Schuldenexplosion: Im Pakt mit den Sozialisten bleibt Frankreich unreformierbar
Frankreich taumelt durch eine Haushaltskrise und hat sich in einem politischen Patt verhakt. Hier zeichnet sich ab, was bald in der gesamten Eurozone droht. Am Anleihenmarkt tickt die Uhr angesichts der wachsenden Staatsschulden.
Frankreichs Regierungschef Sébastien Lecornu feierte in dieser Woche einen klassischen Pyrrhussieg. Am Dienstag stimmte die Nationalversammlung seinem Entwurf zum Sozialetat mit knapper Mehrheit zu. Ein Sieg mit Hilfe der Sozialisten, der teuer erkauft wurde: Die umfassenden Zugeständnisse werden die brandgefährliche Haushaltslage des Landes weiter verschärfen.
Mit 247 Ja-Stimmen bei 234 Gegenstimmen und 93 Enthaltungen verabschiedete die Assemblée Nationale einen Entwurf, der für das kommende Jahr im Sozialetat ein Defizit von 20 Milliarden Euro vorsieht – deutlich mehr als die von der Regierung ursprünglich geplanten 17 Milliarden Euro. Gegen den Entwurf stimmten der Rassemblement National (die Partei von Marine Le Pen) sowie die extreme Linke um Jean-Luc Mélenchon. Durch ihre Enthaltung hatte die Rechtspartei im November sogar einem Vorschlag der Linksfront zur Verstaatlichung von Unternehmen zur Mehrheit verholfen.
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Es ist bizarr: In Frankreich hat der politische Stillstand dazu geführt, dass die extreme Linke gemeinsam mit der Rechten abstimmt – und damit die Regierung über den Haushalt letztlich ins Stolpern bringt. Für Präsident Emmanuel Macron könnte dies bedeuten, schon bald erneut eine notdürftig zusammengestellte Regierung bilden zu müssen. Denn dass sich das Land aus der gegenwärtigen katastrophalen Lage befreien kann, ist nicht zu erwarten.
Der Entwurf des Sozialetats wandert nun in die nächste parlamentarische Kammer, in den Senat. Dort verfügt die Regierungskoalition über eine eigene Mehrheit. Aller Voraussicht nach wird der Vorschlag der ersten Kammer das Parlament ohne größere Hindernisse passieren. Am 23. Dezember stehen im Senat die Haushaltsverhandlungen für das Jahr 2026 an. Dann wird es noch einmal spannend – wenngleich nicht davon auszugehen ist, dass sich an der politischen Blockade Substanzielles ändern wird.
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Reformunfähigkeit als Dauerzustand
Schon die geplante Rentenreform, die eine Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre vorsah, musste Lecornu einfrieren. Künftig soll das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren und neun Monaten liegen. Das Land leistet sich den größten Sozialetat aller EU-Mitgliedstaaten und zugleich eines der niedrigsten Renteneintrittsalter überhaupt. Frankreich umdribbelt damit erneut das schwelende Rentenproblem und folgt Deutschland auf dem Pfad einer sich immer weiter auftürmenden Krise des Umlageverfahrens. Auch Paris verweigert sich einer Debatte um die Folgen der illegalen Migration in sein Sozialsystem – das ist der soziale Sprengstoff, dessen Lunte längst brennt.
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Emmanuel Macron hat angeregt, ein Label zur Kennzeichnung „vertrauenswürdiger“ Medien einzuführen. Eine staatliche Kontrolle von Presseorganen lehnt er zwar ab, dennoch wächst in Frankreich die Sorge vor einer Aushöhlung der Meinungs- und Pressefreiheit.Die Parlamentsentscheidung nun ist Ausdruck einer tief verwurzelten Realitätsverweigerung in der französischen Politik: Man lebt weiterhin auf Kosten der kommenden Generation und hat seine wirtschaftliche Substanz längst verfrühstückt. Frankreich erweist sich als vollkommen reformunfähig und taumelt so ungebremst einer schweren Haushaltskrise entgegen.
Für das laufende Jahr liegt das Haushaltsdefizit bei etwa 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die viel zu optimistischen Schätzungen der französischen Regierung für das kommende Jahr sehen ein Defizit von 5 Prozent vor. Angesichts der aufreißenden Lücken in den Sozialetats ist völlig unklar, wie diese Zahl zustande kommen soll. Sie ist schlicht realitätsfern.
