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Jan van Aken – das letzte Aufgebot

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Der Spiegel hat aus seinem üblichen Format des Spiegel-Spitzengesprächs, moderiert von Markus Feldenkirchen, für den Wahlkampf das „Spitzenkandidatengespräch“ gemacht. Zuerst zu Gast: Jan van Aken. Hmm. Ob das jetzt pseudodisruptiv sein, die linke Stammleserschaft beruhigen oder einfach kaschieren sollte, dass kein tatsächlicher Spitzenkandidat kommen wollte, kann man sich dann wohl erst durch den nächsten Gast herleiten. 

Mit einer eingehenden Einleitung über seine Vergangenheit als Gentechnik-Experte bei Greenpeace und UN-Biowaffeninspekteur und einem „Herzlich Willkommen“ wird Jan van Aken durch Feldenkirchen begrüßt, der mit einem knappen „Moin moin“ antwortet. Er lächelt aufgesetzt und gibt sich betont gelassen und zufrieden. Der rosarote Pulli, den er sich zu seinen leuchtend blauen Jeans angezogen hat, kann an seiner zusammengesackten Haltung nichts mehr ändern und lässt ihn nur noch grauer und trostloser aussehen.

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Aus einem schwarzen Lederkästchen nimmt Feldenkirchen ein edel gefertigtes Glasschälchen mit bunten Bonbons hervor. In seiner Sendung gilt nämlich die Regel, dass Gäste, die Fragen nicht beantworten oder „so ganz schlimmes Politfloskelsprech“ benutzen, zur Strafe einen „sauren Drops“ nehmen müssen. Der klar erkennbare Versuch, diesen Gimmick stilvoll und seriös zu gestalten, verstärkt den unfreiwillig kindischen Faktor nur noch mehr. Doch das ist okay. 

Seit die Kindergärtnerin ihm früher immer geschimpft hat: „Jan, leg die Schaufel weg!“, und er dann erst recht mit seiner Schaufel losgestiefelt ist, hat der Linken-„Spitzenkandidat“ sich selbst nicht wirklich weiterentwickelt. Sein Wahlkampf war bisher sehr fahl. Wenn er nicht gerade stumpf den Wahlkampf der anderen Kandidaten parodiert hat, kam er mit irgendwelchen provozierend flachen Kampfparolen um die Ecke wie „Friedrich Merz den Privatjet wegnehmen!“ oder seinem komischen „Milliardäre abschaffen!“-Film, den er mal wochenlang gefahren hat. 

Die Bonbons beeindrucken van Aken nicht, er sei da „safe“. Feldenkirchen stellt kritische Fragen zwar manchmal, muss sie aber zur Hälfte ablesen und durchsetzen kann er sich kaum. So bleibt er auch mit seinen Bonbons nicht wirklich konsequent, denn sonst hätte das Schälchen keine fünf Minuten überlebt. 

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Auch wenn es traurig ist, dass ein Mann, der sich einen so guten Ruf als seriöser Journalist erarbeitet hat, sich mit Lutschern durchsetzen muss und dabei in etwa so viel Durchsetzungsgewalt hat wie die Vereinten Nationen, muss man ihm lassen, dass er doch ein ganz interessantes Format eingeführt hat. Der „Charaktertest“ soll die „Integrität, Selbstreflexion aber auch Empathie“ der Kandidaten testen. Ein interessantes Format deshalb, weil es egal ist, ob der Befragte ehrlich antwortet oder sich für schlauer hält und versucht, den Test zu schlagen, am Ende sind die Antworten doch sehr vielsagend. 

Und van Aken verplappert sich zuverlässig bei fast jeder Frage. Auf die Frage, welche seiner Charaktereigenschaften ihm denn in der Politik am meisten geschadet hätte, antwortet er: „Dass ich glaube, ich hab nicht so ein ganz dickes Fell.“ Er will wohl sympathisch und ehrlich rüberkommen. Doch das mühevolle auf cool und lässig Tun hätte er sich dann auch sparen können. Diese Persona des Provokateurs, der knallhart und eiskalt gegen die Elite kämpfen will, passt nicht mehr, wenn er dann direkt herumheult, dass er schlimme Angriffe und Diskussionen „nicht lange aus“ hält. 

