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Cannabis-Legalisierung im Bundestag: Das Schlechteste von allem

Am Freitag will die Ampel das Cannabis-Gesetz durchbringen - dabei will niemand das Vorhaben noch wirklich. Richter, Ärzte, Polizisten, auch SPD-Politiker laufen Sturm gegen das Gesetz. Und selbst die Kiffer dürften unzufrieden sein.

Ende der Woche soll Cannabis legalisiert werden: „Bubatz wird legal“, wie die Bundesregierung im infantilen Nachäffen von veraltetem Jugendslang gerne sagt. Am Mittwoch nahm das Gesetz die letzte Hürde im Ausschuss, am Freitag steht die zweite und dritte Lesung des Gesetzes an, also die Abstimmung über den Gesetzesentwurf. Unter anderem soll der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis zum eigenen Konsum für Erwachsene künftig straffrei sein. Auch der Anbau wird erlaubt, der Konsum wird freier. Es ist ein Vorhaben, in dem sich alle drei Ampel-Parteien schon vor der Wahl einig waren.

Ein Selbstläufer hätte es werden können, könnte man meinen. Kurz vor dem finalen Beschluss des Gesetzes wird jedoch offenkundig: Irgendwie ist niemand zufrieden mit dem Gesetz. Die Regelungen sind halbherzig, komisch, kompliziert, verkopft und undurchsetzbar: Von Polizisten über Richter, Ärzte bis selbst zu vielen Konsumenten ist niemand so wirklich glücklich mit dem, was die Ampel unter der Führung von Gesundheitsminister Lauterbach da zusammengezimmert hat.

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Selbst in der sozialdemokratischen Fraktion herrscht ordentlich Unmut über das eigene Gesetz. Die beiden SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler und Sebastian Hartmann verfassten jüngst einen Brandbrief, um die Legalisierung doch noch zu stoppen. Fiedler und Hartmann kritisierten unter anderem fehlende Kontrollen, was den Umfang des privaten Cannabis-Konsums anbelangt. Die geplante Erlaubnis für Erwachsene, drei Pflanzen in den eigenen vier Wänden besitzen zu dürfen, werde „nicht kontrolliert werden (können)“, schrieben die beiden SPD-Politiker.

SPD-Frust über eigenes Gesetz

Als weiteren Grund für ihre Ablehnung des Gesetzentwurfs nennen Hartmann und Fiedler, dass „wichtige Ziele einer modernen Drogenpolitik, wie zum Beispiel die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die Entlastung der Ordnungs-, Polizei- und Justizbehörden oder die Verbesserung des Jugendschutzes“ nicht erreicht würden. Der Konsum würde ermöglicht, irregulärer Konsum und Verkauf aber nicht wirksam bekämpft werden. Kleindealer dürften künftig sogar bis zu 25 Gramm am Mann haben – für den kleinen Schwarzmarkt-Handel in der Regel mehr als genug. Sie könnten ihre Geschäfte mit den Endkunden jetzt leichter ausüben. Selbst in den Niederlanden, dem „Kifferparadies“ Europas, bleibt lediglich eine Menge von fünf Gramm straffrei. 

Andere Abgeordnete fürchten um die Außenwirkung des Projektes. „Wenn man sich nicht auf Grundlegendes einigen kann, aber dann das Kiffen freigibt, kann ich mir die Schlagzeilen schon vorstellen“, sagte ein Abgeordneter dem Tagesspiegel. Doch scheinbar kann sich die Ampel nicht mal wirklich aufs Kiffen einigen. In einer Probeabstimmung am Dienstag stimmten 16 SPD-Abgeordnete gegen das Gesetz ihres Genossen Lauterbachs. Fraktionschef Mützenich hat alle Hände voll zu tun, seine Abgeordneten auf Linie zu peitschen.

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Auch alle 16 Innenminister der Länder hatten vor wenigen Tagen in einem Brief vor verheerenden Auswirkungen der Legalisierung gewarnt. Schwer wiege vor allem die von kriminalpolizeilichen Fachleuten befürchtete Stärkung der Strukturen der organisierten Kriminalität durch das Gesetz. Der Gesetzentwurf der Ampelkoalition erleichtere den illegalen Handel mit Cannabis „massiv und schwächt seine Attraktivität kaum“, heißt es im Brief der Innenminister.

Länder geschlossen gegen Legalisierungsplan

Auch die Folgen für die Verkehrssicherheit werden angeprangert: „Die Legalisierung wird zwangsläufig zur Folge haben, dass mehr Menschen Cannabis konsumieren. Ebenso zwangsläufig wird es mehr Verkehrsunfälle mit leichten, aber auch mit schweren Folgen geben, die auf Cannabis-Einfluss zurückzuführen sind.“ Werte aus den USA, wo diverse Staaten Cannabis legalisiert haben, würden eine Zunahme von Verkehrsunfällen wegen Cannabis-Konsums belegen.

Des Weiteren kommt ein BKA-Bericht zu dem Ergebnis, „dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder zusätzliche Aufgaben und Aufwendungen in Form von Personal- und Sachkosten zukommen werden“. Diese Kosten habe das Gesundheitsministerium in seinem Entwurf nicht berücksichtigt. Aufgelistet werden in dem Bericht laut Legal Tribune Online noch eine Reihe von anderen Aspekten, die die Bundesregierung bei der Ausarbeitung des Legalisierungsgesetzes nicht berücksichtigt habe.

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Unter anderem warnen die Innenminister vor Auswirkungen auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität – die Legalisierung könnte es schwieriger machen, den organisierten Drogenhandel zu bekämpfen. Die Innenminister fordern daher, dass cannabisbezogene Delikte trotz Legalisierung weiter konsequent bekämpfbar bleiben, wenn es um organisierte Kriminalität geht.

