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Mädchenhass in der SZ: Wie die woke Ideologie ein Geschlecht ausradieren will 

Ein Vater beschreibt in der SZ, wie er seine Tochter quasi pathologisiert, weil sie rosa trägt - und was er alles tut, um ihr das auszutreiben. Das ist der kranke Zeitgeist: Kleine Mädchen sollen alles werden können, außer Frauen.

Ich stolperte vor Kurzem über einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Der Beitrag ließ sehr unangenehme Kindheitserinnerungen hochkommen. Unter der Rubrik „Erziehung“ eingeordnet – nie ein gutes Zeichen – schreibt ein besorgter Vater unter dem Titel „Und dann war meine Tochter plötzlich Prinzessin“ über seine große Verzweiflung darüber, dass seine Tochter ein Mädchen sein wolle – obwohl er sie doch immer geschlechtsneutral erzogen hätte. „Kann man als Eltern gegensteuern, wenn es zu pink wird?“, fragt er. 

Als die Tochter geboren wurde, hatten der Autor des Artikels und die Mutter der Tochter – die Eltern sind inzwischen getrennt – sich vorgenommen, die Kleine nicht in „Rosa und Pink und Blumenkleidchen“ zu kleiden. Sie wollten damit erreichen, dass sie lernt, dass sie alles werden kann, „was auch ein Junge tun kann, Ingenieurin, Astronautin, Fußball-Profi“. Weil ein rosa Kleid das ja absolut unmöglich macht. Zu Beginn des Artikels blickt er fast nostalgisch auf die ersten Jahre seiner Tochter zurück, als sie noch brav in gedeckten Farben gekleidet war, nichts auf ihr Geschlecht hinwies. Inzwischen ist sie aber viereinhalb, mag rosa, will ihre Haare in Zöpfe geflochten bekommen und Spangen mit Glitzer-Schmetterlingen tragen. Die Legosteine schaut sie nicht mehr an, sie ist jetzt an Pferden interessiert. 

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Um Gottes Willen – da hat sie es doch tatsächlich gewagt, ohne die Erlaubnis ihres Vaters eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln! Der kann das nicht auf sich sitzen lassen: „Wie konnte das geschehen?“ Also tut er das, was alle liebenden Väter tun würden: Er macht sich auf die Suche nach dem Schuldigen. Wer hat seine arme Tochter nur so manipuliert? Wie es in allen vollkommen normalen und total gesunden Familien vorkommt, knüpft er sich zuerst die Mutter vor. Er verhört seine Ex-Frau also, ob sie sich an die Abmachung gehalten habe, die gemeinsame Tochter geschlechtsneutral zu erziehen. Die rechtfertigt sich sofort: Sie würde sie ja geschlechtsneutral kleiden, „wenn unsere Tochter nicht so in Dickkopf wäre.“ Doch zu geschlechtsneutraler Kleidung zwingen wollte die Mutter sie auch nicht, deshalb gab sie schlussendlich nach und kaufte ihr die Kleider. 

Der Vater sucht in seiner Ratlosigkeit eine Expertin auf. Stevie Schmiedel soll ihm Antworten geben, „eine der Pionierinnen der Genderforschung in Deutschland“. Diese klärt ihn auf, dass der Einfluss der Eltern höchstens die Hälfte ausmache. „Es ist das eine, wenn die Mutter zu Hause ein völlig klischeefreies Rollenbild vorlebt. Aber wenn die Freundinnen im Kindergarten Prinzessin-Lillifee-Socken tragen, will man die als Kind eben auch haben, weil man dazugehören möchte.“ Also geht der Vater weiter auf seinen Inquisitionsfeldzug – und nimmt sich die Freundinnen und ihre Mütter vor. „Das muss es sein, denke ich: Die anderen Mädchen haben meine Tochter beeinflusst“, schreibt der Vater.  

Ein Mädchen rebelliert in rosa

Er spricht also die Mütter der anderen Mädchen an. Diese geben ihm aber so gar nicht die Antwort, die er hören wollte. Denn sie sind in ihrer geschlechtsneutralen Erziehung noch konsequenter als er: Eine der Mütter hat mit ihrer Tochter ausgehandelt, dass sie nur alle zwei Tage rosa Kleidchen tragen darf, wenn sie an den anderen Tagen eine Hose trägt. Es kommt außerdem heraus, dass seine Tochter die erste mit Zöpfen war, sodass die Frisur von einer anderen Mutter nach ihr benannt wurde. Oje, das muss peinlich für ihn gewesen sein. Ging der Glitzer-Wahn etwa von seiner Tochter aus?

