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Peinliches Feminismus-Feuilleton – Der Elfenbeinturm ist eine Etage höher gezogen

Es steht um den Elfenbeinturm schlechter, als bisher angenommen. Während wir in der Realität leben, fantasieren sich die woken Vordenker des Zeitgeists eine Welt, in der Menschen die Biologie eines Clownfisches und eines Schmetterlings zugleich haben und Geschlechter und Billig-Discounter von der Moral überwunden werden.

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Ich glaube ich habe meinen neuen Lieblingspodcast gefunden. Das sollte jetzt nicht als Hörempfehlung verstanden werden, denn der Zeit-Podcast „Die sogenannte Gegenwart“ ist in erster Linie langweilig. Doch wer an das Reinhören in dieses Meisterwerks rangeht, wie ein Naturwissenschaftler auf Safari, der kann dabei sehr viel Spaß haben. Alternativ kann man sich auch vorstellen, dass es sich hierbei um eine sehr gelungene Satire-Sendung, inspiriert am Stil Loriots, handelt. Die Zeit-Feuilleton-Redakteure Nina Pauer, Ijoma Mangold und Lars Weisbrod sprechen in dem Podcast über das, was sie als Gegenwart empfinden, Phänomene, die „unsere Zeit ausmachen“.

Feuilleton-Redakteure einer Zeitung, deren Leserschaft sich wohl als das linke Bildungsbürgertum zusammenfassen lässt, dürften wohl die Essenz der woken Dekadenz darstellen. Sie verdienen immerhin ihr Geld damit, maximal verkopft weltfremde Pseudo-Denkanstöße zu entwickeln, damit die Studienrätin und der Philosophieprofessor sich beim Lesen der drei Tage alten Printausgabe ganz besonders intellektuell angeregt fühlen können. Wie sich interessanterweise beim Anhören des Zeit-Podcasts herausstellt, sind sich die Journalisten selbst dieser Stellung in der Gesellschaft nicht ganz bewusst.

Nun aber einen Schritt zurück. Ich höre eigentlich keine Podcasts und bin auch keine Zeit-Leserin. Auf diesen bin wegen des Titels der neusten Ausgabe: „Wie wird mein Sohn kein toxischer Mann?“ gestoßen. Wenn man die eingangs beschriebene Wirklichkeitsfremdheit des linken Feuilletons noch steigern will, dann geht das nur auf einem Wege: Indem man ihn über Erziehung sprechen lässt. Der Podcast liefert dahingehend zuverlässig ab. Nina Pauer und Lars Weisbrod widmen sich dem Thema gemeinsam, da sie sich als „Elternteile von jeweils einem männlich gelesenen Kind“ zusammen fassen lassen. 

Elternteile von mindestens einem männlich gelesenen Kind 

Bevor sie allerdings zum Thema kommen spielen sie ein Spiel, dass sie den „Gegenwartscheck“ nennen. Soweit ich es verstanden habe, überlegen sich die Podcast-Redner dafür verschiedene Themen, die für sie die Gegenwart darstellen und stimmen darüber ab, ob es sich dabei wirklich um die Gegenwart handelt. Hätte ich ein Trinkspiel daraus gemacht und jedes Mal einen Shot getrunken, wenn Lars Weisbrod das Wort „optische Medien“ benutzt, hätte ich das tatsächliche Thema der Folge wohl nicht mehr mitbekommen. Kurz gesagt: Die breite Bevölkerung hat von dem größten Teil der angeblichen „Gegenwart“ entweder noch nie was gehört oder misst dem nicht die Relevanz bei, die es bedurft hätte, diese in einer gefühlten Ewigkeit zu ergründen. 

Doch dreißig „optische Medien“ später kommt man endlich zum Punkt. Inspiration des Podcasts ist ein Buch, das beide gelesen haben. „Söhne großziehen als Feministin“ heißt es, von der Autorin Shila Behjat, ihres Zeichens Mutter zweier „Nachwuchsmänner“ im Alter von zehn und acht Jahren. Da dieses Buch in der Bubble der beiden Redakteure vielfach besprochen wurde, erklären sie es alleine dafür schon zur Gegenwart. Und sie stellen sich die Frage: Söhne großziehen als Feministin – wie geht das eigentlich? Und ist das nicht ein Widerspruch in sich? 

