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Der Fiebertraum um die Jagd auf die Sylt-Ballermänner

Innerhalb kürzester Zeit ist in den Sozialen Medien ein absurdes Hassfeuer gegen eine Gruppe junger Sylt-Yuppies entbrannt, die auf einem Video ausländerfeindliche Parolen zum Besten geben. Dabei ist das, was Ampel-Politiker und Medien zum Neonazi-Aufmarsch aufbauschen, nichts weiter als selten dämliches Ballermann-Gehabe. 

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Die Hölle hat sich aufgetan – sie liegt in Kampen, auf Sylt. Die Videoaufnahme, die eine Gruppe Ende 20-Jähriger feiernd in einem Strandclub der Nobelgegend zeigt, dominiert alle Nachrichten. Zu sehen ist unter anderem ein junger Mann, der in der tanzenden Menge einen Hitlerbart mit den Fingern mimt und seinen rechten Arm bewusst nach vorn ausstreckt. Die jungen Leute in teuren Klamotten strecken die Hände in die Luft, tanzen zur Melodie des Popsongs „L’Amour Toujours“ und grölen „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“. Bild, Stern und das ÖRR-Format Brisant berichten über einen „Nazi-Skandal“ auf der Nordseeinsel. Zahlreiche Medienvertreter und Politiker dokumentieren in den Sozialen Medien ihre Schnappatmung. 

Jürgen Trittin fordert kurzerhand eine „antifaschistische Eingreiftruppe“ gegen „Prosecco-Nazis“. Auch ÖRR-Journalistin Dunja Hayali und SPD-Sternchen Sawsan Chebli empören sich, ebenso ein Bundestagsabgeordneter der Grünen. Linken-Politikerin Carola Rackete leitet aus den Videoaufnahmen kurzerhand eine Forderung nach der Umverteilung von Vermögen ab und schreibt den Hashtag „fckafd“ dazu. Luisa Neubauer nutzt das Video, um auf ihre Anti-Rechts-Demos aufmerksam zu machen. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, resümiert: „Das Problem ist Rassismus und wenn man gewohnt ist, sich wegen seines Reichtums alles erlauben zu können und niemand widerspricht.“ Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz kommentiert das Video. Am Freitagmittag schreibt er auf Twitter: „Solche Parolen sind eklig. Sie sind nicht akzeptabel. #Sylt“. 

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Es ist wie ein Fiebertraum. In kürzester Zeit gibt der Nachtclub, in dem sich die Szene am Pfingstwochenende abgespielt haben soll, ein Statement heraus, in dem er betont, dass er sich von den Geschehnissen distanziert und man inzwischen die auf dem Video erkennbaren Personen angezeigt habe. Die Polizei Schleswig-Holstein teilt Freitagmorgen in einer Pressemitteilung mit, dass inzwischen der Staatsschutz aufgrund des Videos Ermittlungen wegen Volksverhetzung und der Verwendung „verfassungswidriger Kennzeichen“ eingeleitet habe. 

Derweil läuft auf Twitter längst die Suche nach den Namen und Adressen der im Video zu sehenden Personen. Eine junge Frau, die im Video deutlich zu erkennen ist, wird kurzerhand als Pressesprecherin einer Firma für Hundebedarf ausgemacht. Kurze Zeit später ist die entsprechende Webseite des Unternehmens nicht mehr aufrufbar. Dennoch ist der Name der jungen Frau durch eine Googlesuche leicht zu ermitteln. Unter anderem, weil die Twitter-Nutzer auch Bilder eines professionellen Fotografen teilen, der Fotos von ihr mitsamt ihrem Vornamen auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Auf Twitter verkünden die Hobby-Denunzianten schließlich stolz den wahrscheinlichen Wohnort der jungen Frau. 

