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Memoiren

Ex-Kanzlerin abgekanzelt: The Economist geht mit Merkel hart ins Gericht

Merkels Memoiren ziehen bereits vor Veröffentlichung kritische Blicke auf sich. Der Economist sieht in den Memoiren wenig Selbstkritik und erwartet einen defensiven Ton: Denn wer Europas Miseren erklären wollte, müsse auf Frau Merkel schauen.

Angeblich immer alles „vom Ende her gedacht“? Angela Merkel wird im Economist das genaue Gegenteil attestiert.

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Im November erscheint das neue Buch der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel unter dem Titel „Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021“. Während deutsche Medien sich weitgehend zurückhalten, wagt das britische Wirtschaftsmagazin The Economist mit einer ersten Prognose jedoch bereits einen Blick auf das kommende Buch – und formuliert eine ernüchternde Einschätzung.

In seiner Kolumne „Charlemagne“ spekuliert der Economist, dass die Memoiren nicht mit der typischen Glorifizierung eines politischen Erbes aufwarten werden. Stattdessen erwartet das Blatt einen „eher defensiven Ton“ und wenig spektakuläre Enthüllungen. Es werde allenfalls ein paar diplomatische Seitenhiebe auf politische Gegner geben, jedoch keine umfassende Rechtfertigung oder gar Selbstkritik. Dabei sieht das Magazin erheblichen Aufklärungsbedarf, der sich aus den vielen Ungewissheiten und Widersprüchen in Merkels Kanzlerschaft ergibt.

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Besonders scharf geht der Economist mit der merkelschen Wirtschaftspolitik ins Gericht, der er eine strategische Tatenlosigkeit zuschreibt. Die Wochenzeitung wirft der Altkanzlerin vor, die deutsche Wirtschaft zwar stabilisiert, aber kaum zukunftsweisende Reformen eingeleitet zu haben. Ihre „Durchwurschtel-Politik“ – ein Begriff, den das Blatt bewusst wählt – habe für kurzfristigen Ausgleich gesorgt, aber langfristige Strukturen vernachlässigt. Diese Politik der kleinen Schritte hat, so die Analyse, dazu beigetragen, dass Deutschland erneut als „der kranke Mann Europas“ bezeichnet werden könnte – ein Prädikat, das der Economist bereits vor 25 Jahren verlieh und das heute wieder an Aktualität gewinnt. Der Grund hierfür sei, dass Merkels Kurs oft auf das Bewahren und Abwarten setzte, während andere europäische Volkswirtschaften in Innovations- und Investitionsinitiativen voranschritten. Somit stehe Deutschland trotz seiner Stabilität auf einem zunehmend brüchigen Fundament.

Ein wiederkehrendes Thema in der Economist-Analyse ist die kritische Einschätzung der Langzeitfolgen ihrer Politik für Deutschland und Europa. Besonders auffällig sei laut dem Magazin, wie Merkels Entscheidungen zu drei zentralen Abhängigkeiten geführt hätten: Deutschlands militärische Sicherheit, die Wirtschaftsbeziehungen zu China und die Energieversorgung durch Russland. Während die USA als unverzichtbarer Partner Deutschlands Sicherheit absichern, sichert China den Wirtschaftsmotor über den Exportmarkt, und die russische Gasversorgung hält nach wie vor das deutsche Energiesystem am Laufen. Diese „Merkel-Trias“ der Verwundbarkeit stellt nach Einschätzung des Economist eine bittere Hinterlassenschaft dar, die Deutschland in Krisenzeiten große Probleme bereite. Vor allem angesichts des Ukraine-Konflikts und der zunehmenden globalen Spannungen mit China erweist sich diese Konstellation als potenziell destabilisierend.

Die Zurückhaltung Merkels bei der Krisenbewältigung und ihre Neigung, Entscheidungen lange hinauszuzögern, beschreibt das Economist-Magazin treffend mit dem Begriff „Merkeln“. Dies sei Merkels politische Handschrift, die sie insbesondere auf EU-Gipfeln in Perfektion praktiziert habe: Dringliche Entscheidungen wurden oftmals in die Zukunft vertagt, die Handlungsoptionen aufgeschoben, was den Zusammenhalt der Europäischen Union jedoch schrittweise untergraben habe. Auch in Deutschland selbst sieht der Economist erhebliche Defizite, die aus den Fiskalentscheidungen unter Merkel resultieren. Während die Schuldenbremse zu ihrer Amtszeit fest verankert wurde, verpasste es die Regierung, die Phase der Null-Zins-Politik für dringend nötige Investitionen zu nutzen. Deutschland habe sich also mit einem restriktiven Sparkurs zwar finanziell abgesichert, aber es verpasst, die Infrastruktur für das 21. Jahrhundert fit zu machen. Stattdessen stürzen in Deutschland nun buchstäblich Brücken ein, und das Bahnsystem, so die Beobachtung des Magazins, befindet sich in einem immer schlechteren Zustand.

