Werbung

Münster

„Nicht mit Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar“: Stadtbücherei versieht Bücher mit politischen Warnhinweisen

Die Stadtbücherei Münster hat Bücher mit einem politischen Warnhinweis versehen – sie seien „unter Umständen nicht mit den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar“. Der Berufsverband „Information Bibliothek“ hat eigens einen „Expert*innenzirkel” gegründet, um Hinweise zu geben, wie man mit „Medien an den Rändern” umgeht.

Bücher können in Zukunft mit Hinweisen versehen werden, dass ihr Inhalt demokratischen Werten widerspricht (Symbolbild)

Werbung

„Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt“ – die Stadtbücherei Münster hat zwei Bücher ihres Bestands mit einem Warnhinweis versehen. Der Inhalt sei „unter Umständen nicht mit den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar”, heißt es darin. Das bestätigte die Stadtbücherei auf Anfrage von Apollo News. „Aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit“ würden die Bücher aber trotzdem „zur Verfügung gestellt“.

Bei den Büchern handelt es sich um „Putin, Herr des Geschehens?“ von Jacques Baud und „2024 – das andere Jahrbuch: verheimlicht, vertuscht, vergessen“ von Gerhard Wisnewski. Das erste Buch ist im Westend-Verlag erschienen und will laut Klappentext der „häufig unvollständige[n] Darstellung der Vorgeschichte des Ukraine-Kriegs in vielen europäischen Medien” einen „sachlichen Blick” entgegenstellen, indem auf Dokumente aus den USA, der Ukraine und der russischen Opposition zurückgegriffen wird. Das Buch „2024 – das andere Jahrbuch” ist im Kopp Verlag erschienen und beschäftigt sich mit Nachrichten, die 2023 nach Ansicht der Autoren zu kurz gekommen sind oder nicht behandelt wurden.

...
...

Die Stadtbücherei Münster wird von der Stadt finanziert. Ihr Vorgehen steht dabei exemplarisch für ein Bestreben einiger Bibliothekare, die Leser in der Beurteilung von Büchern „anzuleiten”. Denn der Berufsverband „Information Bibliothek“, dem 5.200 Mitglieder angehören, hat sich ein neues Konzept überlegt, um den Inhalt von Büchern auf ihre vermittelten Werte hin zu überprüfen. Ein „Expert*innenzirkel“, wie es auf der Internetseite des Verbands heißt, soll für Bibliothekare Informationen zusammenstellen, wie mit „Medien an den Rändern” umgegangen werden kann. Mit „Medien an den Rändern” ist hauptsächlich, aber nicht nur „(politische) Literatur am rechten Rand” gemeint.

Bei der Debatte „steht die Frage im Mittelpunkt, wie öffentliche Bibliotheken als demokratische Institutionen mit Büchern umgehen sollen, in denen grundlegende demokratische Werte und Menschenrechte infrage gestellt und gezielt falsche Informationen und Verschwörungstheorien verbreitet werden.” In der Fachliteratur der Bibliothekswissenschaft haben sich laut dem Verein zwei Herangehensweisen mit als rechts wahrgenommener Literatur herausgebildet: der restriktive und der offensive Ansatz.

Der restriktive Ansatz bedeutet faktisch Zensur: „Es werden entweder alle oder zumindest einige rechte Sachbücher aufgrund von Kriterien wie Verlage und Autoren/Autorinnen oder Merkmalen wie Verfassungsfeindlichkeit, Diskriminierung oder Beleidigung von der Erwerbung ausgeschlossen”, fasst der Verband zusammen. Beim offensiven Ansatz werden „Bücher aus dem rechten Spektrum” angeschafft, sollten aber kontextualisiert werden.

Lesen Sie auch:

Titel, Autoren und Verlage, die als rechts angesehen werden, sollen zum einen durch Bücher, die zum gleichen Thema eine andere Sichtweise vermitteln, eingeordnet werden. Das wird als „Kontextualisierung über den Bestand” bezeichnet. Doch auch die einzelnen, vermeintlich rechten Titel selbst sollen kontextualisiert werden. Bei der „engen Kontextualisierung” sollen zusätzliche Informationen bereitgestellt werden. „Dies kann z. B. mithilfe von den Büchern beigefügten ‚Beipackzetteln‘, Hinweisen auf die Umstrittenheit oder per QR-Code abrufbaren Links zu Rezensionen, Faktenchecks u. ä.” stattfinden.

Das Ziel dieser Maßnahmen sei es, „Nutzer anzuleiten, die Bücher kritisch zu hinterfragen und (v.a. rechtsextreme) Ideologeme zu dekonstruieren”. Der Verein selbst hatte im Juli 2019 eine Stellungnahme verfasst, die im August 2024 erneuert wurde und in der es heißt, dass in Bibliotheken kein Platz für Extremismus sei. Dort steht: „Durch Äußerungen von Vertreter/-innen nationalistischer Parteien, verfassungsfeindlicher Bewegungen oder populistischen Strömungen stellen wir fest, dass Grundwerte unserer Berufsethik betroffen sind”.

Weiter heißt es in der Mitteilung: „Wir lehnen die Zensur von Inhalten ab. Wir nehmen eine Verzerrung von Wahrheiten oder gar die Leugnung von wissenschaftlich bewiesenen Fakten nicht hin. Wir dulden keine Angriffe oder ein Verächtlichmachen von Andersdenkenden. Jede Form von Angriff auf das verbriefte Grundrecht der Menschenwürde und auf die Informationsfreiheit ist für uns untragbar und nicht mit unserer bibliothekarischen Berufsethik vereinbar.” Der Verein setze sich für „freie Meinungsbildung, Pluralität und für den freien Fluss von Informationen” ein.

Sie haben brisante Insider-Informationen oder Leaks? Hier können Sie uns anonyme Hinweise schicken.

Werbung