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Trump-Urteil als „Schlüssel zur Diktatur“? Die Fakten-Verdrehung deutscher Medien ist nur noch absurd

„Diktatur“ und „König Trump“ – nach dem neusten Supreme Court-Urteil überschlagen sich deutsche Medien wieder mit apokalyptischen Schlagzeilen. Man kann es einfach nicht lassen, durch rein parteipolitische Linsen nach Amerika zu schauen und die älteste Republik der Welt zu belehren, wie Demokratie funktioniert.

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„Schlüssel für Diktatur“ – das titelte der Spiegel allen Ernstes nach einem Teil-Sieg Trumps vor dem Obersten Gerichtshof. Viele andere deutsche Medien folgten mit ähnlich apokalyptischen Schlagzeilen: „Weg frei für King Trump?“, war bei der Süddeutschen zu lesen, in der Tagesschau war die Rede davon, dass jetzt die „Leitplanken der Demokratie“ ausgehöhlt worden wären.

Es folgt einem bekannten Muster: Jedes Urteil, das irgendwie Trump, den Republikanern oder ganz grundsätzlich konservativer Politik hilft, ist automatisch Alarmstufe Rot für die fast 250-jährige Demokratie in Amerika. Und wir hier in Deutschland wissen es ja sowieso besser, können dann über einen angeblichen Niedergang der Normen und Rechtsstandards in Amerika fabulieren: Das politische System sei ja so extrem, veraltet und unzivilisiert dort.

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Gepaart ist das ganze meist mit frappierendem Unwissen: Einerseits darüber, wie das Rechts- und Politsystem in Amerika funktioniert, andererseits aber auch über das, was denn hinter dem neuen, großen Aufreger steckt, den man gerade gefunden haben will.

Ein gutes Beispiel dafür lieferte am Dienstag CDU-Außenpolitiker und „Transatlantiker“ Norbert Röttgen, der im ZDF-Mittagsmagazin auftrat und dort seine Unwissenheit zur Schau stellte: Jenes neue Trump-Urteil sei „nicht nachvollziehbar“, weil damit der US-Präsident „für all seine offiziellen Handlungen“ nun „keiner rechtlichen Verantwortung unterliegt“. Hätte er auch nur einen Blick auf die allererste Seite des Urteils geworfen, wüsste Röttgen, dass das schlicht falsch ist.

Die angesprochene absolute Immunität gilt nur für einige „Kern-Verfassungsbefugnisse“, bei anderen offiziellen Amtshandlungen kann sie aufgehoben werden. „Der Präsident steht nicht über dem Gesetz“, stellt das Urteil klar. Röttgen macht im Interview daraus: „Also das Prinzip des Rechts, dem ja alle unterliegen, dem wird der Präsident enthoben. Er steht über dem Gesetz.“

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Das Urteil sei eine „wirklich schwere Niederlage für den Rechtsstaat und die Demokratie“ in den USA, diagnostiziert der CDU-Politiker aus der Ferne den Zustand der amerikanischen Republik, die seit 1789 schon Präsidenten wählt, während hierzulande noch Fürsten über Kleinstaaten herrschten. Aber man weiß es ja besser.

Mit dem sehr strikten Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative, die alle hierzulande zum Teil stark vermischt sind, kann man wenig anfangen. Dass ein Präsident die Möglichkeit haben muss zu regieren, ohne zu fürchten, dass sein Nachfolger ihn vor Gericht zerrt, kann man in Deutschland nicht so recht verstehen.

Hierzulande hat man schließlich nicht mal die gleiche Definition von „regieren“ wie in den USA, bei uns gehört dazu immer auch eine komfortable und blind folgende Parlamentsmehrheit, um Gesetze durchzuwinken, in Amerika dagegen muss der Präsident mitunter mit gegnerischen Kongresskammern ringen – alle drei Regierungsgewalten streiten miteinander. Aber diese Nuancen gehen unter, bei uns ist man gewöhnt, dass alle im Gleichschritt marschieren, ansonsten herrsche „politische Instabilität“. Dass jetzt etwa der Supreme Court, die Staatsanwälte von Bidens Justizministerium bei ihrem Verfahren gegen Trump zurückpfeift, ist dann vermeintlicher Ausdruck eines solchen Niedergangs der US-Demokratie.

