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FDP in der Krise: Lieber mit der Ampel untergehen

Eigentlich bräuchte es eine starke freiheitliche Partei in Deutschland mehr denn je. Leider hat die FDP sich entschieden, lieber mit der Ampel unterzugehen. Schade, findet ein ehemaliges Mitglied.

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Ich hatte mir eigentlich große Hoffnungen für meine erste Bundestagswahl gemacht. Es war 2021, ich war 20 Jahre alt, Student und seit anderthalb Jahren unter der Corona-Fuchtel des Staates. Auf meinem Campus patrouillierten Polizisten in Streifenwagen, die sicherstellten, dass niemand auch zu nah beieinander stand – an der frischen Luft. Am Eingang zum Campus wurde wie an einem Grenzcheckpoint kontrolliert, ob man denn auch geimpft, getestet oder genesen sei. Eine absurde Zeit voller staatlicher Grenzüberschreitungen und mit Notstand begründeten Maßnahmen, in der ich erstmals mein Wahlrecht wahrnehmen können sollte.

Wenige Monate vorher war ich in die FDP eingetreten. Die Partei hatte mich in der vorangegangenen Zeit mit ihrer Lockdownkritik in ihren Bann gezogen. Sauber vorgetragene Argumente, seriöses Auftreten und Eintreten für die richtigen Dinge – das imponierte mir. Schon als ich 16 war, hatte Christian Lindner mit seinem Satz „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ einen unsterblichen Satz gesprochen, für den er viel kritisiert worden war – damals gewann er bei mir einen ersten Stein im Brett. Denn es war ein richtiger Satz, mit dem er für seine Wahlversprechen, Überzeugungen und Wähler einstand. Mit dem Ende der Jamaika-Verhandlungen 2017 wählte Lindner scheinbar Prinzipien über Macht.

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Dass es leider ein Fehler war, der FDP meine Stimme zu geben, merkte ich schon wenige Tage nach der Bundestagswahl 2021. Wenige Wochen zuvor hatte ich Christian Lindner noch auf einer Wahlkampfveranstaltung der FDP in einer anderen Stadt getroffen und in ein Gespräch verwickelt. Ob er mir als Erstwähler seiner Partei denn versichern könnte, dass ich am Ende mit meiner Stimme nicht Rot-Grün über eine Ampel zur Macht verhelfen würde. Er wolle keine Ampel-Koalition anstreben, versicherte Lindner damals. Schon kurz danach sollte es anders kommen.

In der Ampel gab die FDP sich selbst auf

Die Ampel wurde gebildet – und die FDP begann, ihre Überzeugungen für diese Regierungsbeteiligung zu schleifen und über Bord zu werfen. Als mit FDP-Beteiligung die Corona-Maßnahmen verlängert und eine Impfpflicht fast möglich gemacht wurde, war ich als jemand, der die FDP hauptsächlich wegen ihrer Corona-Position gewählt hatte, natürlich reichlich bedient: Die FDP hatte immerhin ein „absolutes Ende“ aller Maßnahmen versprochen und gegen eine Impfpflicht Wahlkampf gemacht.

Zu diesem Zeitpunkt war ich schon wieder aus der Partei ausgetreten. Nachdem ich im Dezember 2021 den Ampel-Koalitionsvertrag gelesen hatte, sah ich das als die einzig logische Konsequenz: Schon was die Partei damals unterschrieben hatte, war mit meinen liberalen Grundüberzeugungen nicht mehr vereinbar. Die Partei hatte einen Fehler gemacht, sich selbst an vielen Stellen aufgegeben. Aber die FDP wollte diese Koalition am Ende eben doch. Und so trug sie eine Koalition mit, in der sie sich natürlich Stück für Stück selbst aufgab. Denn in so ziemlich jedem Ampelstreit hat die FDP sich am Ende auf den Rücken geworfen – von Atomkraft bis zum Heizungsgesetz.

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Dass Lindner sich nach der Wahl politischen Sachzwängen ausgesetzt sah, in die Ampel einzutreten, mag man ihm nachsehen. Aber die Koalition funktioniert nicht. Und die FDP hat es seitdem immer und immer wieder versäumt, die Reißleine zu ziehen und die Koalition zu verlassen. Immer wieder steckte man vor Rot-Grün zurück und verriet die Interessen seiner Wähler. Wahlversprechen nach Wahlversprechen wurde vergessen und gebrochen.

Lieber mit der Ampel untergehen, als den Fehler zu korrigieren?

Das versprochene Ende der Corona-Maßnahmen? Aufgeschoben. Die Schuldenbremse? Am Ende. Und das Versprechen, dass es keine Steuererhöhungen geben würde? Selbst das hat die FDP inzwischen wieder kassiert und zeigt sich offen für noch höhere Steuern im Rekordsteuerland Deutschland. Man muss sich als FDP-Wähler fragen lassen, wofür man diese Partei eigentlich gewählt hat. Ich zumindest frage es mich jedes Mal, wenn die FDP wieder umkippt.

Mit fallenden Umfragewerten für die Koalition versuchen die Freien Demokraten zwar immer wieder, sich als Widerständler gegen die eigene Regierung zu inszenieren – aber das ist ein Spagat, der nicht gelingen kann. Vor allem, weil fast jeder groß inszenierte FDP-Aufstand in der Ampel am Ende ohne Folgen bleibt. Lieber geht man mit der Ampel unter, anstatt den eigenen Fehler wirklich zu korrigieren.

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Wie schade – denn es bräuchte einen starken Liberalismus in Deutschland. Es bräuchte eine bürgerliche und freiheitliche Kraft, die solide für die Kernpunkte des Liberalismus einsteht. Für Individualismus, für eine freie Gesellschaft. Für echte Bürgerrechte und gegen einen übergriffigen Staat, der in jeden Lebensbereich hineinwuchert. Hier gäbe es in Deutschland wahrlich genug zu tun. 

Liberale am Ende: Auf der Autobahn in Richtung Bedeutungslosigkeit hat die FDP die letzte Ausfahrt verpasst

Doch die FDP fällt komplett aus. Längst hat sich auch bei den Freien Demokraten ein Freiheitsbegriff breit gemacht, der Liberalismus als hedonistisches Wünsch-dir-was definiert und den Kampf um die Freiheit auf unwichtige Nebenschauplätze wie Cannabislegalisierung oder die Homo-Ehe verlagert. Kein Tempolimit auf Autobahnen: Das verteidigt die FDP noch – das ist alles, was geblieben ist von einer einst stolzen Partei der liberalen Tradition. In allen anderen Bereichen hat die Partei das Feld geräumt.

Sie ist damit überflüssig geworden – das zeigen auch die Umfragen. Einmal hat die FDP die Wiederauferstehung geschafft, nach der Bundestagswahl 2013. Zehn Jahre später ist die Partei wieder auf dem Weg zu den Verhältnissen von damals. Sie wird es nicht nochmal schaffen – wenn sie jetzt rausfliegt, ist sie weg. Und auch zu Recht. Christian Lindner hat mit dem Bruch der – den liberalen heiligen – Schuldenbremse seine letzte Ausfahrt verpasst: Hier hätte er die Koalition platzen lassen können – müssen – und jeder seiner Wähler hätte es verstanden. Jetzt ist es zu spät. Die FDP wird diese Legislatur wahrscheinlich bis zum bitteren Ende durchregieren – und danach in der hart erarbeiteten Bedeutungslosigkeit verschwinden.

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