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Der Schlusssatz der Economist-Kolumne fällt entsprechend drastisch aus: „Diejenigen, die sich fragen, wie Europa in die gegenwärtige Misere geraten ist, werden zu Recht auf die Amtszeit von Frau Merkel schauen.“

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76 Kommentare

  • Absolut korrekt: Frau Merkel war der zweitschlechteste Kanzler, den Deutschland je hatte. Das schlimme dabei ist, dass die Ära Merkel noch gar nicht beendet ist, sondern in ihrer Partei weiterhin Bestand hat – siehe Wüst, siehe Günther …

    148
  • Am Abend des Wahlsieges 2013, als Merkel die Deutschlandfahnen öffentlichkeitswirksam auf offener Bühne „…an Tagen wie diesen…“ abräumte, wurde die CDU kastriert, ist als Partei nicht eingeschritten und hat sie sogar wieder zum Kanzler gewählt.

    121
  • Wer die Probleme erkannte und öffentlich machte, wurde von Merkel und ihren Getreuen als Nazi beschimpft.

    103
  • Ein Buch von Merkel! Sind wir nicht genug bestraft worden mit dieser Frau?
    Und für das Papier mussten Bäume sterben….

  • The Economist kritisiert genau das Falsche. Merkel hat Europa mit ihrer Einwanderungspolitik der bedingungslosen Grenzöffnung per Zauberwort Asyl ins Verderben gerissen, aber davon ist nichts zu lesen. Und wenn schon Energie ins Spiel kommt, dann darf man ihr Abschalten der Atomkraftwerke nicht vergessen, was ein weiteres Verbrechen am deutschen Volk war.

    89
  • Merkel hat 9 Mitarbeiter. Zu gerne würde ich wissen, wieviel Politik des Landes von dieser Frau noch gesteuert wird. Die Merkeljünger sind ja noch zahlreich an wichtigen Schaltstellen der Macht vertreten.
    Eine Aufgabe fürs Apollo Team?

    84
  • In Erinnerung bleibt mir nur die Szene, in der Merkel ihrem Minister die Deutschlandflagge aus der Hand nahm und entfernte.

    63
  • Kein bundesdeutscher Politiker hat diesem Gemeinwesen so nachhaltig geschadet wie Merkel. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Mehrheit der Wähler hat sich von ihr einlullen (oder vom ÖRR disziplinieren) lassen. Merkel hat stets ihr Fähnchen in den Wind der veröffentlichten Meinung gehängt.

    32
  • Merkel vor Gericht? Wäre ein Anfang.

    28
  • Anstatt ein Buch VON ihr zu lesen, empfehle ich ein Buch ÜBER sie:
    „Die Kanzlerin die aus der Kälte kam“, fokussierte und selbsterklärende Betrachtung und Erleuchtung.

    26
  • Zur Belohnung ist diese Kanzlerin mit den höchsten Orden der Republik ausgezeichnet worden.
    Ihre Unterstützer haben sich damit selbst gefeiert und zugleich ihre Verachtung für die zahlreichen Kritiker dieser Politik ausgedrückt.

    24
  • Daß Merkel die Massenzuwanderung angefeuert hat, scheint vergessen.

    23
  • Kohl sagte einmal während seiner Amtszeit: „Es gibt Dinge, die muss man intelligent aussitzen.“
    Mit der Betonung auf „intelligent.“
    Kohl war trotz allen Aussitzens ein tatkräftiger Kanzler, der am Ende des Aussitzens seinen Willen bekam. Merkel war eben doch nur der „ferngesteuerte Hosenanzug“. Ihr fehlte das Format ihrer sämtlichen Vorgänger im BRD-Kanzleramt.