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Stattdessen macht man sich am Ende lieber lustig über die US-Verfassungsgeschichte, so wie Patrick Bahners in der FAZ. Weil sich der Vorsitzende Richter John Roberts in seiner Urteilsbegründung auf die „Federalist Papers“ von Verfassungsarchitekt Alexander Hamilton beruft, der eine „energische“ und „kraftvolle“ Regierung beschrieb, spottet Bahners, ob die Richter denn „Angst vor einem Schwächling“ im Oval Office hätten. Bahners belehrt stattdessen Roberts, dass die Verfassung ja gerade entstanden sei, um zu verhindern, dass Präsidenten die Macht von englischen Königen und deren Premierministern hätten.

Was er dabei weglässt: Die USA hatten nach Unabhängigkeit von Großbritannien bereits mit einer extrem schwachen Regierung experimentiert. Die erste US-Verfassung, die „Articles of Confederation“ hatten statt drei Regierungsgewalten, eine einzige: den Kongress, der Gesetze beschließen, Urteile bei Streit zwischen Bundesstaaten fällte, diplomatische Beziehung kontrollierte und Generäle ernennen sollte. Diese – auf gewisse Weise super-demokratische – Verfassung ohne klare Gewaltenteilung scheiterte, weil das Konstrukt zu schwach war, um sich selbst gegen rebellierende Ex-Soldaten zu schützen.

Gefragt war jetzt eine nicht in Ausschüssen, sondern von einer Person geführte, einheitliche Exekutive, die stark genug ist, um die Gesetze durchzusetzen, das Militär zu kommandieren und Außenpolitik im Namen der Vereinigten Staaten zu auszuüben. Die zweite US-Verfassung, die seit 1789 geltende „Constitution of the United States“ wurde also gerade nicht geschaffen, um eine Exekutive zu schwächen, sondern um sie erst richtig zu etablieren und zu stärken, mit Kriegsheld und Landesvater General George Washington an der Spitze. Hamilton, einer der Hauptautoren der Verfassung, musste sich daher zu Lebzeiten noch der Vorwurf anhören, er wolle einen amerikanischen König.

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All das geht hierzulande natürlich unter, wo manch einer sogar glaubt, die ganze amerikanische Revolution sei eine Folge der (späteren, radikalen) französischen Revolution gewesen. Nein, die Entscheidung der Richter kann gar nicht ein differenziertes Urteil sein, was auf einer mehr als 200-jährigen Verfassungsgeschichte fußt, es muss ein neuer, radikaler Angriff auf den Rechtsstaat sein, um Trump zu helfen, so der Tenor hierzulande. Die sechs konservativen Richter mit Jahrzehnten juristischer Erfahrung, die von drei verschiedenen Präsidenten (der älteste von George Bush Senior 1991) ernannt wurden, würden hier aus reiner Liebe zu Trump urteilen, denkt man sich hier.

Als Beweis bekommt man dann noch ein paar Zitate von Biden, seinen Parteifreunden und linken Experten eingestreut, die man auf CNN gesehen hat und schon ist der Fall klar: Es ist ein Angriff auf die Demokratie von rechts. Dass hier stattdessen festgehalten wurde (bzw. musste, weil das erste Mal ein US-Präsident für Diskussionen im Amt hinter Gittern landen soll), was sowieso schon lange galt, versteht man nicht. Dass sich etwa Ex-Präsident Obama auf eben die gleiche Immunität berufen würde, wenn man versucht hätte, ihn wegen Drohnenschlägen gegen Al-Qaida-Terroristen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft vor Gericht zu zerren.

Was man sonst immer Populisten vorhält, machen deutsche Medien hier nur zu gerne: Sie machen es sich einfach. Und unterteilen in Schwarz und Weiß, Gut oder Böse – und böse ist, wer Trump hilft.

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