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Lindemann siegt erneut juristisch – Presse delegitimiert das Gericht

Spiegel, NDR und co. sind wegen bloßer Verdachtsberichterstattung gegen Rammstein und Till Lindemann vor dem Landgericht Hamburg abgestraft worden. Doch anstatt das Urteil nun zu akzeptieren, delegitimieren und verunglimpfen Medien nun das Gericht als „pressefeindlich“. Das ist unseriös.

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Seit Beginn der Pressekampagne gegen „Rammstein“-Sänger Till Lindemann wehren er und seine Band sich mit allen juristischen Mitteln. Das ist ihr gutes Recht: Immerhin kam die Art und Weise, in der bestimmte Medien über die dünnen und inzwischen weitgehend ausgeräumten Vorwürfe berichteten, einer öffentlichen Aburteilung gleich. Nun gewann der 60-Jährige erneut: Das hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg erließ einstweilige Verfügungen gegen den NDR und die Süddeutsche Zeitung. In beiden Fällen habe sich das Gericht bei seiner Entscheidung darauf gestützt, dass für eine Verdachtsberichterstattung der „hinreichende Mindestbestand an Beweistatsachen“ fehle.

Die Liste der juristischen Erfolge des „Rammstein“-Sängers wird damit immer länger. Auch diverse andere Medien wurden für ihre dünne Verdachtsberichterstattung gegen den Weltstar schon juristisch abgestraft. Im Juli hatte Lindemanns Rechtsanwälte bereits gegen den Spiegel gewonnen: Das Landgericht Hamburg untersagte dem Magazin, den Verdacht zu erwecken, Lindemann habe junge Frauen mit K.O.-Tropfen, Drogen oder Alkohol betäubt, um Sex zu erzwingen. Auch in diesem Fall erkannten die Richter einen Mangel an Beweisen, um die Berichterstattung zu rechtfertigen.

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Niederlagenserie für die Presse – die beschuldigt das Gericht

Es folgt Klatsche auf Klatsche. Aber anstatt die juristische Niederlagenserie als Anlass zur kritischen Reflexion der eigenen Berichterstattung zu sehen, gehen bestimmte Medien in die Offensive – und zwar gegen das rechtsprechende Gericht. Der Spiegel schreibt in einem weitgehend zurückhaltenden Artikel zum Urteil des Oberlandesgerichtes am Ende eben doch: „Mutmaßliche Täter und ihre Anwälte können sich aus rund 115 Landgerichten ein beliebiges herauspicken und wählen wenig überraschend tendenziell eher strenge Pressekammern aus.“ Das Medium T-Online beklagt deutlich direkter: „Dass die Kanzlei, die Rammstein bzw. Lindemann vertritt, ausgerechnet Hamburg als Gerichtsstand auswählt, kommt nicht von ungefähr. Die Hamburger Richter gelten seit vielen Jahren als eher pressekritisch (…) Diesen Umstand machen sich Prominente und ihre Anwälte bei ihren Versuchen, kritische Berichterstattung einzuschränken, zunutze.“

Das Problem ist nur: Das ist wohl hanebüchener Unsinn. Denn die Anschuldigungen, das hanseatische Oberlandesgericht sei „pressekritisch“ oder gar -feindlich, ist mindestens veraltet. „Zwar galt das Landgericht Hamburg vor 15 Jahren (…) mal als streng mit der Presse. Das ist aber seit vielen Jahren vorbei“, schreibt Lindemanns Anwalt Carsten Brennecke. „Seit Langem ist das das Landgericht Hamburg unter uns Presserechtlern nicht mehr die erste Wahl.“ Zurecht stellt Brennecke fest: „Die Presse fremdelt mit dem Rechtsstaat“.

Arroganz gegenüber der Justiz steht der Presse nicht gut zu Gesicht

Keine Frage: Auch Gerichte dürfen öffentlich kritisiert werden. Sie sind nicht sakrosankt. Aber dass die Medien mehr oder weniger darauf verzichten, ihre Berichterstattung kritisch zu begutachten und stattdessen das hanseatische Oberlandesgericht attackieren und delegitimieren, macht keinen guten Eindruck.

Der Spiegel schreibt: „Dass es Gegenströmungen und Medien gibt, denen diese Form der Berichterstattung sowie entsprechende gesellschaftliche Debatten drum herum ein Dorn im Auge sind, wird uns davon nicht abhalten.“ Die Kritiker ihrer Berichtserstattung seien vielfach „misogyn“ und würden „Victim Blaming“ betreiben, suggeriert das Magazin. Heißt im Klartext: Wer die Verdachtsberichterstattung und teils wirren Anschuldigungen kritisiert oder für unglaubwürdig befindet, hasst eigentlich Frauen und macht Opfer sexueller Gewalt verächtlich. Implizit, so glaubt man fast, meint die Redaktion damit auch das Oberlandesgericht in seiner Heimat-Hansestadt. Der Spiegel beruft sich gar auf das Grundgesetz, um seine dünne Verdachtsberichterstattung zu rechtfertigen. Selten saß eine Redaktion auf einem höheren Ross.

Die Kollegen aus Hamburg würden gut daran tun, etwas demütiger an die ganze Sache heranzugehen: Das gilt für die Redaktion von T-Online genauso. Ohnehin hat die Presse mit genau dieser Art der Berichterstattung, wie sie im Fall Lindemann praktiziert wurde – mit dem bloßen Wiederholen von Anschuldigungen, mit Triebjagden auf Prominente, mit ziemlich unkritischer Übernahme jeder „MeToo“-Behauptung – in den letzten Jahren schon viel Vertrauen verspielt. Nun Gerichte zu delegitimieren, wird diesen Trend nur weiter befeuern.

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