Kann nicht sein. Das nächste Ziel der gestandenen Mannes mit Identitätskrise: Der Kindergarten. Er muss die Infektionsquelle für das „Prinzessinnen-Virus“ gewesenen sein, „sie nimmt ja auch sonst diverse Krankheiten von hier mit“. Beim Elterngespräch stellt sich aber heraus, dass auch der Kindergarten ein gutes Infektionsschutzprogramm eingeführt hat: Die Spielzeuge sind geschlechterneutral, wenn es Puppen gibt, dann sind die aus Holz. Es wird sogar darauf geachtet, dass die Erzieherinnen keine auffällig feminine Kleidung tragen. 

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Zurück bei der Expertin, dieses Mal noch ratloser als vorher, fällt dem Duo nichts anderes ein, als die Medien zu beschuldigen. Die Disney-Filme müssen Schuld sein. Wer hat seine Tochter die gucken lassen? Er selbst. Also wagt er sich zuletzt in die Selbstkritik. Ist doch er Schuld daran, dass seine Tochter nun doch so verkorkst ist? „In dem Moment, in dem ich alle Möglichkeiten um mich herum abgegrast habe, wird mir schlagartig bewusst, welche Rolle ich in der ganzen Geschichte spiele.“ 

Es bleibt ihm schlussendlich nur, die Rebellenphase zu tolerieren und zu hoffen, dass sie bald vorüber geht. Er schließt seinen Artikel mit dem hoffnungsvollen Ausblick: „Ich werde meiner Tochter auch künftig sagen, dass sie als Mädchen alles machen und alles werden kann. Und bereite mich innerlich schon mal auf die nächste Phase vor. Neulich meinte sie, dass sie später mal Fußballerin werden will wie Alexandra Popp. Soll mir recht sein.“

Die Schande des rosa Tütüs

Deutschland hält sich für so fortschrittlich und modern. Doch die Denke, die dieser Vater in seinem Artikel so offen auslebt, ist nicht weit entfernt von Kulturen, die Mädchen für vergossene Milch halten. Alles an ihm schreit, dass er lieber einen Jungen gehabt hätte – oder dass er vom weiblichen Geschlecht jedenfalls nicht sonderlich viel hält. Eine Vorliebe für rosa ist kein Gendefekt, den man Mädchen und Frauen austreiben muss. Es ist keine Krankheit, von der man sie heilen muss.

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Der Wahn von der Geschlechterneutralität ist Sexismus. Nichts anderes. Eltern machen ihren Töchtern deutlich, dass sie alles werden dürfen – außer Mädchen. Dass sie alles tragen dürfen – außer Kleider. Sie müssen sich schämen, für die Dinge, die sie mögen. Sie müssen sich schämen, Mädchen zu sein und es so gut verstecken wie es geht. Dafür muss der Vater die Röcke und Kleider gar nicht verbieten. So unglaublich entrüstet wie er in seinem Artikel ist, hat die Kleine sicher bereits gemerkt, dass ihr Papa von ihr enttäuscht ist. Oder zumindest hat sie das hoffnungsvolle Funkeln in seinen Augen gesehen, als sie ihm mitteilte, dass sie Fußballerin werden will. Endlich hat sie Papa wieder stolz gemacht. Endlich hat Papa sie wieder lieb. Kinder sind nicht dumm. Besonders die Körpersprache ihrer Eltern verstehen sie ganz genau. Es ist immerhin überlebenswichtig für sie, dass sie lieb gehabt werden. 

Alles, was dieser Vater mit seinem Kind tut, ist, ihr beizubringen, dass sie sich verändern muss, um den Menschen um sich herum gerecht zu werden. Er behauptet, er wolle seiner Tochter beibringen, dass sie nicht auf ihr Äußeres reduziert wird – doch er macht dann so ein Theater, weil seine Tochter sich auf eine bestimmte Weise anzieht. Dass sie immer noch genauso aufgeweckt, genauso intelligent, immer noch das gleiche Kind – seine Tochter – ist, das alles sieht er nicht. Er sieht nur die Schleifen in ihrem Haar. Was für eine Schande es ist, dass sein Kind doch nur ein Mädchen ist. Er muss sie vor sich selbst und ihren eigenen Entscheidungen befreien, weil er ihr nicht zutraut, mit einem freien Willen umgehen zu können.