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Die politische Krise des Landes findet ihren Widerhall in einer ökonomischen Paralyse. Auch in Frankreich schrumpft die gesamtwirtschaftliche Produktivität seit Jahren. Der Staat blockiert mit einer Staatsquote von 57 Prozent den freien Kapitalmarkt und absorbiert mit immer weiteren Staatsschulden jene Ressourcen, die nötig wären, um die Ökonomie wieder ans Laufen zu bringen. Frankreich wurde nie wirklich warm mit der Marktwirtschaft und drängt, wie ein siamesischer Zwilling der Berliner Katastrophenpolitik, in immer stärkerem Maße und mit zentraler Planung in die zentralen Bereiche der Wirtschaft vor.
Frankreich erlebt eine Insolvenzwelle biblischen Ausmaßes, der in diesem Jahr höchstwahrscheinlich 400.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen werden. Mit 68.000 Firmeninsolvenzen in den vergangenen zwölf Monaten und einer Industrieproduktion, die nicht mehr aus dem kontraktiven Bereich herausfindet, steuert das Land unaufhaltsam auf eine schwere soziale Krise zu, die sich längst in eine unübersehbare fiskalische Klemme übersetzt hat.
Das Land liegt ökonomisch am Boden, und die Franzosen flüchten sich in die Illusion der Wiederherstellbarkeit ihres Wohlfahrtsversprechens durch immer neuen Kredit. Was das konkret für die Stabilität der Eurozone bedeuten kann, dafür haben wir bereits vor anderthalb Jahrzehnten einen Vorgeschmack erlebt: Als das kleine Griechenland seine Staatsschulden nicht mehr unmittelbar bedienen konnte, fegte eine existenzielle Schuldenkrise wie ein Lauffeuer durch die Eurozone.
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Unter Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wurde im Prinzip die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik der Eurozone geopfert, um die eng verflochtenen Kreditmärkte mit einer enormen geldpolitischen Intervention und jahrelanger Rettungspolitik liquide zu halten. Sollte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone am Anleihenmarkt ein sogenanntes Airpocket erleben – also einen Nachfragezusammenbruch für ihre immer höheren Schuldenemissionen – wird dies nicht mehr durch die traditionellen Rettungsinstrumente der Europäischen Zentralbank aufzufangen sein.
Für den Fall einer akuten Krise am Anleihenmarkt stünde die Europäische Zentralbank Gewehr bei Fuß. Das wichtigste Instrument zur Stabilisierung der Staatsfinanzen wäre der Ankauf von Staatsanleihen im Rahmen des sogenannten PSPP-Programms – des Public Sector Purchase Programme. Ergänzend könnte Liquidität über gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte injiziert werden oder in Verbindung mit direkter Stützung des Bankensystems und der Institute, die große Volumina französischer Staatsanleihen halten.
Mit den Outright Monetary Transactions, dem OMT-Programm, stünde zudem ein Instrument bereit, das den direkten Ankauf von Staatsanleihen einzelner Krisenländer erlaubt – allerdings nur unter strikten Bedingungen der Fiskaldisziplin. Auf diese Einschränkungen dürfte in der kommenden Krise geflissentlich verzichtet werden, wenn es darum geht, den Kollaps der Eurozone abzuwenden. Dafür lieferte seinerzeit die EZB die Blaupause, als ihr Präsident Mario Draghi das „Whatever it takes“-Versprechen zu Protokoll gab.
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Die Interventionsfähigkeit der EZB ist aber nicht unlimitiert. Beim sogenannten langen Ende des Anleihenmarktes, den Staatsanleihen mit Laufzeiten von über zehn Jahren, handelt es sich um ein besonders volumentiefes Marktsegment. Eine einzelne Notenbank kann hier nur begrenzten Einfluss ausüben.
Seit Monaten beobachtet man jedoch gerade hier ansteigende Zinsen – vor allem in Japan, aber auch in einzelnen Bereichen der Eurozone. Nun materialisiert sich der generelle Vertrauensverlust der Investoren in die Schuldentragfähigkeit der zunehmend fiskalisch undisziplinierten Staaten. Eine säkulare Trendwende am Anleihenmarkt hat sich bereits vollzogen. Sie wird – Argentinien lässt grüßen – den endgültigen Schlusspunkt hinter jede Haushaltskrise setzen wird. Die Zeit der Kettensägen rückt womöglich näher.
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Wenn ihr eure Augen nicht gebraucht, um zu sehen, werdet ihr sie brauchen, um zu weinen.
Frankreich wird fallen. Es ist zu groß, die Verschuldung im Vgl. zur sinkenden Wirtschaftsleistung zu massiv das selbst D nicht rettend eingreifen kann. Wenn F fällt, fällt der Euro. Rien ne va plus.