„Wenn Sie einen Tag Diktator wären, was würden Sie entscheiden für Deutschland?“ Ich hätte das als Fangfrage verstanden. Die PR-trainierte Politikerantwort wäre wohl „Die Diktatur abschaffen“. Van Aken antwortet: „Es gäbe danach keine Milliardäre mehr.“ Wieder betont nonchalant und kalt. Nur um dann doch nochmal nachzuschieben: „Also – die gäbe es noch als Person, aber die hätten keine Milliarde mehr.“ Wie schön, dass sein erster Gedanke dann doch nicht war, direkt das Erschießungskommando loszuschicken. 

Als er nach einer politischen Entscheidung gefragt wird, bei der er moralische Zweifel hatte, kommt er ganz nebenbei darauf zu sprechen, dass er es damals war, der die geheimen TTIP-Dokumente veröffentlicht hat. Das wäre strafbar, wenn es nicht schon verjährt wäre und damit ist natürlich alles in Ordnung. Es fehlte eigentlich nur noch, dass er das als „piratige Aktion“ bezeichnet. Er bereut nicht wirklich etwas, er kramt das auch eigentlich nur heraus, damit man ihn jetzt als Robin Hood feiert. Dass er seinen Wählern damit im Wesentlichen sagt, dass sie mit ihm einen Mann wählen, der doch in Zukunft alles als Letztes erfahren wird, hat er jedoch noch nicht wirklich überrissen.

Der Spiegel hat sich ziemlich viele Spielchen ausgedacht, die Sendung wirkt etwas überladen. Als nächstes wird auf dem Glastisch Playmobil aufgebaut, welches unterschiedliche Bereiche und Ressorts repräsentieren soll, van Aken bekommt Spiel-Chips in die Hand gedrückt und soll sie so verteilen, wie er den Haushalt verteilen würde. Dann wird alles wieder abgeräumt und Feldenkirchen kommt mit einer Art Freundschaftsbuch um die Ecke, wo van Aken sein Lieblingstier zeichnen und seinen Lieblingsspruch – „Ich will die Welt verbessern und Spaß haben“ – eintragen soll. Dann wird ein Polaroid dafür angefertigt, für das er seine persönliche Kanzlerpose aufsetzen soll. 

Er probiert sich in verschiedenen Denkerposen und entscheidet sich dann dafür, die Schultern angespannt bis unter die Ohren zu ziehen, die Hände ineinander zu legen und ernst in die Kamera zu schauen. Danach kratzt er sich schüchtern am Hals. Jan van Aken hat nicht gelogen, er ist wirklich schnell aus dem Konzept zu bringen. Van Aken lässt das alles mit sich machen und wirkt froh, einfach mal irgendwo dabei zu sein. Vielleicht genießt er es auch, dass mal zur Abwechslung jemand mit ihm reden will. 

Der Eindruck, der bei allem bleibt: Von der Linken ist nur noch der Name übrig. Es ist ein Haufen von Leuten, die sich in der Stammkneipe zusammengerauft haben und sich verzweifelt gegenseitig ihre radikalen Fantasien erzählen. Van Aken hat sich diesen Wahlkampf so emsig als entschlossener und schlagfertiger Revoluzzer positionieren wollen, aber eigentlich steckt in ihm ein schüchterner Junge, der das mit Krawall kompensieren will. Durchsetzen könnte er sich nirgendwo. 

Die Linke improvisiert – und führt Zickenkrieg mit Sahra Wagenknecht, die doch gar keinen Gedanken mehr an den Trümmerhaufen verschwendet, den sie zurückgelassen hat. Bundestag spielen in der Stammkneipe – das ist die Linke heute. Van Aken könnte sich mit Habeck zusammentun. Schelmisch auf frech machen und wenn Kontra kommt, zusammenbrechen. Gute Nachrichten also für die Milliardäre. Bevor van Aken das Enteignungskommando losgeschickt kriegt, wird er sich aus der Politik wieder zurückziehen, weil die alle so gemein zu ihm waren.

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