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Plötzlich stehen Dschihadisten-Truppen mitten in Aleppo – und der syrische Bürgerkrieg ist wieder voll zurück

Große Teil Aleppos sind wieder von Rebellen besetzt, überwiegend Islamisten. Es entsteht ein gefährliches Machtvakuum, auch für Europa. Sowohl eine neue Flüchtlings- als auch Terrorismus-Welle sind die Gefahr.

Truppen der syrischen Opposition beim Einzug nach Aleppo

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Seit 2011 wütet ein blutiger Bürgerkrieg in Syrien, der Hunderttausende Opfer auf militärischer und ziviler Seite forderte. Doch der Diktator des Landes, Bashar Al-Assad, schien seit einigen Jahren das Land wieder fest in seinem eisernen Griff zu haben; bis vor wenigen Tagen zumindest. Mitte September berichtete Apollo News ausführlich über das Pulverfass Syrien, jetzt ist es explodiert. Dschihadistische und andere Rebellen, darunter das Haiʾat Tahrir asch-Scham, ein indirekter Ableger der Al-Qaida-Miliz, haben in kürzester Zeit die zweitgrößte Stadt des Landes, Aleppo, zur Hälfte eingenommen. Seit 2016 war die Metropole, die vorher mehrmals verheerenden Bombardements zum Opfer gefallen war, nahezu unbehelligt vom Bürgerkrieg.

Am Mittwoch hatten die verschiedenen Rebellen-Fraktionen eine teilweise koordinierte Großoffensive gegen das Assad-Regime gestartet. Der Angriff konzentriert sich dabei auf den Norden des Landes, wo die Rebellen schon immer besonders stark waren. Die Truppen Assads zeigen sich vollkommen überrascht von der Offensive. Bereits nach wenigen Tagen erreichten Rebellentruppen den Stadtrand von Aleppo. Mittlerweile ist der Kampf um die Stadt schon in vollem Gange. Berichten zufolge sollen oppositionelle Truppen bereits das Herzstück der Stadt, die Zitadelle, erobert haben. Mehrere Videos von Soldaten mit den Fahnen der syrischen Opposition vor der Zitadelle kursieren mittlerweile in den sozialen Medien.

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Bemerkenswert: Die Zitadelle fiel ohne einen einzigen Schuss. Die Regierungskräfte sind augenscheinlich vollkommen desorganisiert. Anwohner berichten von einem Abzug der Assad-Truppen von strategisch entscheidenden Punkten in der Stadt. Einzig die russische Luftwaffe, Russland ist einer der wenigen Verbündeten Assads, reagierte umgehend. Erstmals seit mehreren Jahren führt sie wieder Luftschläge gegen Ziele in der Umgebung Aleppos aus. Doch auch die russische Armee musste sich bereits aus wichtigen Punkten zurückziehen, um ein direktes Gefecht mit den vom NATO-Mitglied Türkei unterstützten Rebellentruppen abzuwenden.

In der Stadt entsteht unterdessen ein gefährliches Machtvakuum. Zum einen stoßen dschihadistische und andere islamische Milizen vor, zum anderen haben kurdische Rebellen, die im nordöstlichen Teil des Landes seit einigen Jahren faktisch die Kontrolle übernommen haben, in einer blitzartigen Offensive Teile Aleppos erreicht. Der Flughafen der Stadt ist mittlerweile in kurdischer Hand. Beide Rebellengruppierungen stehen sich ebenfalls nicht versöhnlich gegenüber. Es bleibt abzuwarten, ob das gemeinsame Feindbild Al-Assad rebelleninterne Kämpfe um Aleppo verhindern wird.

Mit jedem Tag wird eine vorläufige Niederlage der Regierungskräfte im Kampf um Aleppo wahrscheinlicher. Gleichzeitig beginnt für die Rebellen ein Wettlauf gegen die Zeit. Schaffen sie es, die Kontrolle über die Stadt schnell genug vollständig abzusichern? Abzuwarten bleibt, ob sich dieses neue Aufflammen des Bürgerkriegs auch auf andere Landesteile ausbreiten wird.

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Passiert das, hätte das für Europa und Deutschland vermutlich verheerende Folgen. Eine erneute Flüchtlingswelle wäre dann nicht ausgeschlossen. Der Höhepunkt des syrischen Bürgerkriegs korrespondierte mit dem Höhepunkt der europäischen Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Allein in dem Jahr kamen über 300.000 Syrer nach Deutschland. Mittlerweile leben über eine Million Syrer in Deutschland – fast fünf Prozent der syrischen Vorkriegsbevölkerung.

Auch die Terror-Gefahr könnte wieder ansteigen. Bereits in den Monaten vor der Offensive der Opposition wurde eine deutliche Wiedererstarkung des syrischen IS vermeldet. Immer öfter überfallen Kämpfer der Terrormiliz syrische Dörfer. Auch in Europa konnte der IS, zuletzt durch den Messeranschlag von Solingen, wieder morden. Mit dem entstehenden Machtvakuum könnte der IS sich wieder mehr in der Region etablieren. Eine Schwächung des diktatorischen Assad-Regimes könnte in diesem Fall tatsächlich sogar gefährlich werden.

Gleichzeitig zeigt die offensichtliche Instabilität des Assad-Regimes die Schwäche der sogenannten „Achse des Widerstands“. Dieses informelle Bündnis, das sich gegen den Westen und insbesondere die USA und Israel gebildet hat, zerfällt zunehmend. Die Hisbollah liegt nach den israelischen Operationen gegen die Führung der Terrormiliz vollkommen am Boden. Der Iran ist nach mehreren gescheiterten Raketenangriffen auf Israel geschwächt. Russland müht sich fast drei Jahre nach dem Überfall immer noch mit der Ukraine ab. Nun verliert Assad den Halt in seinem Land.

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