Er bringt es fertig, einen gesamten Artikel über seine Tochter zu schreiben, in dem es nur um seine eigene Weltsicht geht. Irgendwer hat sein Kind gekapert und er muss herausfinden wer. Jeder könnte Schuld daran sein, dass sie jetzt plötzlich so ist – ihre Mutter, die Mütter der anderen, ihre Freundinnen, die Medien, ihr Vater. Doch worauf der Vater des armen Mädchens nicht kommt, ist, dass seine Tochter ein eigenständiger Mensch sein könnte, der auch schon mit viereinhalb Jahren eigene Entscheidungen treffen kann. Dass sie gar nicht manipuliert oder beeinflusst wurde, sondern wirklich einfach Rosa schön findet. 

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Die marineblaue Entmündigung 

Sie mögen jetzt vielleicht denken, dass ich übertreibe. Doch ich kann Ihnen versichern, dass ich das nicht tue. Denn ich war auch einmal dieses Mädchen. Ich liebe Rosa, seit ich denken kann. Mein erster Berufswunsch war Fee, mein zweiter Prinzessin. Ich hatte aber, im Gegensatz zu der Protagonistin des SZ-Artikels, das Glück, dass meine Eltern mir keine Ideologien aufzwingen wollten. Seit ich sprechen kann, darf ich selbst entscheiden, was ich anziehe. Ein „stereotypisches“ Mädchen zu sein, war eine Wahl, die ich allein getroffen habe. Für meine Mutter war das nicht immer einfach. Ich hatte ganz spezielle Vorlieben, mochte nur ganz bestimmte Rosa-Töne. Wenn eine Jacke auch nur einen schwarzen Reißverschluss hatte, habe ich sie nicht mehr angezogen. 

Trotzdem wollten mich mein ganzes Leben lang alle von der Bürde der Femininität befreien. Als ich im Kindergarten war, kam der Trend der Geschlecherneutralität (wohlbemerkt nur für Jungs) zum ersten Mal auf. Alle meine Freundinnen trugen also marineblau und Jeanshosen. Und ich saß als einzige dazwischen im rosa Tütü. Irgendwann fingen die anderen Kinder an, mich deshalb aus ihren Spielen auszuschließen. Sie legten Regeln fest, nach denen man zum Beispiel nur ins Baumhaus kommen darf, wenn man etwas Dunkles trägt. „Warum musst du immer rosa tragen, warum kannst du nicht mal braun oder sowas anziehen?“ „Weil ich braun nicht mag“ ließ man als Antwort nicht gelten. Es wurde irgendwann so schlimm, dass meine Mutter die anderen Mütter darauf ansprach. 

Es stellte sich dann raus, dass die anderen Mädchen neidisch waren, weil sie selbst gerne rosa getragen hätten. Eine Erzieherin legte meiner Mutter nahe, mich auch mal in dunklen Klamotten zu kleiden, um die Situation zu entschärfen. Was für eine Lektion für eine Fünfjährige: Ich musste die Verantwortung dafür übernehmen, dass andere neidisch auf mich waren und damit nicht umgehen konnten. Ich sollte bestraft werden für das, was andere Mütter mit ihren Kindern machten. Meine Mutter weigerte sich aber. „Sie darf anziehen, was sie will.“ 

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Auf der Grundschule wurde es nur noch schlimmer. „Mädchen“ war ein Schimpfwort, rosa ein Zeichen von Schwäche. Alle Mädchen wollten unbedingt Fußball spielen. Eine Betreuerin im Hort drängte mich beinahe täglich mit Fragen in die Enge, ob ich denn wirklich selbst Rosa mag. Irgendwann knickte ich ein und log: „Meine Lieblingsfarbe ist eigentlich grün, aber meine Mama kauft mir immer rosa Sachen.“ Grün war gerade die Lieblingsfarbe von jedem Mädchen. Danach hatte ich Ruhe. Es folgte nichts, niemand trat mit meiner Mutter in Verbindung. Die Erzieherin war zufrieden, recht behalten zu haben, ihr Weltbild war bestätigt worden. Um mich ging es dabei gar nicht.

Als ich älter wurde, fand ich zurück zu dem, wie ich sein wollte – trug meine langen Haare wieder offen. Ich kaufte mir meine ersten Schuhe mit Absätzen und sorgte dafür, dass meine Kleidung nie wieder einen Zweifel daran ließ, ob ich nun eine Frau bin oder nicht. Frauen sind keine billige Kopie von einem Mann. Mich interessiert nicht, was Männer werden können und ob ich das auch haben kann. Mich interessiert nur, was ich kann und was ich will. Diese Fähigkeiten werden ganz sicher nicht davon beeinflusst, ob meine Nägel lackiert sind oder nicht. 

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