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Spiegel-Interview

Merkel: Gesellschaft müsse wegen Migration „Veränderungsbereitschaft“ zeigen

Angela Merkel tritt zum Interview an. In der Russland-Politik stehe sie zu Ihren Entscheidungen, Integration sieht sie als „Bringschuld der aufnehmenden Gesellschaft“ - es ist ein konsequentes Bekenntnis zu allen merkelschen Irrwegen.

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Die Bundeskanzlerin a.D. hat ein seltenes Interview gegeben – anlässlich der anstehenden Veröffentlichung Ihrer Autobiografie sprach sie mit dem Spiegel und gibt ein Interview in der typischen Merkel-Manier, die man fast schon vergessen hatte. Fehler in ihrer Politik sieht Merkel nicht. Vielmehr bekräftigt sie Irrwege und attackiert die CDU unter Friedrich Merz. 

Zunächst frühstückt der Spiegel ein Potpourri an Fragen ab: Zum Thema US-Wahl wird Merkel am Anfang befragt und räumt freimütig ein, Trumps Wahlsieg habe „Trauer“ in ihr ausgelöst. Auch ihrem Nachfolger als Bundeskanzler erteilt sie Haltungsnoten, sagt kaum durch die Blume: Scholz‘ „Wutrede“ gegen die eigene Koalition sei kein „Paradebeispiel für Würde“ gewesen.

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Merkel: Integration ist „Veränderungsbereitschaft der aufnehmenden Gesellschaft“

Dann soll es um ihre Politik gehen. Die ist, natürlich, fehlerfrei. Einsichten? Null! Zurückweisungen an der Grenze lehnt Merkel nach wie vor ab – und bekräftigt damit ihre Position von 2015. Offen kritisiert sie die Forderungen der CDU nach Zurückweisungen: „Ich finde das nach wie vor nicht richtig. Wir haben Grenzkontrollen eingeführt und vieles Richtige mehr, das zeigt Wirkung. Aber es ist doch eine Illusion anzunehmen, alles wird gut, wenn wir Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen“.

Nicht allem von früher bleibt Merkel treu – hinter manchen Satz rudert sie folgerichtig zurück. Ihren Satz aus dem Jahr 2010, Multikulti sei „absolut gescheitert“, würde Merkel heute nicht mehr so sagen. „Allerdings ist der Gedanke, dass verschiedene Kulturen ohne Anstrengung von allen Seiten zusammenleben können, wirklich krachend gescheitert.“

Anstrengung von allen Seiten? Der Spiegel fragt nach: „Das klingt nach einer Bringschuld der aufnehmenden Gesellschaft.“ Merkel: „Richtig. Ohne die Offenheit und Veränderungsbereitschaft der aufnehmenden Gesellschaft kann es keine Integration geben.“ 

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Abhängigkeit von Russland: „Ich stehe zu meinen Entscheidungen“

Auch die katastrophale Russland-Politik ihrer Regierungen verklärt die Kanzlerin im Rückblick. Mit Blick auf Putins Invasion der Ukraine meint Merkel jetzt: „Mit meiner Warnung lag ich richtig.“ Gemeint ist eine Warnung vor Putin – dass sie es war, deren Außenpolitik einen Grundstein für seine Invasion gelegt hat, sieht Merkel nicht ein. Vielmehr meint sie, sie werde zum Sündenbock gemacht: „Das ist so“, sagt Merkel, und weist den ukrainischen Präsidenten Selenskij zurecht, der ihr entsprechende Vorwürfe gemacht hatte. Zu Nordstream 2 sagt die Altkanzlerin:  „Ich stehe zu meinen Entscheidungen.“

Einen bemerkenswerten Absatz liefert Merkel noch, als es um ein aktuelles Thema geht – Politikerbeleidigungen. „Am Anfang meiner politischen Arbeit war ich oft sehr verstört, wie ich angefeindet wurde“, gesteht Merkel. „Aber Frau Baumann [Merkels Referentin und Büroleiterin, Anm. d. Red.] hat mir immer gesagt: Gucken Sie mal, wie Norbert Blüm der damalige Arbeitsminister, angefeindet wird. Und man denke an Helmut Kohl, den sie Birne nannten. Ich bin rückblickend sehr dankbar dafür, dass man mich damals nicht in meinem Selbstmitleid bestärkt hat. Politik ist nicht das richtige Betätigungsfeld für Leute, die in Mitleid versinken. Überhaupt glaube ich, wenn man Karriere machen möchte, darf man nicht zu feinfühlig sein.“ Merkel meint: Dinge persönlich nehmen – „das sollte man in der Politik tunlichst vermeiden.“

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