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Der Hütchenspieler: Lindners Schattenhaushalt

Die Einhaltung der Schuldenbremse - für Finanzminister Christian Lindner das angebliche Kronjuwel seines diesjährigen Haushaltsgesetzes. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes zerlegt Lindners Konzept und legt offen: Lindners große Wende gibt es nicht.

Die Einhaltung der Schuldenbremse: Auf nichts ist Finanzminister Christian Lindner so stolz wie auf das. Mantraartig wiederholt sein Bundesfinanzministerium dieses angebliche Faktum. Doch es ist eine Nebelkerze.

Denn Lindner hält sich einen Nebenhaushalt – einen Schattenhaushalt. Das sind die Sondervermögen des Bundes. Sie belaufen sich mittlerweile auf nahezu das Doppelte des Staatsbudgets, nämlich auf 869 Milliarden Euro. Nur mit diesem Trick können Lindner und die Ampel-Koalition die Schuldenbremse überhaupt einhalten.

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Der Bundesrechnungshof spricht von 29 solcher Töpfe auf Bundesebene. Die ältesten stammen noch aus der Nachkriegszeit, aktuelle Beispiele sind das Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds in der Energiekrise mit 200 Milliarden, oder der sogenannte „Klimatransformationsfonds“ mit 211 Milliarden Euro. Diese Sondervermögen laufen neben den jährlichen Etats des Bundeshaushaltes – sie verstellen „den klaren Blick auf die tatsächliche Lage der Bundesfinanzen“, warnt der unabhängige Bundesrechnungshof. Das Verschuldungspotenzial der Sondervermögen lag laut Rechnungshof Ende 2022 bei insgesamt 522 Milliarden Euro. Das ist das Fünffache der bis 2027 ausgewiesenen Kreditaufnahme. In der Gesamtschau sei es deshalb zutreffender, von „Sonderschulden“ zu sprechen. Die tatsächliche Nettokreditaufnahme sei unter Einbeziehung der Sondervermögen demnach auch deutlich höher als die im Bundeshaushalt ausgewiesene Nettokreditaufnahme.

Haushaltspolitik „aus den Fugen geraten“

Das Urteil des Bundesrechnungshofes ist vernichtend: „Durch das Verlagern von Einnahmen und Ausgaben in Sondervermögen (…) wurde der Bundeshaushalt über die Jahre hinweg entkernt. Dies hat seit dem Jahr 2020 eine bis dahin nicht bekannte Ausweitung und Dynamik erlangt.“ Die Praxis gefährde erheblich „das parlamentarische Budgetrecht und die Wirksamkeit der Schuldenregel.“ Fazit der unabhängigen Haushaltsaufsicht: Das Parlament, aber auch die Öffentlichkeit, droht den Überblick und damit auch die Kontrolle zu verlieren. Der Bundeshaushalt sei „aus den Fugen geraten“. Die Kritik ist klar und deutlich: „Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes muss die Finanzierung von Zwecken, die zur Kernaufgabenerfüllung des Staates gehören, auch aus dem Kernhaushalt erfolgen. Dies ist der Bundeshaushalt.“ Die Maßnahmen in der Energiekrise oder während der Lockdown-Zeit gehörten zu diesen Kernaufgaben des Staates, stellt der Rechnungshof fest.

Hütchenspiel statt seriöser Finanzpolitik

Das Bundesfinanzministerium widerspricht in einer Stellungnahme erwartbar dem Bericht des Bundesrechnungshofes. Dieser hält jedoch an seinen Darstellungen, Berechnungen und Bewertungen fest. Die Sachverhaltsfeststellungen des Berichtes „hat das Bundesfinanzministerium an keiner Stelle widerlegt“, schreibt das unabhängige Finanz-Watchdog. „Die Entkernung des Bundeshaushalts durch die Errichtung von Sondervermögen ist nach Auffassung des Bundesrechnungshofes weit fortgeschritten. Sie hat mit der seit dem Jahr 2020 finanzpolitisch stark expansiven Krisenpolitik eine bis dahin nicht bekannte Ausweitung und Dynamik erlangt.“

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Der Staat könne „nur das Geld ausgeben, dass die Bürgerinnen und Bürger vorher erwirtschaftet haben“, meint Christian Lindner. Das ist ein schöner, alter FDP-Spruch – er lügt nur. Denn Lindner ist längst der größte Schuldenfürst, zumindest in der jüngeren Vergangenheit der Bundesrepublik. Er herrscht über ein Reich der Sonderschulden wie noch kein Minister vor ihm. Der Haushalt entkernt, die Finanzpolitik längst ein Hütchenspiel mit diversen Töpfen voller „Sondervermögen“ – seriöse Haushaltspolitik geht anders.

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