Wie sich herausstellt, beschäftigen sich wohl gerade viele Linke mit der Frage, wie man Männer groß ziehen soll und wie man dies „auf der Höhe der Zeit“ tut. Die beiden „Elternteile von jeweils mindestens einem männlich gelesenen Kind“ stehen dabei vor ganz eigenen Herausforderungen. Lars Weisbrod identifiziert sich dabei als Postfeminist, das heißt, nach seiner Vorstellung würde er das Konzept des Geschlechts am Liebsten ganz überwinden. Er erzieht seine Jungen, wie er schildert, auch entsprechend, beispielsweise, indem er ihnen absichtlich Märchen mit starken weiblichen Protagonisten erzählt.

Beginnt die toxische Männlichkeit schon im Kindergarten? 

Seine Jungen wehren sich teilweise in ihrer kindlichen Naivität dagegen, beziehungsweise greifen das Konzept nicht zufriedenstellend auf. So verlangen sie schon proaktiv zu Beginn der Geschichten, dass dieses Mal aber auch Männer mitspielen sollen. Die beiden Podcaster strengen dazu dann die Überlegung an, ob diese Resistenz gegen weibliche Charaktere auch schon toxische Männlichkeit sein könnte oder ob die Kinder nicht einfach mit „einem authentischen Papa spielen“ wollen. Manchmal verkünden die männlich gelesenen Kinder der Familie Weisbrod aber auch plötzlich so absurde Thesen, wie dass rosa eklig sei, weil es eine Mädchenfarbe wäre. Lars Weisbrod fühlt sich da „als politisch bewusster Vater gefordert“, da er darauf ja reagieren und so diesen Vorurteilen der Gesellschaft, verkörpert in seinem Sohn, etwas entgegensetzen und für Aufklärung sorgen müsse. 

„Moral load“ nennen die beiden Bodenständigen das. Wie geht man damit um? „Ich komme mir dann immer vor wie so ein Sozialarbeiter, der dann auf extra cool macht, weil er mit den Jugendlichen oder Drogensüchtigen oder so auf Augenhöhe sprechen will“, erklärt Lars Weisbrod. Er will seinen Kindern vermitteln, dass Aussagen wie „Rosa ist für Mädchen“ etwas so Unbekanntes für ihn sei, dass es nahezu absurd ist. Er erklärt sich das mit seinem Gedankengut als Postfeminist, „der dann an der Idee so klammernd festhält, man könnte zumindest vor Kindern noch so tun, als spielen Geschlecht gar keine Rolle.“ Es spielt auch eine ganze Menge Schock, vielleicht sogar Panik, vor der Konfrontation mit heteronormativen Klischees – um nicht zu sagen der Konfrontation mit der Realität – mit. 

„Irgendwer haut dann solche krassen Genderstereotypen raus“, sagt ein Podcaster – „Alle Eltern erzählen einem ja, was für ein Wahnsinn das ist, wie erschreckt man ist, dass plötzlich diese massiven Geschlechterklischees einem entgegen ploppen“, ergänzt der andere. Und sicher muss so eine Konfrontation für die politisch bewussten Elternteile sehr stressig sein. Denn dann muss man sich auf die Spurensuche begeben: „Wann zwischen auf die Welt kommen und sagen ‚Papa, rosa ist doof‘ passiert das?“. Die Experten sind ratlos. „Man weiß gar nicht so richtig wo die [Geschlechterklischees] herkommen. Die Kinder, wie sonst die respiratorischen Infekte, schleppen das irgendwie aus der Kita an und husten einem ins Auge.“ Man bekommt den Eindruck, dass Sätze wie „Kleider sind was für Mädchen“ das neue „Scheiße“ sind – die Schimpfworte, die wir auf jeden Fall von unseren Kindern fern halten wollen und plötzlich fluchen sie dann doch wie Hafenarbeiter.  

