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Iran-Experte Javedanfar: Was Raisis Tod für das Mullah-Regime bedeutet

Gegenüber Apollo News erklärt Iran-Experte Meir Javendanfar, was der Tod Raisis für die Politik im Iran bedeutet, und räumt mit weit verbreiteten Irrtümern auf. Auch zu einer möglichen Rolle Israels äußert er sich.

Iran-Experte Meir Javendanfar (links) und der verstorbene iranische Präsident Raisi (rechs)

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Laut dem persischstämmigen Iran-Experten Meir Javendanfar dürfte der Tod von Irans Präsident Raisi wenig Auswirkungen auf die Stabilität des Regimes der Islamischen Republik haben. Das sagte er gegenüber Apollo News. Javendanfar ist persisch-jüdischer Autor und Akademiker: Er wurde im Iran geboren und lebte später in Großbritannien und Israel. Er lehrt an der Reichman-Universität in der Nähe von Tel Aviv und ist außerdem als Iran-Fachmann für das Middle East Institute in Washington D.C. tätig.

Raisis Rolle sei allgemein überschätzt, führte Javendanfar weiter aus: „In Wirklichkeit ist der Präsident nicht die zweitmächtigste Person im Iran: Es gibt andere Institutionen und Personen, die mehr Macht ausüben.“ Raisi sei „ein loyaler Soldat“, kein Antreiber gewesen: „Er war niemand mit einer großen Vision. Er war jemand, der dem Ayatollah sehr loyal und vertrauenswürdig war. Sein Tod wird keine großen Auswirkungen auf die iranische Sicherheitspolitik oder Außenpolitik haben. Das Gleiche gilt für den Außenminister Abdollahi – er war niemand, der Strategien oder Agenden festlegte. Er, wie Raisi, war vor allem gut darin, der Linie des Ayatollahs zu folgen.“

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Iranisches Volk begrüßt Raisis Tod

Raisis Hintergrund liegt im Justizwesen, erklärt Jevendanfar: „In den 1980er Jahren verurteilte er bis zu 3000 iranische Oppositionsmitglieder zum Tode.“ Als Präsident sei er vor allem für die iranische Wirtschaft zuständig gewesen. „Er hat einen schrecklichen Job gemacht. Unter ihm stieg die Inflation auf neue Höchststände von bis zu 45 Prozent, er druckte Geld, um das massive Defizit des Iran zu decken. Die Währung hat einen neuen Tiefstand von 600.000 Rial auf einen Dollar erreicht. Ich bin selbst Perser – ich weiß nicht, wie sie leben können. Iraner können sich kein Fleisch, Fisch oder Huhn mehr leisten. Die Lebensmittelpreise sind erheblich gestiegen.“

Viele Iraner sind auch deswegen sehr unglücklich mit dem Regime. „Es gibt viel Groll gegen die Islamische Republik: Massive Unterdrückung der Menschenrechte, und die Iraner werden immer ärmer, während die Eliten sehr reich werden. Die Menschen im Iran sehen das Regime als den größten Feind: Viele Iraner begrüßen den Tod von Raisi.“

Nachfolger-Frage: „Khamenei wird keinen Reformer zulassen“

Laut Verfassung wird der Vizepräsident, Mohammad Mokhber, Raisi ersetzen. Mokhber gilt als ein sehr enger Vertrauter von Ayatollah Khamenei. „Das zeigt sich daran, dass er ihn für seine persönliche Stiftung verantwortlich gemacht hat, die 80 Milliarden Dollar in wichtigen Vermögenswerten im Iran besitzt. Er ist ein sehr gerissener politischer Akteur. Erwarte keine großen Veränderungen des Status quo, Mokhber wird nichts ändern“, so der Experte. Das Regime sage zur Wahl nichts. Sicher sei aber: „Ayatollah Khamenei wird keinen Reformer zulassen.“

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Neue Wahlen werden innerhalb der Zeit bis zum 8. Juli abgehalten werden. Dies sind jedoch keine freien Wahlen: „Ein Komitee wird gebildet, das die Wahlen überwacht“, erklärt Jevendanfar. Der Urnengang des Volkes sei nur Formalie, eine Simulation. Dennoch birgt er Gefahren für den Iran: „Sie haben simulierte Wahlen benutzt, um Legitimität zu konstruieren. Die Menschen haben erkannt, dass es nur eine Show, ein Schwindel war. Die Wahlbeteiligung im Iran sinkt. Das Regime verliert an Legitimität.“

Eine besondere Gefahr sieht Jevendanfar bei einem Kandidaten, der „sehr korrupt“ ist. „Das Thema Korruption ist den iranischen Menschen sehr wichtig, sie sind wütend darüber. Wenn es jemand mit einem großen Hintergrund in Korruption ist, wird es ein weiterer Schlag für die Legitimität der iranischen Republik sein.“ Dann wären auch größere Proteste von Bürgern gegen das Regime wahrscheinlich, schätzt der Experte. „Der Iran hat keine freie Presse wie Israel oder Schweden, aber es gibt Berichte über Korruption. Es wurden Fälle von Korruption in Milliardenhöhe in der iranischen Presse berichtet.“ Die würden für viel Unmut im Volk sorgen.

Spielte Israel eine Rolle im Tod Raisis?

Vielen Beobachtern galt Raisi als designierter Nachfolger des obersten Religionsführers. Das kann Jevendanfar weder bestätigen noch ausschließen: „Wenn Raisi tatsächlich ein Kandidat war, dann ja, sein Tod würde Herausforderungen für die Islamische Republik schaffen. Aber wir wissen wirklich nicht, ob er einer war.“ Selbst dann jedoch wäre der Fortbestand der Mullah-Diktatur nicht gefährdet: „Nichts davon wird die Stabilität der Islamischen Republik in Frage stellen. Der Iran wird auch weiterhin seine aggressive Außenpolitik verfolgen.“

Die weit verbreiteten Gerüchte, dass Israel den Tod Raisis veranlasst haben könnte, hält der Experte derweil nicht für glaubwürdig. „Es sei denn, Raisi wäre der nächste oberste Führer gewesen – er wäre für Israel und den Mossad sonst nicht von Interesse. Denn er hatte nicht viel Einfluss auf die iranische Außen-, Sicherheits- oder Nuklearpolitik.“

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