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Interviews

Plötzlich fällt die mediale Brandmauer – der AfD kommt man trotzdem nicht bei

Nachdem man die AfD jahrelang von fast jeder medialen Bühne verbannt hat, versuchen sich Journalisten und Politiker wieder im „Entzaubern“ und „inhaltlich stellen“ - ihre Boykott-Strategie ist längst gescheitert. Aber auch mit moralisierender Konfrontation kommt man der Partei nicht bei: Das Anti-AfD-Lager hat keine Antworten mehr auf seinen Gegner.

Der Journalist Tilo Jung steht sicherlich nicht im Verdacht, rechts zu sein – trotzdem redet er mit AfD-Rechtsaußen Maximilian Krah. Ganze sechs Stunden widmet der Video-Interviewer dem Europawahl-Spitzenkandidaten – natürlich will er ihn „stellen“ und „entlarven“. Das ist auch sein journalistisches Recht, gar Pflicht. Aber es ist ein Novum. Jahrelang hatte man die AfD von so ziemlich jeder medialen Bühne verbannt – bis es nicht mehr ging. Jung traut sich etwas, bricht aus dieser Logik aus. Das muss man ihm anrechnen. Er hat verstanden: Ignorieren und aus dem Diskurs ausschließen funktioniert gegen die AfD nicht mehr.

Lange hat man überhaupt nicht mit AfD-Politikern gesprochen. Der Mythos, Talkshows hätten „die AfD groß gemacht“, erschreckte die etablierten Medien so sehr, dass über Jahre kein AfD-Politiker mehr ins Fernsehen durfte. Die Gesprächsrunden bei Maischberger, Maybrit Illner oder Markus Lanz waren quasi Rechts-freie Zone. Gebracht hat das alles nichts: Trotz, vielleicht auch wegen medialem Boykott ist die AfD so stark wie noch nie.

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Eigentlich logisch, dass das mediale Klasse jetzt umschwenkt. Aber dieser Umschwung bringt nichts. Bereits zwischen 2015 und 2017 wollte man die AfD „inhaltlich stellen“, das hatte man dann aber wieder gelassen. Es schien nicht zu funktionieren – und funktioniert auch jetzt nicht. Und das liegt nicht daran, dass die AfD in einem Paralleluniversum „alternativer Fakten“ lebt, dem man mit rationalen Argumenten gar nicht beikommen könne.

Das zeigt Tilo Jung. Seine Versuche, Krahs Argumentation zu „entlarven“, laufen oft ins Leere. Der AfD-Politiker tritt harmlos auf, kann sich gut inszenieren und präsentieren – und Jung kommt ihm nicht bei. Er schien sich schwach vorbereitet zu haben – vielleicht dachte er ja, dass genügend „richtige Haltung“ ausreicht, um einen angeblichen Nazi zu entlarven. Das reicht aber nicht.

Auch Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt versuchte sich jüngst in dieser Disziplin und traf AfD-Mann Björn Höcke. Im TV-Duell bei Welt wollte Thüringens CDU-Chef Mario Voigt den AfD-Rechtsausleger eben „inhaltlich stellen“. Auch das hat nicht funktioniert. Er trat hauptsächlich mit alten, abgedroschenen CDU-Formeln und, wie Höcke treffend anmerkte, einstudiertem Politiker-Sound auf. Im Gedächtnis bleibt vor allem Voigts peinliche „Nein, sie haben Mett gesagt“-Nummer in der hochspannenden Diskussion darüber, ob Höcke jetzt „Gehacktes-Brötchen“ oder „Mettbrötchen“ gesagt habe. So geht „inhaltlich stellen“ jedenfalls nicht. Höcke hat sich nicht gerade brillant geschlagen, aber zerstört wurde er auch nicht. Der Mythos um ihn ist ein Stück weit zusammengebrochen – allerdings hat den auch nicht die AfD, sondern die Presse konstruiert.

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„Entlarven“ und „Stellen“ läuft ins Leere

Jüngst versuchte sich jetzt auch Caren Miosga beim „inhaltlich stellen“ – es kam eher einem Tribunal gleich, als AfD-Chef Tino Chrupalla am Sonntagabend in der ARD-Talkshow antrat. Auch an ihm, der rhetorisch nun nicht der stärkste Politiker ist, perlte dieser Versuch weitgehend ab.

Dabei ist Chrupalla nicht der stärkste Redner, Krah bietet für jeden kritischen Journalisten verdammt viel Angriffsfläche, und Björn Höcke ist durch jahrelanges mediales Trommelfeuer zerschossen. Trotzdem kommt kein Opponent ihnen bei. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass man die inhaltliche Auseinandersetzung in weiten Teilen noch immer meidet und lieber dämonisiert und attackiert statt diskutiert. Ob man diese Dämonisierung betreibt, wenn ein AfDler im Raum ist oder nicht, ist dann auch zweitrangig. Das „entlarven“ und „stellen“ ist eine oberflächliche Formel – nur auf die alte moralische Angstkeule à la „Rechtsextrem“ und „Nazi“ aufgesetzt, statt eine echte und ehrliche Auseinandersetzung in der Sache zu suchen.

Man kann die AfD offenbar inhaltlich nicht stellen – oder die tatsächlich inhaltlichen Argumente, die ihre Gegner vorbringen, funktionieren nicht. Und die Partei ist wie eine Hydra – je mehr man rhetorisch draufhaut, desto stärker scheint sie zu werden. Dem fast schon pathologisch fixierten Anti-AfD-Lager bleibt eigentlich nichts mehr: Die Partei und ihre Vertreter wegzuignorieren, ist gescheitert. Zum inhaltlichen Stellen ist man nicht in der Lage – und einfach in Variationen „Rechtsextrem“ und „Nazi“ zu schreien, bringt nichts. Die AfD ist hier, um zu bleiben, belegt auch der europäische Trend mit anderen Rechts-Parteien.

Das einzige, womit man der AfD beikommen könnte, ist gute Politik. Denn die Partei ist im Grunde immer noch eine Protestpartei. Sie wird und wurde stets vor allem als Statement gegen etwas – gegen die aktuelle Politik, gegen die Linksverschiebung in der Gesellschaft gewählt. Weniger als Statement für etwas. Löst man die Probleme, die die Partei berechtigterweise anspricht und kritisiert, löst die etablierte Politik auch ihr Problem AfD. Das hat man bis heute nicht verstanden – und solange das so bleibt, bleibt auch die AfD.

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