So schnell geben die nicht auf.
Wenn Frankreich fällt, fällt die EU.
Das wird unter allen Umständen verhindert werden.
„Das wird unter allen Umständen verhindert werden.“
Ah ja? Und wie genau soll diese wundersame Rettung aussehen? Demos gegen „rechts“?
Wie denn?
Da werden private „Vermögen“ zugezogen. Gelder auf Sparkonten von den vielen Sparern; Gold (Edelmetalle auch Eisen). Die Großvermögen sind außer Reichweite.
In Paris ist die Zukunft Europas schon heute zu sehen.
Das Einzige was Sozialisten wirklich perfekt beherrschen, ist, das Geld anderer Leute im hohen Bogen aus dem Fenster zu schmeißen und zu verprassen, zügellos, skrupellos und schamlos.
Seit Anfang November steigt der Euro wieder. Er pendelt in einer Range zwischen 1,15-1,19 zum Dollar. Wenn er nach oben ausbricht sind Kurse im Bereich 1,22-1,25 drin. Der Bund-Future ist auf 127 gefallen-die Zinsen ziehen also an. Ziel wäre 125. Dort ist eine stärkere Unterstützung durch das Tief vom März.
Die Zinsen in den USA wurden das dritte Mal in Folge gesenkt aufgrund des Arbeitsmarktes. Wenn sie weiter sinken und in EU weiter steigen, wird das „vermutlich“ den Euro gegenüber Dollar stützen.
Bei 3,75% hat die Fed noch Spielraum nach unten. Bei der EZB ist dieser mit 2% nicht mehr so groß.
„Die Parlamentsentscheidung nun ist Ausdruck einer tief verwurzelten Realitätsverweigerung in der französischen Politik: Man lebt weiterhin auf Kosten der kommenden Generation und hat seine wirtschaftliche Substanz längst verfrühstückt.“
Ich denke nicht unbedingt, dass es sich bei diesem Gebaren um Realitätsverweigerung handelt, sondern vielmehr um die Angst vor dem Eingestehen der Wahrheit gegenüber dem Wahlvolk.
„Durch ihre Enthaltung hatte die Rechtspartei im November sogar einem Vorschlag der Linksfront zur Verstaatlichung von Unternehmen zur Mehrheit verholfen.“
Da fällt mir nix mehr ein. Was geht da ab ?
Was da abgeht? Zersetzung.
Nun, in Frankreich ist noch jede Reform der öffentlichen Finanzen gescheitert:
Vincent Ragot de Beaumont und Marschall Vauban erarbeiteten um 1700 das Konzept eines königlichen Zehnten. Alle Einkünfte – auch die bis dahin steuerfreien der Kirche und es Adels – sollten gleichermaßen mit 10% besteuert werden. Dies hätte die Steuereinnahme auf annähernd das dreifache gesteigert. Adel & Klerus waren dagegen und nach dem Tode Vaubans mußte Beaumont nach Holland fliehen, wo er bald darauf mittellos verstarb.
John Law gründete auf Betreiben deder Krone mit deren fast wertlosen Schuldverschreibungen 1718 die „Banque Royale“, um das Münzgeld (Gold & Silber) gegen Banknoten zu tauschen. Nach Übernahme der „Mississippi-Compagnie“, (kaum Gewinn in 100 Jahren), wurde den Investoren versprochen, daß sie auf Zeichnung eines Anteils von 1000 Livres nur 10% in Papiergeld einzahlen müssten, wähernd die Restschuld durch die erwarteten Gewinne von mindestens 20% p. a. gedeckt wäre.
Forts.:
Nur gab es keine Gewinne, nach 1720 platzte die Mississippi-Blase und der Regent Philippe d´Orléans hinterließ seinem Großneffen Louis XV. völlig zerrüttete Finanzen, weil sich die Hoffnung, diese durch Spekulationsgeschäfte zu sanieren zerschlagen hatten.
Louis XVI. berief 1776 den schweizer Bankier Jaques Necker zum Finanzminister, der versuchte den Etat zu stabilisieren, indem er die Pensionen für überflüssige Hof- und sonstige Ämter kürzte, die Kopfsteuer (taille) auch von Adel und Klerus einhob und der Hofhaltung strenge Sparsamkeit auferlegte. Damit gab es praktisch keinen Franzosen mehr, den er sich nicht zum Feinde gemacht hätte, so daß sein Sturz 1781 praktisch unvermeidlich war. Der Versuch, sich mit der Veröffentlichung des „Compte rendu au roi“ zu rechtfertigen verhinderten seinen Sturz nicht, gaben aber erstmals der Öffentlichkeit umfassenden Einblick in die Staatsfinanzen, was nicht unerheblich zur Revolution 8 Jahre später beigetragen hatte.
