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Taurus, oder doch nicht – das zynische Spiel der Ampel mit dem Sterben in der Ukraine

Zu lange hat der Kanzler Taurus-Lieferungen an die Ukraine blockiert - jetzt will die Ampel das mit einem Antrag beenden und traut sich dann doch nicht. Das Ergebnis der Berliner Politik ist die Verstetigung eines brutalen, perspektivlosen Abnutzungskrieges.

Die Koalitionsfraktionen wollen die Bundesregierung zur Lieferung zusätzlicher weitreichender Waffensysteme an die Ukraine auffordern. Ein gemeinsames Papier der Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP, das dem Magazin Stern und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, fordert „die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition, um die Ukraine (…) in die Lage zu versetzten, völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen“. Der gemeinsame Antrag dazu soll laut Stern in dieser Woche im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden. Er soll dem Vernehmen nach vor allem auf die Lieferung des Waffensystems Taurus abzielen – tatsächlich erwähnt er das System aber mit keinem Wort.

Taurus-Raketen sind die mächtigsten Flugkörper-Fernwaffen im Arsenal der Bundeswehr. Die Bunkerbrecher-Rakete wäre für die Ukraine von hohem taktischem Nutzen, ähnlich wie etwa die britischen „Storm Shadow“-Raketen, mit denen den Verteidigern in der Vergangenheit immer wieder bedeutende Schläge gegen russische Stellungen und Gerät gelang. Die ukrainische Regierung hatte die Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern und hoher Treffsicherheit im Mai 2023 offiziell von Deutschland erbeten, um militärische Ziele weit hinter der Frontlinie treffen zu können.

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Seitdem blockiert vor allem die SPD die Lieferung, die von weiten Teilen aus Grünen und FDP befürwortet wird. Der Kanzler hatte im Oktober erklärt, dass Deutschland Taurus vorerst nicht liefern werde. Dahinter steht die Befürchtung, dass die Raketen russisches Territorium treffen könnten. Auf der Sicherheitskonferenz wich Scholz am Samstag der Frage aus, ob er sie vielleicht doch noch freigeben will. Er versicherte lediglich in typischer Scholz-Schwammigkeit, dass Deutschland immer „genug“ tun werde, um die Ukraine zu unterstützen. Der Antrag ist im Geist dieser strategielosen Schwammigkeit verfasst.

Antrag soll die Ampel retten – nicht die Ukraine

Jetzt machen die Koalitionsfraktionen einen Vorstoß – reichlich spät. Gegenüber einem handlungsunwilligen Kanzler hätte das Parlament längst aktiv werden müssen. Es waren aber nicht zuletzt die großen Taurus-Trommler aus den Regierungsfraktionen, ihnen voran Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die im Januar noch einen entsprechenden Antrag im Bundestag abgelehnt hatten.

Der Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in russischer Lagerhaft habe bei manchen zu einem Umdenken geführt, schreibt der Stern auf Berufung auf Stimmen der SPD-Fraktion: „Es braucht jetzt ein Signal“, wird ein Fraktionsvertreter zitiert. Da liegt das Problem: Ein Waffensystem wird als „Zeichen“ geliefert, was vor allem an der heimatlichen PR-Front wirken soll. Für die Ukraine bringt dieser Antrag zunächst mal gar nichts. Selbst eine namentliche Benennung des Taurus-Systems als Liefergegenstand fällt aus – womit sich die SPD wieder durchgesetzt hat.

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Hilfe für die Ukraine? Wahrscheinlicher ist, dass der gemeinsame Antrag ein Notnagel gegen einen offenen Bruch in der Koalition sein sollte. Aber der schlägt so schlecht ein, dass Strack-Zimmermann, die öffentlich eine der lautesten Stimmen für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine ist, jetzt einem Unions-Antrag in dieser Frage zustimmen will. Das sicherlich auch aus Eigeninteresse: Mit ihrer Ablehnung des Unions-Antrages zu Taurus hatte die FDP-Politikerin, die stets gerne anderen ihr parteipolitisches Taktieren in Ukraine-Fragen vorwarf, das Gesicht verloren.

Gerade zu viel zum Sterben: Berlin spielt ein zynisches Spiel

Die großen Worte über große Waffen sollen ablenken: Berlins Strategie im Krieg ist vor allem das Spiel auf Zeit, wie es scheint. Man liefert der Ukraine offensichtlich nicht genug für eine strategische Wende an der festgefahrenen Front. Und man weiß, dass Putins Russland auf das „long game“, einen langen Konflikt, vorbereitet ist – und dass die Zeit für ihn läuft.

Der Westen, Europa und Deutschland haben versäumt, dieses „long game“ als solches zu erkennen. Alle Entscheidungen für Waffenlieferungen wirken zögerlich, undurchdacht und kopflos: Erst dagegen, dann Monate verzögern, dann doch dafür.

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Es ist die Ampel-Methode, der Ukraine gerade genug zum Überleben bereitzustellen – eigentlich zu wenig zum Leben, aber zu viel zum Sterben. Das deutsche Spiel hat sich seitdem kaum verändert. Ja, Deutschland lieferte immer mehr Waffensysteme – aber nur so viel, dass sich der Krieg im Schützengräben festfährt und dadurch immer brutaler wird. Das ist zynisch: Mit den westlichen Lieferungen kann der Ukrainer gerade mal dort stehen, wo er ist. Eine Verbesserung der Lage führen sie kaum herbei. Das Ganze erreicht zunehmend Dimensionen von Abnutzungskriegen vergangener Jahrhunderte. Die Somme heißt jetzt Dnjepr, aber die Methodik des sinnlosen Sterbens für minimale Geländegewinne ist die gleiche. Und Deutschland befeuert diese Pattsituation.

Im zynischen PR-Spiel geht es auf: Man kann die Ukrainer langsam verbluten lassen, ohne sich anschließend etwas vorwerfen lassen zu müssen (man hat ja immerhin dies und jenes geliefert). Dabei hält man große Reden, verspricht wie jetzt im Sicherheitsabkommen zwischen Berlin und Kiew die „Unerschütterlichkeit“, mit der man an der Seite der Ukraine stehe. Im Ergebnis ist es gerade jene merkwürdige Mischung aus Zögerlichkeit und Nachziehen, die die maximal blutige Konsequenz mitbringt.

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