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Das Yen-Beben als düsterer Vorbote für Deutschland

Übers Wochenende ist der japanische Yen regelrecht eingebrochen. Am Montag stabilisierte sich die Währung innerhalb weniger Stunden. Doch strukturelle Probleme und vor allem eine falsche Geld– und Haushaltspolitik sorgen nicht für Entspannung – Das gilt auch für Deutschland.

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Der japanische Yen hat über das vergangene Wochenende einen Kursturz erlebt. Damit setzt sich der jahrelange Abwertungstrend des Yen weiter fort. Am vergangenen Donnerstagnachmittag konnten noch etwa 156 japanische Yen für einen US-Dollar eingetauscht werden. Schlagartig rutschte der Kurs ab, sodass am Montagmorgen schon 158 Yen für einen amerikanischen Dollar hingeblättert werden mussten. Innerhalb einer Stunde stabilisierte sich die Währung der Japaner, blieb noch etwa eine weitere Stunde sehr volatil und verbucht seither im Intraday (Tageshandel) weitere Verluste.

Der Kursverlust erscheint auf den ersten Blick nicht dramatisch, jedoch handelt es sich hierbei nicht um eine normale Marktbewegung. Außerdem sieht die Abwertung im Gesamtbild noch gravierender aus: In den letzten drei Jahren hat der Yen gegenüber dem Dollar über 30 Prozent eingebüßt und befindet sich jetzt auf dem tiefsten Stand seit über dreißig Jahren. Das Yen-Fiasko am Devisenmarkt und die Hintergründe blieben vonseiten des japanischen Finanzministeriums unkommentiert. Es wurde lediglich versucht, verbal zu beruhigen, um die Erwartungsbildung zu stabilisieren.

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Erwartungen sind an Finanzmärkten sehr wichtig, denn sie beeinflussen Transaktionen und können Märkte regelrecht auseinanderreißen. So haben der japanische Finanzminister Shunichi Suzuki und sein Vize Masato Kanda betont, den Markt zu beobachten und bei Bedarf angemessene Maßnahmen zu treffen. Das erinnert an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gemeinsam mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Zuge der Finanzkrise von 2007/08 den deutschen Sparern versicherte: „Ihre Einlagen sind sicher.“ Eine Signalwirkung, die geholfen hat, um einen sogenannten Bank Run (Bankenpanik) zu verhindern. 

Die Situation um den Yen bleibt jedoch kritisch, denn es existieren in Japan mehrere Missstände, die eine Bewältigung der Krise immer schwieriger machen. So betrug die Staatsschuldenquote (= Höhe der Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) im vergangenen Jahr fast 267 Prozent der Wirtschaftsleistung – der zweithöchste Wert weltweit. Das BIP wiederum nimmt seit über einem Jahrzehnt ab und verkleinert den Spielraum für Neuverschuldung. Außerdem verfolgt Japan seit Jahrzehnten eine sehr lockere, expansive Geldpolitik.

Die stetig ansteigende Geldmenge – verursacht durch Anleihekaufprogramme, die einer de facto Staatsfinanzierung gleichkommen – versetzt die japanische Regierung in die Lage, in großem Umfang zu subventionieren. Thomas Mayer und Gunther Schnabl konnten in ihrer gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 2022 errechnen, dass bereits knapp die Hälfte (!) der Güter und Dienstleistungen des japanischen Warenkorbs subventioniert werden.

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Seit 1990 haben sich die staatlichen Subventionen vervierfacht. Auch die falsche Zinspolitik dürfte zum größtenteils zur Yen-Abwertung beigetragen haben. Haben alle Länder der G7-Staaten ihre Leitzinsen stark angehoben, um die Inflation zu bremsen, stagniert der japanische Leitzins immer noch an der Nullmarke. Zum einen führt das zu Kapitalabfluss aus Japan und Kapitalzufluss in die Eurozone oder in die USA. Zum anderen kann ein niedriger Zins zur sogenannten Liquiditätsfalle führen – eine Situation, in der die Zinsen als Instrument nicht mehr funktionieren, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Eine alternde Bevölkerung und niedrige Geburtenraten verstärken diesen Effekt, die Nachfrage in der Wirtschaft schrumpft weiter. Jetzt kommt noch dazu, dass in Japan die lang ersehnte Inflation begonnen hat. Seit Mitte der Neunziger kämpft die japanische Regierung mit niedrigen Teuerungsraten, teilweise erlebten sie sogar Deflation. Doch seit 2022 kann eine Inflationsrate von 2 bis 3 Prozent verzeichnet werden. Eine Analyse von Edgar Walk, Chefvolkswirt des Bankhauses Metzler, zeigt, dass die Zinslast Japans 2022 gerade einmal 0,5 Prozent des BIP betrug. Somit kann sich die Bank of Japan eine Zinserhöhung noch leisten.

Ob man diesen Schritt wirklich gehen wird, hängt vom japanischen Finanzministerium ab. Dieses hat unterm Strich enorm Vertrauen verspielt. Das sehen mittlerweile auch Analysten der Deutchen Bank so. Sie hatten zuletzt noch öffentlich die Glaubwürdigkeit der Entscheidungsträger in Tokio infrage gestellt. Die Situation um den Yen und die japanische Wirtschaft dürfte sich kurzfristig beruhigt haben. Weitere Entwicklungen sind jedoch abzuwarten, denn die strukturellen Probleme im Land bleiben bedrohlich. 