    Dass es nach ihr noch schlimmer kam, war absehbar. Zweifellos wusste Merkel, welche Krisen uns 2021/22 bevor standen. CDU-Mitglieder haben damals wohl zu recht vermutet, dass die Aufstellung Laschets als KK garantieren sollte, dass die CDU die Wahlen NICHT gewinnt und somit die SPD den Schwarzen Peter zieht.

    Nach 4 Jahren Ampel kann die CDU sich dann als Ritter auf dem weißen Pferd präsentieren, obwohl sie als Opposition völlig versagt und keinerlei wesentliche Politikänderung zu erwarten ist. Dieser Kurs wird längst nicht mehr in Berlin bestimmt. Auch das ist ein „Verdienst“ Merkels!

    17
  • Das Allerletzte was ich brauche sind diese Memoiren. Die Auswirkungen erlebe ich jeden Tag. Doch : ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt ,,, frei nach Paulus.

  • Nicht der Economist muss mit Merkel hart ins Gericht gehen, sonden die Staatsanwaltschaft!

  • Das war der Anfang allen Übels.

  • Interessant, daß der „Sparkurs“ verantwortlich gemacht wird für unterlassene Instandhaltung und Modernisierung, obwohl kein Haushalt jemals Überschüsse, also Ersparnisse, oder wenigstens Schuldenabbau aufwies, sondern ständig nur von Nettoneuverschuldung die Rede war. Wenn der Economist als Wirtschaftsfachblatt solche Begriffsverwirrung betreibt, muß man Absicht unterstellen. Was wurde denn mit den stetig steigenden Steuereinnahmen gemacht? Wohin floß das Geld, das dringend hätte investiert werden müssen? Wer hat es veruntreut?

    10
  • Der Untergang sollte dieses schmierige Manifest eigentlich heißen..Merkel ist die Verweserin Deutschlands und der EU..

  • Literaturtipp: „16 Jahre Angela Merkel: Bilanz eines Zerstörungswerks“ von Dr. C. E. Nyder (2021) bzw. „Die Patin: „Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“ von Gerdrud Höhler (2012)

  • Merz hat sich ja nun gerade erst mit Merkel versöhnt und wird dort weitermachen, wo sie und die Ampel bei der Deutschlandvernichtung stehen geblieben sind.

    Macht schaffen und erhalten hat doch prima geklappt.

    Wenn statt Kristallglas nur noch ein Scherbenhaufen bleibt, was soll´s ?

    Besser einen Scherbenhaufen regieren, als in einem intakten Land in der Opposition sitzen.

  • „Entscheidungen hinausgezögert“ kann ich nicht unterschreiben. Atomausstieg und offene Grenzen hat sie über Nacht entschieden. Auch ihren politischen Ziehvater über die Klinge springen zu lassen, war einer ihrer spontanen „Glanzauftritte“. Wenn sich die Gelegenheit bot, machte sie kurzen Prozess.

  • Ich sag‘ nur: 30 Jahre Einzelhaft!

  • Dass die promovierte Physikerin Angela Merkel sogar aus längst feststehenden Begriffen wie vor allem der Unbestimmtheitsrelation nicht die richtigen Schlüsse gezogen hat, ist vielleicht das schwerwiegendste Versäumnis ihrer immerhin 16 Jahre währenden Amtszeit als Bundeskanzlerin. Dadurch sehen sich die Bürger fortgesetzt bis auf die Gegenwart weiterhin mit einem Determinismus konfrontiert, der Voraussetzungen hat, die kein Mensch jemals erfüllen kann. Es nimmt dann nicht wunder, wenn auch künftig völlige Überforderung unter der Bevölkerung vorherrschend bleibt. Geistig, seelisch und körperlich rasch entschwindende Kräfte sind nicht nur die praktische, sondern logische Folge davon. Die frühere Stärke einer hochentwickelten Industriegesellschaft verwandelt sich dadurch in eine eklatante Schwäche. Spricht angesichts dessen die britische Zeitschrift „The Economist“ inzwischen wiederholt von Deutschland als dem „kranken Mann Europas“, sind die Gründe aktuell darin zu finden.

    5
  • Wer bei „Wikipedia“ surft, findet heraus, dass „The Economost“ für freien Handel, freie Einwanderung (!), Deregulierung und die Globalisierung (!) einsetzt.
    Schöne nachhaltige „Grüsse“ vom „Deep State“.

  • völlig falsch… sie sollten nicht hart ins gericht…sondern sofort vor ein gericht….

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