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Warum Haldenwangs Verfassungsschutz im Ausland undenkbar wäre

Deutschlands Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang drängt immer mehr in die Öffentlichkeit. In einem Gastbeitrag in der FAZ rechtfertigte er das Handeln seiner Behörde - und vernachlässigte damit seine Verpflichtung zur politischen Neutralität.

Jean-Luc Mélenchon war 2012, 2017 und 2022 Präsidentschaftskandidat in Frankreich. Über 20 Prozent der Franzosen stimmten 2022 für ihn. Mélenchon hält die fünfte Französische Republik für eine „Oligarchie“, welche von einer „Kaste“ beherrscht werde. Die Fünfte Republik sei deswegen an ihr Ende gekommen und müsse durch eine neue, die Sechste Republik, ersetzt werden. Mit anderen Worten: Mélenchon plant, das bestehende französische System abzuschaffen.

In Deutschland wäre Mélenchon wohl als Verfassungsfeind gebrandmarkt und vom Verfassungsschutz beobachtet worden, wenn man nicht gar seine Partei verboten hätte. Doch geschehen ist nichts dergleichen. Das ist auch kaum verwunderlich. Frankreich kennt keinen Verfassungsschutz. Im Gegenteil: Man würde es wohl als undemokratisch auffassen, wenn eine von der Regierung kontrollierte Behörde über die Verfassungstauglichkeit der konkurrierenden Parteien bestimmt.

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Doch in Deutschland ist genau das der Fall. Einer Regierungsbehörde mit 4000 Beamten wird das Überwachen von Oppositionsparteien anvertraut. Sofern eine Partei Beobachtungsstatus erlangt, ist sogar das Einsetzen von geheimdienstlichen Mitteln – vom Abhören von Gesprächen bis hin zum Einsatz von V-Männern – gestattet. Im demokratischen Ausland wäre dies völlig undenkbar. Zu groß wäre die Sorge vor einem Missbrauch der Behörde durch die jeweilige Regierung. Hierzulande wird die Existenz des Verfassungsschutzes mit der deutschen Geschichte begründet.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, muss sich der Leiter des Verfassungsschutzes mehr noch als alle anderen Beamten über seine Pflicht zur politischen Neutralität bewusst sein. Hierfür bedarf es Charakterstärke und einer hohen Integrität. Dem Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes Thomas Haldenwang mangelt es an beidem. Haldenwang liefert Skandale und fragwürdige Entscheidungen am laufenden Band. Immer wieder fällt auch der deutliche Kontrast zu seinen Kollegen beim MAD und beim BND auf. Während der deutschen Öffentlichkeit die dort handelnden Personen weitgehend unbekannt sind und eher im Hintergrund agieren, ist Thomas Haldenwang omnipräsent.

Zuletzt sorgte er mit einem Gastbeitrag in der FAZ für Aufregung. In dem Artikel verteidigte er seine Behörde gegen Kritik. Demnach sei der Verfassungsschutz weder „Gesinnungspolizei“ noch „Regierungsschutz“. Es sei gut, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrsche, diese habe aber ihre Grenzen. „Die äußersten Grenzen zieht das Strafrecht, etwa im Hinblick auf strafbare Propagandadelikte oder Volksverhetzung“, erklärt Haldenwang und ergänzt, dass „auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen und unbeschadet ihrer Legalität“ Meinungsäußerungen verfassungsschutzrechtlich von Belang sein können. Im Klartext heißt das: Auch völlig legale Meinungsäußerungen können vom Bundesverfassungsschutzamt verfolgt werden.

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Der Abschied von der politischen Neutralität

Der ehemalige Stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges erklärte hierzu, dass Haldenwang sich „in die Tradition der Gestapo“ stelle. Selbst auf der offiziellen Website des Verfassungsschutzes heißt es: „In einem lebendigen demokratischen Diskurs haben auch radikale Ansichten ihren Platz“. Demnach sei es sogar legitim, die Demokratie für „die falsche Staatsform“ zu halten. Vielmehr fallen radikale Ansichten „unter die Meinungsfreiheit“ und „sind Ausdruck politischer Teilhabe“. Weiter heißt es: „Das Grundgesetz kennt nur die Pflicht zur Gesetzestreue, nicht aber eine Werteloyalität“. Eine Verfassungsschutzrelevanz ergebe sich erst in Fällen des Extremismus, wenn auf die „Beseitigung des staatlichen Grundgefüges“ gedrängt werde.

Doch problematisch an Haldenwangs Gastbeitrag in der FAZ ist nicht nur, was er gesagt hat, sondern, dass er überhaupt öffentlich Stellung zu dem Handeln des Verfassungsschutzes genommen hat. Haldenwang wehrte sich in dem Beitrag auch gegen den Vorwurf, dass seine Behörde medial zu präsent sei. Der innere Widerspruch, dass er sich nun ausgerechnet in einem Gastbeitrag in der FAZ davon frei sprechen wollte, fiel ihm offenbar nicht auf. Abermals verletzt er hier seine Funktion als politisch neutraler Beamter. Sinn und Zweck seiner Tätigkeit es eben nicht mittels Meinungsbeiträgen auf den Diskurs einzuwirken. Haldenwang ist an seinen Taten zu messen und nicht daran, wie er ungefragt sein Wirken rechtfertigt.

Haldenwang interpretiert seine Rolle mehr und mehr als politischer Akteur. Von seinem eigentlichen Aufgabenbereich verabschiedet er zusehends. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Informationen zu sammeln und zu analysieren, jedoch nicht, repressiv tätig zu werden. Jegliche repressive Maßnahmen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbehörden, für die spezifische Gesetze gelten müssen. Schon gar nicht ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, die öffentliche Debatte zu den eigenen Gunsten beeinflussen zu wollen.

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