gegen eigene Regeln

WHO vor Rechtsbruch, um Pandemie-Reform durchzudrücken

Im Eilverfahren plant die WHO derzeit die Verabschiedung des Pandemievertrags und die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) durchzusetzen – offenbar mit einem offenen Verstoß gegen die eigenen Rechtsgrundlagen. Die WHO selbst bescheinigt sich jedoch ein juristisch sauberes Vorgehen.

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Im Eilverfahren plant die WHO derzeit zwei Reform-Initiativen gegen alle Widerstände durchzusetzen. Dabei handelt es sich zum einen um die Verabschiedung des Pandemievertrags und zum anderen um die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Die Verhandlungen sind intransparent und finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Der Pandemievertrag hat das erklärte Ziel, nicht nur Pandemien zu verhindern und sich darauf vorzubereiten, sondern auch ihre Bekämpfung zu unterstützen und zur Wiederherstellung der Gesundheitssysteme nach Pandemien beizutragen. Der Generaldirektor der WHO, Tedros A. Ghebreyesus erklärte, dass der Pandemievertrag, „ein historischer Vertrag werden“ müsse. Die Welt brauche einen „Paradigmenwechsel bei der weltweiten Gesundheitspolitik“ und man müsse endlich verstehen, „dass unsere Schicksale miteinander verbunden sind“.

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Die WHO will bei zukünftigen Pandemien eine verstärkte Koordination der Staaten untereinander im Rahmen der Krisenbewältigung gewährleisten. De facto wird aber auch der WHO selbst wesentlich mehr Macht zuwachsen. Das Zulassungsverfahren von Impfstoffen soll etwa weiter erleichtert werden und auf bis zu 100 Tage gekürzt werden.

Zudem obliegt es der WHO in alleiniger Zuständigkeit, eine gesundheitliche Notlage auszurufen. Dabei genießen die Mitarbeiter der WHO gemäß Artikel 13 der WHO-Satzung strafrechtliche Immunität. Juristisch gegen Entscheidungen der WHO vorzugehen, ist nicht möglich. Für die Mitgliedsstaaten gültige Rechtssätze kann sie nach derzeitigem Stand nicht erlassen. Jedoch erlässt die WHO Empfehlungen, welche erheblichen politischen Druck auf die Staaten ausüben dürfte.

Die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) ist mit dem Pandemievertrag eng verwoben. An mehreren Stellen verweist der Pandemievertrag auf Rechtsgrundlagen aus dem IGV. Um sich also sinnvoll mit den beiden Vorhaben auseinandersetzen zu können, ist die vollständige Ausarbeitung beider Gesetzestexte erforderlich.

Derzeit befinden sich beide Vorhaben noch in der Ausarbeitung. In Paragraph 55 Absatz des 2 des IR heißt es jedoch: „Der Generaldirektor übermittelt allen Vertragsstaaten den Wortlaut jeder vorgeschlagenen Änderung mindestens vier Monate vor der Gesundheitsversammlung, in der sie zur Beratung vorgeschlagen wird.“ Schon aus formalen Gründen wäre die Verabschiedung des Regelungswerkes damit rechtswidrig, denn der Zeitplan sieht anders aus:

Der vorgeschlagene Änderungstext des Regelungswerkes hätte bis zum 27. Januar an die Regierungen übermittelt werden müssen, um die formellen rechtlichen Voraussetzungen zu wahren. Auf der kommenden Weltgesundheitsversammlung, die am 27. Mai beginnt, hofft man dennoch die Vorhaben verabschieden zu können. Auf die verfahrensrechtlichen Mängel wurde nun auch im Bundestag aufmerksam gemacht. Bei der Expertenanhörung im Bundestag wies der Schweizer Anwalt Phillip Kruse auf genau diesen Sachverhalt hin.

Die WHO selbst erklärt das Vorgehen für rechtlich einwandfrei

Die WHO selbst vertritt jedoch die Auffassung, dass sämtliche formell-rechtliche Erfordernisse eingehalten wurden. Die Arbeitsgruppe (WGIHR) in der sämtliche Änderungsvorschläge verhandelt und gegebenenfalls eingearbeitet wurden, wies schon im Oktober darauf hin, dass man die Frist nicht einhalten könne. Der Arbeitsgruppenvorsitzende ließ daraufhin ein Rechtsgutachten anfertigen, mit der Fragestellung, ob man nicht doch bis zum 27. Mai verhandeln könne.

Der von der WHO beauftragte Jurist erklärte (wie zu erwarten), dass dies unter Umständen möglich sei. Die Änderungsvorschläge seien nur von Staaten beziehungsweise vom WHO-Sekretariat eingegangen. Die von der Weltgesundheitsversammlung eingesetzte Arbeitsgruppe habe hingegen keine eigenen Vorschläge eingebracht. Der WHO-Jurist argumentiert, dass aus diesem Grund der Paragraph 55 des IGV keine Relevanz haben könnte.

Insbesondere zwischen den wohlhabenden westlichen und den afrikanischen Staaten gibt es in der Vertragsgestaltung erhebliche Differenzen. Bei der Verteilung der Impfstoffe fordern die Staaten des globalen Südens verbindliche Zusagen. Die Industrieländer pochen hier jedoch auf Freiwilligkeit. Auch um das Patentrecht wird heftig gestritten. Während ärmere Staaten für eine Lockerung des Patentschutzes plädieren, wollen die Industriestaaten diesen in Gänze beibehalten.

Für die Umsetzung des Pandemievertrags in der WHO ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitgliedsstaaten erforderlich. Die Änderungen der internationalen Gesundheitsvorschriften hingegen können mit einer einfachen Mehrheit beschlossen werden. Letzteres greift dabei unmittelbar für alle 194 Mitgliedsländer der WHO.

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