Polizisten und Richter lehnen Ampel-Vorhaben ab

Auch Interessensvertreter von Polizei und Gerichten kritisieren das geplante Cannabis-Gesetz. Der deutsche Richterbund fürchtet massiven Aufwand für die Gerichte: Bundesgeschäftsführer Rebehn sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die betroffenen Strafakten müssten als Folge des Gesetzes händisch ausgewertet werden. Es müsse geprüft werden, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären.

Dies sei sehr zeitaufwändig – allein beim Amtsgericht Köln seien es mehr als 10.000 Fälle. „Die dort zuständigen fünf Richter gehen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von mindestens einer Stunde pro Fall aus, sodass die Prüfung bei 2000 Fällen pro Kopf und 40 Wochenstunden rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr bräuchte“. Der Gesetzgeber solle deshalb die geplante Amnestie-Regelung für nicht vollstreckte Altfälle aus dem Cannabisgesetz streichen, appellierte Rebehn.

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Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte ebenfalls den Stopp der Ampel-Pläne. Der DBK-Vorsitzende Peglow sagte der Funke-Mediengruppe, das Gesetz sei für Beamte in der Praxis kaum durch- und umsetzbar und fördere den Kleinhandel vom Cannabis.  „Dieses Gesetz muss gestoppt werden“, sagte Peglow. Mitte Februar hatte sich der Verbandschef spöttisch über die Nicht-Umsetzbarkeit des Gesetzes geäußert: „Wir warten mal ab, wie es läuft und werden dann feststellen, dass es eben kaum zu kontrollieren ist.“

Die Bundesregierung lasse völlig offen, wer für die Überprüfung der sogenannten Cannabis-Clubs, in denen angebaut werden könne, überhaupt zuständig sein soll. Polizeivertreter kritisieren außerdem, dass die persönliche Maximalmenge an Cannabispflanzen, die das Gesetz für privaten Anbau vorsieht, de facto nicht kontrollierbar sein wird.

Ärztekammer warnt vor „gravierenden“ Folgen

Auch aus der Medizin kommen verzweifelte Appelle, das Gesetz noch zu stoppen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, warnte vor weitreichenden Folgen. Die Ziele des Gesetzes stünden im eklatanten Widerspruch zur internationalen Erkenntnislage. Statt einer Legalisierung seien Aufklärung und Prävention nötig. Die Bundesärztekammer sieht in dem Gesetz „eine grundlegende Weichenstellung, die gravierende gesellschaftliche Auswirkungen entfalten wird, insbesondere mit Blick auf die Entwicklungs- und Lebensperspektiven junger Menschen in unserem Land.“

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Aus medizinischer Sicht sei das jetzt vom Bundestag zu beschließende Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis ein Fehler, erklärt auch Dr. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. „Die Regierungskoalition ist gesundheitspolitisch hier auf einem absoluten Irrweg. Die Legalisierung des Cannabiskonsums wird in Deutschland zu mehr Suchterkrankungen führen – dies ist eindeutig abzulesen aus den Studien, die Legalisierungen in anderen Ländern begleitet haben.“

Und die Konsumenten? Auch für die ist das Gesetz am Ende mehr Belastung ohne wirklich positiven Effekt. Das liegt an der umfassenden Regulierung: Es soll das freie Kiffen geben, aber nur streng nach Vorschrift. Beispiel Cannabis-Clubs: Diese Vereine, die die legale Hauptquelle für Cannabis sein sollen, dürfen an jedes Mitglied höchstens 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat ausgeben. Für Personen zwischen 18 und 21 Jahren gilt hingegen eine Höchstgrenze von 30 Gramm im Monat, wobei ihr Cannabis höchstens einen THC-Wert von zehn Prozent haben darf.

Regel-Wirrwarr frustriert Konsumenten: Status Quo bleibt

Im Club selbst dürfen die Mitglieder ihre Joints nicht rauchen, auch nicht in einer Zone von 200 Metern rund um den Eingangsbereich des Vereins. Das sind viele neue, nervige Regeln – und nicht mal Deutsche wollen zum Kiffen erstmal einen Verein gründen. Eine niedrigschwellige Konsumkultur wie etwa in Amsterdam oder US-Bundesstaaten wie Kalifornien wird es mit dem Gesetz nicht geben. Am tatsächlichen Status Quo, mit dem viele Kiffer längst arrangiert sind, ändert sich eh nicht wirklich viel. Viele werden sich fragen: Wozu also durch die ganzen neuen Reifen springen, die einem der Staat hinhält – wenn man Gras ja auch beim Dealer wie gehabt bekommen kann, nur rechtssicherer?

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Und das von Cannabis-Verbänden und Interessengruppen immer wieder als dringendste Problemfrage benannte Thema der Grenzwerte am Steuer? Das ist nach wie vor nicht gelöst. Wer Cannabis raucht, muss also trotz Legalisierung damit rechnen, bei Rückständen in Blut- und Haarproben Probleme mit der Polizei zu bekommen – auch, wenn längst keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit mehr bemerkbar ist.

Das Gesetz macht also niemanden glücklich: keinen Polizisten, keinen Arzt, keinen Richter und keinen Kiffer. Es ist eben ein „vermurkstes Gesetz“, wie Brandenburgs Innenminister Stübgen es nannte. Das Gesetz, das keiner will, kommt nun wahrscheinlich trotzdem – scheinbar als reiner Selbstzweck. Aber wenigstens hat die Ampel einen Punkt im Koalitionsvertrag abgehakt.

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