Auch in Frankreich scheint man aus der Geschichte nichts zu lernen …
Da werden die Leute auch bis 67 arbeiten müssen….oder bis 70…….
mit Aktivrente…..
Oder?
Also kommt es fast genau so wie es Hans Werner Sinn prophezeit hat: der Euro wird eine inflationäre Mittelmeerwährung wo die Druckerpresse der Notenbank den Politikern unangenehme Entscheidungen erspart.
Und dafür haben wir unsere solide Deutsche Mark hergegeben. Schande.
Was für ein toller Artikel; geschrieben von jemand, der die wirtschaftlichen Zusammenhänge versteht. Außerhalb der neuen Medien (neben Apollo z.B. auch Tichys Einblick) kann man mit der Lupe suchen, noch Journalisten zu finden, die sachkundig über Wirtschaft schreiben. Weiter so. Was Frankreich betrifft: Traurig, traurig. Die Herren ENA-Absolventen wissen schon, weshalb sie eine französische Sozialistin an die Spitze der EZB gehievt haben (mit Hilfe der deutschen CDU). Die macht, was Macron und Sozen-Fritze sagen und druckt über die im Artikel beschriebenen Mechanismen einfach Geld. Irgendwann platzt das alles und das ist gut so.
Gegen alle Widerstände werden sie den Russen das Geld stehlen und in die Ukraine schicken. Das Geld muss entweder nach einem Friedensvertrag oder den anstehenden Prozessen, (Belgien, Euroclear, die Russen etc. ) wieder erstattet werden. Dann ist Deutschland und Frankreich wirklich pleite, wahrscheinlich kollabiert auch der Euro. Unsere ehemaligen Partner, die USA werden uns nicht helfen.
Übrigens: Russengeld liegt auch in den USA und in Japan, die stehlen das Geld nicht. Nicht einmal im 2. Weltkrieg wurde das Geld von Hitler-Deutschland gestohlen.
Ca. 90 Prozent davon liegt in Belgien.
La Grand Nation. Danach ist Deutschland fällig. Die EU auf dem Scheiterhaufen der Geschichte. Alle hatten so große Pläne; Denkmäler, Statuen, Staatsbegräbnisse… Ein Sauhaufen der Täter wird es werden.
Und die Schuldigen werden sich rechtzeitig absetzen.
Da wird die Realität schon wieder zuschlagen, wie der wütende Ehepartner.
[Huch. Kommentar ging, trotz Wortwahl, ohne Freigabe direkt durch. Seltsam.]
Das ist ja wie in D. Nur eine andere Sprache.
Ok, in D kann man eine Opposition wegen der Vorgeschichte niedermachen als Nahtsy.
Das geht in F eher nicht.
Der Front Nationale ist dort genauso Paria wie die AfD in Deutschland es ist.
Collaborateur?
Keine Bange. In solchen Situationen, auch in Deutschland, hat immer nur ein Krieg die Lösung gebracht. Die Planer wissen das, sitzen in den Regierungen und können so unbeschwert draufloswirtschaften. Warum wohl handelt unsere Regierung so irrational?
Mélenchon: Seit die Sozialisten implodiert sind, hat er seinen gewohnten Einfluß verloren. Er ist ein wirklicher Teufel, der auf jede Gelegenheit wartet, seine Macht zu fühlen, etwas (egal was) zerstören zu können. In jedes brennende Problem muß er noch ‚Öl‘ nachgießen. Mal seine Reden anhören: Er hat keinerlei Plan für die französischen Nöte. Vielleicht träumt er (in kommunistischer Tradition) davon, die französische Kultur (oder Institutionen) zu zersetzen, um danach die Macht zu übernehmen. Seine Wähler? Keine Ahnung. Rachsüchtige aus dem Kreis der Sozialisten?
Es muß einen Zusammenhang mit der merkwürdigen Installation des Macron – aus dem Nichts – geben. Macron war kurz im Kabinett von Hollande, verschwand, und wurde, ohne eine richtige Partei hinter sich zu haben, zum Präsidenten gewählt.
Daher braucht es unbedingt einen Krieg; egal, wer anfängt.
Griechenland 2.0
Griechenland war gegen Frankreich ein Kindergeburtstag.