Muttersöhnchen als Ideal eines Mannes?

Trotz dieses Irrsinns kann man nicht behaupten, dass die beiden und die Autorin des besprochenen Buches kein Herz für Jungen haben. Auch wenn der erste Gedanke der Autorin, als sie mitgeteilt bekommen hat, dass sie mit einem Jungen schwanger ist, war: „Er darf bloß kein Arschloch werden.“ Und auch Nina Pauer nimmt sich da nicht aus, auch wenn sie ihren Sohn als „das mindestens eine männliche Kind, mit dem ich zusammenlebe“ bezeichnet. Für Lars Weisbrod muss man sich jetzt der Frage stellen, was der Feminismus für Jungen zu bieten hat. „Wir eröffnen den Mädchen ganz viel und die Jungen vergessen wir“, kommentiert Pauer dazu. 

Die Autorin des Feministen-Jungs-Erziehungsbuch sieht das wohl ähnlich. Während den Mädchen beinahe aggressiv immer wieder klargemacht wird, dass sie alles werden können, werden Jungen inzwischen konstant gedrosselt, „zumindest wenn sie sich weiter als Männer lesen lassen wollen.“ Da kommt man zum großen Problem. Jungen können einerseits nichts für ihr Geschlecht, andererseits will man sie nicht in Richtung ihres Geschlechtsklischees erziehen. Sie sind somit ohne Vorbild und Ideal. „Die klassischen männlichen Eigenschaften, die können wir im 21. Jahrhundert nicht mehr so gut gebrauchen.“

„Deswegen sollten wir uns lieber auch auf die klassischen weiblichen Eigenschaften konzentrieren und unsere Kinder dahingehend erziehen“, fässt Weisbrod die Botschaft der Autorin zusammen. Ihr Vorschlag ist: „Wir müssen den Männern endlich einräumen, Seelenarbeit zu machen“. Darunter definiert ist etwa, dass Männern die Freiheit gelassen wird, zu weinen. Andererseits soll damit aufgeräumt werden, dass Muttersöhnchen zu sein, etwas Schlechtes wäre. Was hat der Feminismus den Männern also zu bieten? Taschentücher und eine ungesunde Abhängigkeit von der Mutter. Das ist lustig, denn die meisten Muttersöhnchen, die ich bisher kennengelernt habe, hatten eine sehr gestörte Beziehung zu Frauen, welche gerne in tatsächlichen Sexismus umgeschwungen ist. 

Die Gleichberechtigung ist nicht mehr das Ziel 

Im Fazit kommen die beiden Feuilleton-Redaktuere dann aber doch zu dem Ergebnis, dass sie mit dem Buch nicht zufrieden sind, es sei „leider kein gutes Buch“, so Lars Weisbrod. Nina Pauer ist das Buch zu postfeministisch, da es bereits davon ausgeht, dass das Empowerment der Mädchen bereits abgeschlossen sei. Sie hätte sich auch ein Kapitel über das Konzept „MaPa“ gewünscht, ein Wort, das wohl eine Fusion aus Mama und Papa darstellen soll und die klassische Rollenverteilung mithin überwindet beziehungsweise in sich zu einem vereint. „Mutter und Vater finde ich eh komisch“, kommentiert Weisbrod das. Er findet das Konzept von Elternteil 1 und Elternteil 2 viel besser. 

Ein interessanter Gedanke, da man in Mutter und Vater ja eigentlich viel mehr hineininterpretieren kann, da sie eigene Begriffe sind. Währenddessen setzt Elternteil 1 zwingend ein Elternteil 2 voraus und umgekehrt. Dabei wird praktisch erst recht eine numerische Hierarchie einführt, die es so gar nicht geben müsste. Lars Weisbrod ist das Buch zusätzlich auch noch, anders als seiner Kollegin, nicht postfeministisch genug. Er kritisiert, dass es sich wohl noch zu sehr an heteronormativen Realitäten orientiert. „Wovon sie [die Autorin] sich nicht wirklich verabschieden will, habe ich das Gefühl, und da eiert sie am Ende so ein bisschen rum, ist, dass es Frauen und Männer gibt und dass wir Weiblichkeit und Männlichkeit irgendwie als Konstrukte haben, um die wir herum kreisen.“  