Glauben Sie mir, ich finde wenig abstoßender als dummes Ballermann-Gegröle – und man muss schon selten dämlich sein, um sich in absoluter Selbstverständlichkeit dabei zu filmen, wie man solche Parolen durch die Gegend brüllt und einen Hitlergruß zeigt. Immerhin sehen die jungen Leute auf dem Video nicht einmal so aus, als wären sie außergewöhnlich besoffen – man kann also davon ausgehen, dass sie wissen, was sie da tun. Diese Selbstgerechtheit, diese billig-dümmliche Provokation ist, gelinde gesagt, unsympathisch.

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Und dennoch sitze ich schon den ganzen Tag vor den sich minütlich vermehrenden Statements der linken Polit- und Medienszene zu dem Video und versuche mir zu erklären, wie man in diesen Aufnahmen quasi den neuen Aufstieg einer Hitlerjugend erkennen will. Von den zahlreichen Hitler-Nachahmungen, die in deutschen Schulen täglich aus Jux und Freude an der Provokation zu Besten gegeben werden, möchte ich gar nicht erst anfangen. Wichtiger ist: Jeder Mensch unter 30 dürfte den „Ausländer raus“-Song schon lange aus den Sozialen Medien kennen. Dort wurden Aufnahmen von dem gegrölten Song schon tausendfach als Soundtrack für Videos geteilt – die Hochphase, in der das geschah, ist etwa ein Jahr her. Damals wurde man auf Twitter, Instagram, TikTok und Co überflutet mit Videos, bei denen dieser Soundtrack im Hintergrund lief. Als Witz natürlich, als Meme.

In der letzten Zeit gibt es immer wieder Lieder, die allein dadurch bekannt geworden sind, dass sie in den Sozialen Medien viral gegangen sind. Dazu gehört unter anderem der Song „Wildberry Lillet“ von der Rapperin Nina Chuba oder auch der Anti-AfD-Hit „Für immer Frühling“. Beide Lieder sind unglaublich nervtötend und dämlich – dennoch können mit Sicherheit 90 Prozent der deutschen Generation Z diese Lieder mitsingen, einfach, weil sie diese so oft gehört haben. „Ausländer raus“ ist auf dieselbe Weise berühmt geworden. 

Der Grund, warum diese Zusammenschnitte viral gehen, ist, weil viele lustig finden, damit zu provozieren. Sowie Ballermann-Hits, in denen Frauen herabgewürdigt oder Vergewaltigungen glorifiziert werden. Und was macht man mit all den Leuten, die jeden Sommer auf Mallorca immer noch lauthals „Meine Puffmama heißt Layla“ singen?

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Peinlich genug, dass es offensichtlich so viele gut betuchte junge Leute gibt, die sich nicht schämen, ihre eigene Dummheit so offen in der Welt zur Schau zu stellen, obwohl sie stramm auf die 30 zugehen, sie zum Teil schon übertreten und vielleicht bereits Kinder haben. Daraus jedoch einen Rechtsruck in der Gesellschaft ableiten zu wollen und die gezeigten Partygäste ernsthaft zum Nazi-Aufmarsch aufzubauschen, sogar zur Gewalt gegen sie aufzurufen – das ist nicht in Ordnung.

Für die junge Frau, die so blöd war, auf der Videoaufnahme direkt in die Kamera zu singen, dürfte gerade die Welt zusammenbrechen. Auch ihre auf den Videoaufnahmen erkennbaren Kollegen könnten schon bald von der Hass-Gemeinde auf Twitter identifiziert und denunziert werden. Vielleicht werden sie ihre Jobs verlieren, öffentlich bedrängt und bedroht werden.

Fast täglich werfen in der letzten Zeit Ampel-Politiker der AfD vor, dass ihre hasserfüllte Sprache Gewalt gegen Politiker den Weg ebnen würde. Nun beteiligen sich dieselben Politiker an einem medialen Shitstorm gegen ein paar junge Leute, von denen man meinen würde, dass sie durch die laufenden Ermittlungen schon genug gestraft sind. Die Brutalität, mit der sie diese Verurteilungen zum Ausdruck bringen, offenbart ihren eigenen Hass – und auch die Verzweiflung im Kampf gegen Rechts, mit der man zwanghaft an jeder Ecke ein neues ’33 sehen will.

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