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Entscheidung in Karlsruhe über die Wahlrechtsreform der Ampel: Kampf für den absoluten Parteienstaat

Für eine neue Wahlrechtsreform nimmt die Ampel das parlamentarische Aus zweier Oppositionsparteien und der Wahlkreisgewinner eines ganzen Bundeslands in Kauf – oder plante sie bewusst ein. Dafür landet das Vorhaben wieder mal in Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt jetzt über eines der wohl heikelsten Vorhaben der Ampel: die Wahlrechtsreform für den Bundestag. Geklagt haben nicht nur Unionsfraktion, Linke und diverse Bürger, sondern auch die bayerische Staatsregierung. Nicht ohne Grund: Denn wenn das Ampel-Wahlrecht bleibt, könnten in Bayern bald fast allen Wahlkreisgewinnern der Sitz im Bundestag verwehrt werden.

Dafür sorgt die führende Position der CSU im Freistaat. Und neben der Union dürfte die Reform auch gleich die Linke killen – man wird zwei Oppositionsparteien auf einen Schlag los, ein gewagtes Vorhaben. Damit ließ man es geradezu darauf ankommen, dass das Ganze in Karlsruhe landet.

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Selbst für einen Laien sind die Probleme für die Wahlgerechtigkeit offensichtlich: Eine ganze Reihe von Wahlkreisen soll, mitunter nicht von den Gewinnern, sondern keinem oder womöglich dem lokalen Verlierer repräsentiert werden. Denn der Kern der Reform ist die Einführung eines reinen Verhältniswahlrechts – allerdings nicht offen, sondern geschmückt mit dem Mantel der bisherigen Erst- und Zweitstimmenwahl.

Man gibt dem Wähler die Illusion, dass er in seinem Wahlkreis seinen Abgeordneten wählt, in Wahrheit hängt das aber gar nicht von seiner Erststimme ab, sondern der sogenannten Zweitstimmendeckung. Dabei wird erst anhand der Zweitstimmen errechnet, wie viele Sitze eine Partei bekommt und nur dann, wenn sie auch „genügend“ Wahlkreisgewinner hat, bekommen alle von ihnen ihren gewonnenen Sitz.

Und wenn die Partei weniger als fünf Prozent der Stimmen hat, sind es automatisch null Sitze, aller tatsächlich gewonnenen Wahlkreise zum Trotz. Das ist die zweite große Neuerung. Denn ja: ein personalisiertes Verhältniswahlrecht, bei dem es darum ging, möglichst nah ans Zweitstimmenergebnis zu kommen, gab es jetzt bisher schon, aber das lief dann darauf hinaus, dass eben keine Abgeordneten mehr über die Liste hereinkamen, wenn die Zahl an Direktmandaten schon zu hoch war. Aber kein gewählter Abgeordnete verlor so sein Mandat.

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Außerdem sicherte die Grundmandatsklausel – ebenfalls der Ampel-Reform zu Opfer gefallen –, dass Parteien, die zumindest lokal Volkspartei waren, konkret drei Wahlkreise direkt gewinnen konnten, einen Platz im Bundestag hatten, auch wenn sie weniger als fünf Prozent der Gesamtstimmen hatten. So kam die Linke in den letzten Bundestag; auch die CSU rangierte immer wieder nah an der Fünfprozenthürde.

Diese regionale Vertretung will die Ampel nun ganz bewusst zerstören. Ginge es nur um ein Ende der Grundmandatsklausel, wäre das für die Linke zwar katastrophal gewesen – ihre Listenmandate wären sie dann los und stattdessen künftig wohl nur noch zu dritt im Bundestag; für die CSU wäre es aber eher verkraftbar gewesen. Das hätte bedeutet, dass alle sowieso direkt gewählten CSUlern im Parlament bleiben dürften. Durch die Kombination mit dem neuen Umgang der Erststimme und Wahlgewinnern ohne Platz im Parlament könnte die Reform jetzt aber eben die Wahlkreisgewinner eines ganzen Bundeslandes von der Landkarte fegen.

Was wäre das für eine Republik, in der am Ende womöglich fast jeder fünfte Wähler ohne Wahlkreisabgeordneten dasteht? Das ist es, was die Ampel favorisiert und auf Biegen und Brechen durchsetzen will. Auch wieder mit dem Risiko, eine ordentliche Klatsche aus Karlsruhe zu bekommen, wie schon beim Haushaltsurteil im vergangenen Jahr.

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Aber das Ziel ist offensichtlich: Es geht nicht nur darum, es dem politischen Mitbewerber (CSU und Linke) schwerzumachen, sondern auch das Wahlrecht auf das auszurichten, was den häufig eher kleinen Parteien der Ampel gelegen kommt. Nämlich das Prinzip: Die Partei steht an erster Stelle. Wenn nicht mal mehr der Parlamentseinzug von Wahlkreisgewinnern sicher ist, dann ist nur eins sicher: die Parteiliste.

All das gibt Funktionären nur noch mehr Macht über die Abgeordneten, die eigentlich „nur ihrem Gewissen“ verpflichtet sein sollen. Und klar: FDP und Grüne haben nie den Status als Volkspartei erreicht, sie kennen nur diesen Modus Operandi. Und die Kanzlerpartei SPD ist gerade selbst dabei, sich endgültig von einer Stellung als Volkspartei zu verabschieden, rangiert inzwischen meist weit hinter der AfD. Auf eine gewisse Art, war der radikale Wahlrechtsumbau der Ampel daher nur logisch – wie viel er aber mit dem Grundgesetz zu tun hat, wird jetzt bald Karlsruhe entscheiden.

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