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Mit der Forderung nach einem „Gesellschafts-Jahr“ offenbart die CDU erneut ihr problematisches Verhältnis zur Freiheit

Die CDU wärmt die skurrile Idee eines „Gesellschaftsjahres“ auf - der Zwang soll gleich noch auf vermeintlich „soziale“ Arbeiten ausgeweitet werden. Dafür gibt es keine Grundlage - die Partei beweist erneut ihre mangelnde Sensibilität gegenüber Bürgerrechten. So kennen wir es aus der Corona-Politik.

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Eine Wehrpflicht ist sinnvoll. Oder besser gesagt: Wehrfähigkeit ist sinnvoll. Dass eine Bevölkerung zur Verteidigung in der Lage ist, dass man weiß, wie man ein Gewehr hält und ähnliches, ist eine Grundlage für ein souveränes Volk, das sich und sein Land verteidigen kann. Gegen Wehrbefähigung spricht nichts.

Was die CDU jedoch auf ihrem Parteitag beschlossen hat – dagegen spricht einiges. Mit einem „verpflichtenden Gesellschaftsjahr“ möchte die Partei, die die Wehrpflicht einst abgeschafft hat, die Zeit wieder zurückdrehen. Aber die Debatte ist aufgesetzt und geht an den eigentlichen Problemen von Armee und Land vorbei.

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„Wir leben in einem Land, das sich im Notfall nicht gegen Aggression von außen verteidigen kann“, sagte JU-Chef Johannes Winkel. Dies sei ein unhaltbarer Zustand. „Wir dürfen die Verteidigung unserer Demokratie nicht weiter dem Prinzip Hoffnung überlassen“, ergänzte er. Ausgerechnet die Junge Union unterstützt das „Gesellschaftsjahr“, bringt den Antrag sogar auf dem Parteitag mit ein. Nur: Auch mit einer Wehrpflicht wird sich Deutschland vorerst nicht gegen eine Aggression verteidigen können.

Denn Mannstärke ist nur ein Problem von vielen, viel drängender sind Materialprobleme. Viel zu groß ist der strukturelle Verschleiß bei der Bundeswehr, als dass man tausende neue Rekruten jedes Jahr überhaupt gebrauchen könnte. Woher sollen die Offiziere kommen, die derzeit fehlen, um eine deutlich größere Bundeswehr zu führen? Woher die Kasernen? Woher Waffen und Ausrüstung, die doch ohnehin schon Mangelware sind? Schon Berufssoldaten müssen sich manches Equipment oft selbst kaufen. Wie soll es dann erst mit Wehrpflichtigen aussehen?

Ideen, wie sie etwa Verteidigungsminister Pistorius diskutiert – also die Musterung aller Jahrgänge mit anschließender Einberufung ausgewählter Rekruten – wirken da schon sinnvoller. Oder auch die Idee einer zeitlich reduzierten Grundausbildung mit anschließender Reserve-Verpflichtung. Eine sogenannte Kontingent-Wehrpflicht à la Pistorius will die CDU aber nur vorübergehend, bis man das gewünschte Gesellschaftsjahr einführt. Es gäbe Mittel und Wege, eine Wehrpflicht so zu gestalten, dass sie Staat und Land nützt, ohne zu sehr in die Lebensgestaltung junger Menschen einzugreifen. Aber die CDU will lieber ihr skurriles „Gesellschaftsjahr“.

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Die Partei, die bis zuletzt für jede noch so irre Corona-Maßnahme kämpfte, kommt vom Zwangsgedanken irgendwie nicht los. Dabei haben gerade junge Menschen dank der überbordenden Maßnahmenpolitik schon drei „Gesellschaftsjahre“ geleistet. Mit bloßem Zwang auf Kosten der Jugend systemische Probleme auskurieren zu wollen, hat seit 2020 scheinbar System. Auch hier können wieder hohle Floskeln à la „Solidarität“ zum Tragen kommen. Für Deutschland ändert das nichts zum Guten – die Armee muss tausende Rekruten bespaßen und Sozialdienste werden mit Ungelernten geflutet. Das soll dann den „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ fördern. Wie schon zu Corona ist das dann zwangsbasiert, Solidarität auf Befehl. Toller Zusammenhalt.

Dienstpflicht löst kein Problem in Armee und Sozialstaat

Es wirkt tatsächlich so, als appelliere man nur an hohle Floskeln und gefühlte Glaubenssätze einer verdrehten Generationengerechtigkeit. Klar: mit Parolen über „die faule Jugend“, der man jetzt mit einem Zwangsdienst endlich mal Arbeitsmoral und Pflichtbewusstsein beibringt, bedient man Klischees und bespaßt Rentner. Aber man löst kein Problem. Die 17-, 18- und 19-Jährigen sollen als notdürftige Lückenfüller eine marode Armee stärken oder ein marodes Sozialsystem vor dem Einsturz bewahren. Dafür bekommen sie – nichts. Wohlstand und soziale Sicherheit im Alter etwa kann das Gemeinwesen, das hier gestützt und verteidigt werden soll, ihnen nicht mehr versprechen. Und ein strukturell kaputter Staat, ob beim Militär oder im Sozialsektor, wird durch unmotivierte Zwangskräfte nicht repariert.

Die CDU-Idee von der Dienstpflicht soll schlicht dazu dienen, auf dem Rücken der jungen Generation die Probleme zu lindern, die die Politik in den letzten zwanzig Jahren nicht zu lösen vermochte – die Politik schiebt ihre Verantwortung an die Jugend ab. Aber die hat es nicht verdient, als billige Füllmasse für das Sozialsystem oder als Objekt von Symbolpolitik missbraucht zu werden – sie hat besseres vor. Junge Menschen sind nicht nur linke Langzeit-Studenten. Sie wollen ihren Lebensweg aktiv gestalten – und das braucht unsere Wirtschaft auch.

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Die Wehrpflicht ist in einer Demokratie unter Umständen vertretbar. Der Begriff „Gesellschaftsjahr“ allerdings ist verräterisch – denn hier geht es nicht nur um die Landesverteidigung, sondern um die Ausweitung des Zwangs auf alle möglichen vermeintlich „sozialen“ Arbeiten. Das ist nichts anderes als Zwangsarbeit, für solche Phantasien gibt es in einem freiheitlichen Land keinen Platz, keine Grundlage, keine Legitimation. Doch die Union zeigt uns erneut ihr anti-freiheitliches Gesicht, so wie wir es in den Corona-Jahren kennengelernt haben.

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