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Warum ist „Nie wieder rechts“ so viel beliebter als „Nie wieder Judenhass“?

In vielen Reden zum Holocaust-Gedenktag taucht das Hamas-Massaker an Juden und die darauffolgende Antisemitismuswelle in Deutschland bestenfalls beiläufig auf. Stattdessen macht man vermeintliche rechte Verschwörungen zum Hauptthema. Warum ist diese Drohkulisse mehr Aufmerksamkeit wert, als der ganz reale Judenhass auf unseren Straßen?

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„Nie wieder“, das ist das Motto an jedem Holocaust-Gedenktag. Aber welches „Nie wieder“? Wenn man in Deutschland in den letzten Wochen und Monaten auf die Straßen schaute, dann hat „Nie wieder rechts“ offensichtlich mehr Menschen angezogen als „Nie wieder genozidaler Antisemitismus“. Das ist die traurige Realität in Deutschland.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach in seiner kurzen Rede zum Holocaust-Gedenktag zwar auch von Antisemitismus – in der „Nie wieder“-Aufzählung, die auch sein Video anschnitt, tauchte dieser aber nicht auf. Scholz mahnte dort allein, dass es „nie wieder Ausgrenzung und Entrechtung, nie wieder Rassenideologie und Entmenschlichung, nie wieder Diktatur“ geben dürfe.

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Der schlimmste Massenmord an Juden seit der Nazi-Zeit spielte sich am 7. Oktober 2023 durch Hamas-Terroristen in Israel ab – er tauchte bei Scholz‘ Statement mit keinem Wort explizit auf. Stattdessen erwähnt Scholz „Neonazis und dunkle Netzwerke“ und lobt die „Millionen Bürgerinnen und Bürger“, die dagegen auf die Straße gehen. Gemeint sind die Veröffentlichungen über ein wirres Treffen einzelner und – zumindest heute – größtenteils irrelevanter AfD-Politiker, die ebenjene Demos nach sich zogen und viel mehr Menschen mobilisierten, auf die Straße zu gehen, als die Antisemitismuswelle in Deutschland nach dem 7. Oktober.

Man muss die AfD kein bisschen gut finden, um hier eine massive Diskrepanz zu erkennen. Eine diffuse Drohkulisse rechter „Remigrationspläne“ bewegt offensichtlich das linke Spektrum – und ja, das hat hierzulande ein deutlich höheres Mobilisierungspotential als etwa das bürgerliche Lager – mehr, als die Realität des Vernichtungsterrors gegen den jüdischen Staat.

Palästinenser-Fahnenmeere nach dem 7. Oktober

Das Argument, die „Demos gegen Rechts“ seien wichtiger, weil Rechtsextremismus eine Gefahr hier in diesem Land darstellt, anders als der Hamas-Terror, zieht nicht. Schließlich erlebte auch die Bundesrepublik antisemitische Attacken in Rekordhöhe und unübersehbare Fahnenmeere jener schwarz-weiß-rot-grüner Palästinenser-Flaggen, unter denen in Israel jüdische Familien massakriert wurden. Es war eine antisemitische Machtdemonstration mitten in Deutschland.

Und sie führte eben nicht zu jener Gegenreaktion, die wir jetzt „gegen Rechts“ sehen. Stattdessen waren auf eben jenen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus ausgerechnet dutzende Palästinenser-Flaggen zu sehen – die trotz allem Gerede von „palästinensischer Solidarität“ schlicht eins sind: Die Fahnen der Täter.

Das Argument, die Hamas, mit mehr als der Gaza-Bevölkerung hinter sich, würde diese Fahnen nur „missbrauchen“ zieht hier ebenso wenig – ähnliche Argumente lässt man schließlich auch nicht für Reichsflaggen durchgehen. Aber es geht hier nicht um Fahnen, es geht um die bittere Realität, dass der Horror letzten Oktobers gezeigt hat, wie Antisemitismus und Hass auf den einzigen jüdischen Staat der Welt längst wieder in Deutschland normalisiert werden.

Aus der Politik hagelte es damals zwar zunächst Solidaritätsbekundungen, diese Zeiten sind jetzt aber vorbei. Längst zerrt Südafrika Israel vor den Internationalen Gerichtshof und klagt dort den Staat allen Ernstes des Völkermordes an. Israelkritische Rhetorik, wenn auch schwächer, kommt auch wieder aus dem deutschen Auswärtigen Amt.

Aus Solidarität sind längst Forderungen geworden

Erst vor kurzem forderte Außenministerin Annalena Baerbock von Israel eine „humanitäre Feuerpause – auch damit endlich alle Geiseln freigelassen werden“. Ganz so als würde Israel deren Freilassung nicht wollen – und vor allem in völliger Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass Israel genau eine solche zweimonatige Feuerpause im Gegenzug zur Freilassung aller Geiseln gerade erst Tage vorher angeboten hatte, diese jedoch von den Terroristen der Hamas ausgeschlagen worden war. Trotzdem ist es Israel, an das Baerbock jetzt ebendiese Forderung stellt.

Aber mit genau dieser absurden Erwartungshaltung geht die Bundesregierung an den jüdischen Staat heran. Israel müsse verhandeln, nachgeben, dürfe keinen Millimeter Pufferzone an der Grenze einrichten, solle eine „politische Lösung“ finden, das fordert man immer wieder. Dass die Alliierten gegen Nazi-Deutschland damals auch nichts weniger als eine bedingungslose Kapitulation forderten – und durchsetzten, inklusive Gebietsabtretung und jahrelanger Besatzung, das wischt man beiseite. Wenn Israel gegen Hamas-Terroristen kämpft, die mit ihrem Terror gerne SD-Einsatzgruppen Konkurrenz machen würden, ignoriert man das. Nein, Israel solle seinen Gegnern am liebsten noch Strom und Wasser liefern, heißt es dann.

Ein Gefühl wird man nach all den Sprüchen aus Politik und von Demos jedenfalls nicht los: Dass viele derer, die sich heute so sicher sind, dass sie immer gegen „Rechts“ und „Faschismus“ aufstehen, damals vielleicht lieber weggeschaut hätten. Und besonders traurig ist: Nicht wenige schauen heute wieder weg – wenn es ganz konkret um Antisemitismus geht.

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