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Deutschland bald auch „tickende Zeitbombe“? 

Das Yen-Fiasko ist als logische Konsequenz einer missratenen japanischen Wirtschaftspolitik und strukturellen Problemen zu deuten. Nicht ohne Grund wird das Land in Fernost auch gerne als „makroökonomisches Testlabor“ bezeichnet. Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, dass die strukturellen Probleme, insbesondere die demografischen Entwicklungen, eine starke Ähnlichkeit mit Deutschland aufweisen.

So wird in Deutschland immer weniger gearbeitet, mehr krankgefeiert, mehr in Teilzeit gewechselt. Das ist ein großer Faktor für das deutsche Produktionspotenzial, welches für die Zeit ab 2027 auf gerade einmal 0,4 Prozent geschätzt wird. In einer 2023 veröffentlichten Studie haben die Ökonomen Rainer Kotschy und David E. Bloom ausgerechnet, dass die deutsche Wirtschaft bis 2050 um fast einen Prozentpunkt weniger wachsen wird, aufgrund der demografischen Entwicklung. Kam es zwischen 2000 und 2020 im Schnitt erst alle sieben Jahre zu einer Rezession, könnte es in Zukunft sogar alle zwei Jahre zu einem Schrumpfen der Wirtschaft kommen. Langfristig könnte Deutschland also stagnieren. 

Weitere Parallelen zu Deutschland sind festzustellen: Die Inflation befindet sich leicht auf dem Rückgang, was die Europäische Zentralbank (EZB) veranlässt, über Zinssenkungen nachzudenken. Zum ersten Mal in der Geschichte könnte es dazu kommen, dass die EZB die Zinsen früher senkt als die US-Zentralbank Federal Reserve Bank (Fed). Die unterschiedlichen Zinsen dieser beiden Wirtschaftsräume könnten dann zu Kapitalabflüssen aus Europa führen oder auch Druck auf den Euro-Dollar-Wechselkurs ausüben.

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Das konnte man kürzlich nach Veröffentlichung der US-Inflationsdaten feststellen, als der Eurokurs innerhalb eines Tages absackte. Die Inflation in den USA fiel höher aus als erwartet, dämpfte die Hoffnungen auf sinkende US-Zinsen und verstärkte den Kapitalabfluss. Dadurch werden mehr Dollars nachgefragt, was den Preis des Dollars gegenüber dem Euro steigen lässt. Auch die mehr als ein Jahrzehnt lang, künstlich niedrig gehaltenen Zinsen haben dazu geführt, dass überkonsumiert wurde und reihenweise schlechte Investitionen getätigt wurden.

Das zeigt jetzt die Zahl der gestiegenen Insolvenzen, die nichts anderes darstellen als eine natürliche Auslese in der Unternehmenslandschaft. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist im vergangenen Jahr um über 22 Prozent gestiegen, nachdem sie seit 2010 – zu Zeiten niedriger Zinsen – kontinuierlich gesunken war. 

Dazu kommt der Druck aus Politik und ihren NGOs, die Schuldenbremse zu lockern und mehr Schulden aufzunehmen. Es müsse mehr investiert werden, heißt es dann. Damit sind dann oft Subventionen gemeint, mit denen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft ausgeübt werden soll.

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Dazu einige Daten und Fakten: Die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Sektor ist stark angestiegen, um etwa 12 Prozent zwischen 2010 und 2022, wohingegen der gesamte Bevölkerungszuwachs in Deutschland im selben Zeitraum um lediglich 5 Prozent gestiegen ist (inklusive Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen Ländern). Die Zahl der Erwerbstätigen ist um über 13 Prozent gestiegen. Daraus kann man schließen, dass überproportional viele Menschen in den öffentlichen Sektor gewandert sind, um dort zu arbeiten.

In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung fließen die Löhne und Gehälter der Staatsbediensteten in die sogenannten Konsumausgaben des Staates. Wenn die Politik also staatliche Investitionen fordert, ist eigentlich von Konsumausgaben die Rede. Diese lagen 2010 bei etwa 500 Milliarden Euro und werden sich in den nächsten 24 bis 36 Monaten vermutlich verdoppeln, auf eine Billion Euro. Diese Zahlen sind beängstigend, denn sie zeigen die massive Überregulierung und Bürokratisierung in Deutschland und Europa.

Der Kurssturz des japanischen Yen zeigt, wie schnell ein G7–Industrieland in eine bedrohliche Situation kommen kann. So bezeichnete der Ex-Chefökonomik des Internationalen Währungsfonds (IWF) und derzeitiger Harvard-Wirtschaftsprofessor Kenneth Rogoff die japanische Wirtschaft als „tickende Zeitbombe“ – wegen hoher Inflation, einer alternden Gesellschaft und niedrigen Wachstumsraten. Diese Probleme erlebt Deutschland in nahezu gleichem Maße. Deshalb sind die japanischen Zustände und ihre Währungskrise auch eine Warnung an Deutschland. 

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