Weisbrod würde im Sinne seiner Auslegung des Postfeminismus die Geschlechterkonstrukte gerne komplett abräumen, „dann gibt es das halt nicht mehr“. Es gibt dabei nur ein Störgefühl bei ihm, nämlich dass er immer noch Frauen begehrt und er gerne mit einer verheiratet sein will. Angesichts der Tatsache, dass er auch tatsächlich verheiratet ist, wird seine Frau das sicher freuen. Es wird aber trotzdem kurz diskutiert, ob es nicht doch möglich wäre, dass er eines Tages auf eine queere Person stehen könnte oder ob und warum sich das jetzt nicht mehr ändern lässt. Im Grunde hat man hier die perfekte Voraussetzung für die Wiedereinführung der Konversionstherapie, aber weil es woke ist, ist das ok.

Die Elfenbeinturm ist eine Etage höher gezogen

Was ich so irre faszinierend finde, ist, wie viel Zeit man in etwas stecken kann, was im Grunde so egal ist. Die beiden diskutieren noch über die Geschlechterdefinitionen nach der Feministin Sally Haslinger, nach der Mann und Frau Hierarchiekonstrukte sind. „Also eine Frau ist eine Person, die aufgrund ihrer mit Gebären verbundener Eigenschaften diskriminiert wird. Und in der Utopie, wo sie nicht mehr diskriminiert wird, gibt es keine Frauen mehr, weil dieser Begriff daran gebunden ist“, erklärt Weisbrod. Das heißt, solange Frauen Kinder gebären müssen und Männer nicht, das Schwangersein also nicht an Maschinen ausgelagert ist, wird es doch noch einen Unterschied geben, den man irgendwie gesellschaftlich markieren muss.

Sie gehen außerdem dazu über, die Überlegung anzustrengen, dass Kinder ja, solange sie präpubertär sind und kein sexuelles Begehren empfinden, absolut geschlechtsneutral erzogen werden können, da Kinder ja geschlechtslos seien und ein „Gender“ erst mit der Pubertät bekämen. Jetzt sind wir Menschen also nicht nur Clownfische, die ihre Geschlechter wahllos ändern und ihre Sexualpartner anpassen können, wie es gerade passt. Wir sind auch noch Schmetterlinge, die als Raupe und als fertig entpuppter Falter biologisch komplett getrennte Leben leben. Die beiden Feuilletonisten sind in ihrer Ideologie auf eine so ignorante Art von menschlicher Biologie unbeeindruckt, dass man ins Staunen kommen muss.

Der Elfenbeinturm ist von der Realität noch weiter abgehoben, als ich es vor dem Anhören dieses Podcasts je erahnt hätte. Das wird besonders beim Schlusssegment der „Prognosefrage“ auf den Punkt gebracht, das so etwa journalistischem Glaskugellesen entspricht. Die Frage, mit der sich die beiden in den letzten Minuten beschäftigen, war dabei, ob Aldi wie bei seinem chinesischen Ableger auch in Deutschland bald hochwertiger und teurer wird. Sie wissen und ich weiß, dass Deutschland gerade in einer Wirtschaftskrise steckt und für viele jetzt schon der Wochenendeinkauf beim Discounter eine finanzielle Zumutung geworden ist.

Doch Lars „Ich war seit Jahren nicht mehr in einem Discounter“ Weisbrod wagt selbstbewusst die These: „Ich glaube und das würde ich jetzt mal prognostizieren, dass das zurück schlägt auf den deutschen Markt und dass die Discounter, die überleben werden, eher so luxusmäßig aussehen werden.“ Er gesteht allerdings auch ein: Das Konzept von Billig-Discountern wie Aldi war für ihn schon immer ein Mysterium. 

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