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Mit Slapstick gegen „Rechts“ – Peinlicher wird es nicht mehr

In einer neuen Kampagne rufen Stars mal wieder „gegen Hass und Hetze“ auf. Mit stumpfen Witzen haut man auf die AfD, als wäre sie die böse Puppe im Kasperle-Theater. Damit diskreditieren die „Komiker“ vor allem sich selbst.

Wenn deutsche Komiker und Schauspieler witzig sein möchten, sollte man sich in Acht nehmen. Wenn sie gleichzeitig auch noch ein „Zeichen“ setzen wollen, muss man das Weite suchen. Diese inoffizielle Volksweisheit wurde in diesen Tagen einmal wieder in einer Kampagne des Kölner Stadtanzeigers bewiesen. „Wir stehen auf für Demokratie!“ ist die Message des neuen Themenschwerpunkts der Regionalzeitung, die verschiedene Prominente und Lokalgrößen versammelt hat, um „zusammen gegen Hass und Hetze“ zu demonstrieren. 

Man fragt sich, wie die Redaktionssitzungen ablaufen, die solche Ideen produzieren. Sitzt da wirklich einer, der keine Scham dabei empfindet, vorzuschlagen, jetzt auch noch als zwanzigste Zeitung auf den Anti-AfD-Zug aufzuspringen? Und wie kommt es, dass keiner anmerkt, dass das, wenn überhaupt, vor zwei Monaten originell war, aber jetzt einfach nur wiedergekäutes Gratismut-Getue ist? 

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Ein Grund, warum sich die langweilige Kampagne durchgesetzt hat, war vermutlich, dass man sich in der Redaktion darauf verlassen konnte, Prominente zu finden, die beleidigt sind, dass sie für die große Anti-Rechts-Titelgeschichte des Sterns damals nicht angefragt wurden – und jetzt auch unbedingt noch mal sagen wollen, dass sie keine Nazis mögen. In dem Kampagnen-Video, das der Kölner Stadtanzeiger am Donnerstag auf Instagram veröffentlichte, kommen unter anderem der als Tatort-Kommissar bekannte Schauspieler Dietmar Bär und die Komikerin Annette Frier zu Wort. Beide sitzen zu Beginn des Clips emotionslos in einem Backstageraum – bis Frier plötzlich demonstrativ sagt: „Ich steh jetzt auf“ – und das auch tut. 

Sägen am „Demokratie-Stuhl“

„Ich habe jetzt wirklich lange genug im Sitzen zugeschaut, wie an meinem Demokratie-Stuhl gesägt wird“, sagt die unter anderem aus der „Lindenstraße“ bekannte Schauspielerin in einem Duktus, den man sonst eher von Grundschulkindern kennt, die ein auswendig gelerntes Gedicht vortragen müssen. Der Kollege Bär verkündet: „Ich steh auch auf.“ Und, obwohl niemand gefragt hat, ergänzt er: „Weil ich niemals die Frage hören möchte: ‚Warum habt ihr damals nichts gemacht?‘“ Nun, was macht er aber, wenn seine Kids ihn später einmal fragen sollten, warum er bei so viel Blödsinn mitgemacht hat?

Zufrieden klatschen Frier und Bär sich ein – und machen sich auf, in unterschiedliche Richtungen. Bär pfeift Frier zurück, die gerade das Fenster aufmachen will, und deutet auf die Tür. „Ach hier gehts zur Demo-“, sagte sie, macht eine Pause und ergänzt dann: „-kratie“. Brüller. Und es geht genauso schmerzhaft weiter: „Isch steh auf für ein buntes Köln ohne Rassismus“ droppt der Rapper „9nine“ (Nein, ich weiß auch nicht, wer das ist) und ruft noch ein „Köln bleibt stabil!“ dazu. 

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Als Nächstes tritt Schauspielerin Ines Marie Westernströer ins Bild und sieht aus, als hätte sie seit einer Woche nicht mehr geschlafen. „Ich stehe auf, damit alle Menschen in unserer Gesellschaft frei und ohne Angst leben können“, sagt sie, mit kränklich-ängstlicher Stimme und guckt dabei verstörend leer in die Kamera. Damit die Zuschauer nicht in der von ihren eisblauen Augen ausgelösten Beklommenheit verharren, wird nun der Kabarettist Jürgen Becker reingeschnitten, der in munterer Erklärbärstimme sagt: „Ich stehe auf, weil wir nicht stark sind, weil wir alle gleich sind. Ich stehe auf für die Freude an der Unterschiedlichkeit!“ Jawoll! Und gleich nehmen wir uns noch an den Händen und machen eine Traumreise in das Land, in dem für immer Frühling ist

Peter Lustig ist nicht lustig

Dann endlich: Wieder ein Gesicht, das man kennt. Cordula Stratmann, Komikerin und – wie ich eben beim Googeln lernte – Familientherapeutin, steht in einer betont lässigen fließenden Bewegung auf, die man sonst nur von Öko-Müttern kennt, die vor den Augen anderer Eltern demonstrieren wollen, dass ihre regelmäßigen Capoeira-Kurse ihre Alltagsresilienz gestärkt haben. Demonstrativ mit sich selbst im Reinen sagt Stratmann in die Kamera: „Ich stehe auf für ein Land, in dem niemand einem anderen seine Daseinsberechtigung absprechen will.“ Dass das weniger nach „Remigration“, sondern vielmehr nach Massenmord-Plänen klingt, bemerkt die lässige Komikerin nicht. 

Auch für die Kids ist jemand beim großen „Wir stehen auf“-Projekt dabei. Schauspieler Guido Hammesfahr, der seit 2006 den Nachfolger von Peter Lustig in der Kinderserie Löwenzahn mimt, sagt seltsam deplatziert lächelnd: „Ich stehe auf für Demokratie, weil Rechtspopulismus und Rechtsextremismus keine Alternative sind.“ Und weil der absolute Jahrtausend-Witz vom Anfang des Videos natürlich auch ein entsprechendes Äquivalent am Ende braucht, greift der Sänger Henning Krautmacher schließlich nochmal ganz tief in die Trickkiste: Mitten in einem Zuschauerraum voller samtbezogener Sessel stehend, sagt er: „Ich stehe auf für unsere Demokratie, damit dieses Theater“ – er zeigt auf den Theatersaal, in dem er steht – „um die Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, um Antisemitismus und Gewaltbereitschaft, sich in unserem Land nicht durchsetzt.“ 

Wer sich dieses Video bis zum Ende angeschaut hat, bleibt schließlich mit einer gewissen inneren Leere zurück. „Soll das lustig sein?“ ist die Frage, die einem zuerst durch den Kopf geht. „Was will uns der Kölner Stadtanzeiger nur damit sagen?“, könnte die sinnsuchenden Zuschauer beschäftigen. Auf seiner Webseite liefert der Journalist Joachim Frank, der auch Mitglied der Chefredaktion der Zeitung ist, eine Antwort. „Wir müssen heraus aus den Komfortzonen“, schreibt er dort in einem Kommentar, in dem er die Kampagne des Blattes aufgreift. Das habe man sich auch in der Redaktion vorgenommen und „in die Hand versprochen“. Ja, aus der Komfortzone haben die Kollegen vom Kölner Stadtanzeiger ihre Leser mit diesem Video wahrlich geradezu herauskatapultiert. Manch einer schwankte zwischen Fremdscham, Ekel und Beklommenheit.

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