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Klimapolitik

Bundesregierung setzt Milliarden mit gefälschten chinesischen CO₂-Zertifikaten in den Sand

Deutsche haben wohl Milliarden für CO₂-Ausgleichs-Zertifikate gezahlt, die gefälscht waren: Es handelt sich um einen riesigen Betrugsskandal, in den das Umweltbundesamt fahrlässig hineingetappt ist.

Die Bundesregierung stellt die Klimapolitik-Strategie vor, Dezember 2023

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„Was die Dimension angeht: Es handelt sich nicht um Peanuts, sondern um einen Milliardenschaden“, erklärte der CDU-Umweltexperte Christian Hirte bei einem öffentlichen Fachgespräch mit Branchenvertretern im Bundestag. Es geht um einen internationalen Betrugsfall, in den der deutsche Staat gestolpert ist: Ökoprojekte zur CO₂-Einsparung im Ausland, die aus Deutschland finanziert wurden, waren wohl nur vorgetäuscht, das grün geführte Umweltbundesamt hat bei der Prüfung offenbar massiv versagt.

Es ist einer der wohl größten Betrugsfälle in der deutschen Klimapolitik – auf Kosten deutscher Autofahrer. Beim Spritpreis, den sie bezahlen, sind nämlich teure Umweltschutz-Projekte eingepreist, die die Ölkonzerne finanzieren, um so gesetzlichen Klimavorgaben zu entsprechen.

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Betrug in China

Mineralölkonzerne sind in Deutschland nämlich verpflichtet, die durch Benzin und Diesel verursachten Treibhausgasemissionen kontinuierlich zu senken. Entsprechende Minderungsquoten dafür werden von der Bundesregierung festgelegt. Dabei können die Konzerne etwa fünf oder zehn Prozent Biosprit in die Kraftstoffsorten E5 und E10 mischen, aber oft sind weitere Maßnahmen nötig, um nominell diese Ziele zu erreichen. Längst hat sich dazu eine ganze Industrie gebildet:

Projekte im Ausland, bei denen dort etwa im Öl- und Gassektor Emissionen eingespart werden. Die können Ölkonzerne in Deutschland dann finanzieren und bekommen sie bei entsprechender Anerkennung der Zertifikate für ihre Klimabilanz hierzulande gutgeschrieben. „Upstream Emission Reductions“, kurz UER, nennt man diese CO₂-Sparprojekte.

Aber viele dieser Projekte gab es offenbar gar nicht. Ein Beispiel von vielen: Rund 80 Millionen Euro flossen an ein angebliches Klimaschutzprojekt in der chinesischen Provinz Shandong, das sich bei der Überprüfung als verlassener Hühnerstall herausstellte.

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Ein Vor-Ort-Besuch des ZDF-Magazins Frontal bestätigte damit Recherchen von deutschen Bioenergie-Unternehmen, ausgelöst durch den Hinweis eines chinesischen Whistleblowers. In Summe über 60 ähnliche Verdachtsfällen in China könnten damit einen Schaden von mehr als 4,5 Milliarden Euro angerichtet haben, so eine Schätzung des „Hauptstadtbüros Bioenergie“, eine Interessenvertretung der Branche, laut Welt. Erst nach langem Hin und Her hatte das Umweltbundesamt dann im Mai die Staatsanwaltschaft und das Auswärtige Amt einbezogen und bei chinesische Behörden um Amtshilfe gebeten.

Viel zu spät – so lautet die Kritik von Bioenergie-Verbänden und Oppositionspolitikern bei der Anhörung: „Durch fehlerhafte Zertifizierungen und schlampige Kontrollen deutscher Behörden ist nicht nur ein horrender finanzieller Schaden entstanden, sondern auch ein massiver Vertrauensverlust in Klimaschutzprojekte im Ausland“, so Anja Weisgerber, klimapolitische Sprecherin der Union im Bundestag, zu Welt.

Luftnummer Klima-Zertifikat

Dieser Zertifikatehandel ist international umstritten und für seine Betrugsanfälligkeit bekannt – jetzt zeichnet sich ab, dass Millionen Autofahrer meist wohl für Fake-Projekte gezahlt haben. Vom Umweltbundesamt (UBA) und der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHST) wurden 75 UER-Projekte genehmigt – fast alle in China, obwohl das Land nur fünf Prozent der globalen Ölproduktion ausmacht.

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Nach dem Einschalten privater Ermittler in China, gehen Bioenergie-Firmen davon aus, dass in 62 von 75 Fällen ein dringender Betrugsverdacht besteht. In zwölf Fällen habe man noch keine eindeutigen Schlüsse ziehen können. „Wir haben unter den 75 Projekten, die auf die deutsche THG-Quote angerechnet wurden, nur ein einziges gefunden, das unverdächtig ist“, sagte Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie.

„Dann kann man die gesamte Energiewende vergessen“

Eine tatsächlich unabhängige Kontrolle der Projekte durch deutsche Behörden findet offenbar kaum statt: Amtspersonen zur Kontrolle lässt Peking nicht einreisen. Bereits im vergangenen Jahr sorgte ein Skandal um falsch etikettierte Biodiesel-Importe aus China für Schlagzeilen. Es wäre also bereits der zweite Betrugsfall rund um Klimazertifikate innerhalb von zwei Jahren.

Der Import billiger und angeblich „grüner“ chinesischer Klimazertifikate bringt die Klimastrategie der Bundesregierung und EU-Kommission jetzt ordentlich in Bedrängnis: „Es gibt einen erheblichen Vertrauensverlust in die Kontrollsysteme“, sagte Detlef Evers vom Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe: „Wenn sich niemand sicher ist, dass hier fairer Wettbewerb herrscht, wird man das Investieren lassen, und dann kann man die gesamte Energiewende vergessen.“

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Zum Teil überprüften deutsche Behörden offenbar nicht mal die Geodaten von UER-Projekten. Aus denen und einem Blick auf Google Maps wäre nämlich hervorgegangen, dass manche der vermeintlichen Projekte tatsächlich nur auf unbebaute Orte in der Wüste der chinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang sind.

Intensiv geprüft? Wohl kaum

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, meinte nun bei einer Anhörung, seine Behörde hätte bei der Überprüfung der Vorwürfe enge Grenzen gehabt, dennoch aber 40 Projekte ins Auge genommen und dann vier Anträge gestoppt. Er spricht von einem „Betrugsgeflecht“. Besonders auffällig sei, dass zwei deutsche Gutachterbüros sich die zweifelhaften Zertifizierungen stets gegenseitig bestätigten hätten.

In der Frontal-Sendung von 28. Mai meinte er noch, 30 Projekte „intensiv geprüft“ zu haben. Auf Anfrage von Welt am Sonntag erklärte allerdings der Mineralölkonzern Shell, ein sogenannter Lead-Partner mehrerer UER-Projekte in China, zwei Tage später: „Wir wurden zu keinem der UER-Projekte, bei denen wir als Lead Partner auftreten, von der DEHSt bzw. dem UBA im Rahmen dieser Nachprüfungen angefragt.“ Wie gründlich war also Messners „intensive Prüfung“ tatsächlich?

„Das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium haben völlig versagt“, meint jedenfalls Christian Hirte, der Berichterstatter für Umweltrecht in der Unionsfraktion: „UBA-Präsident Messner und die zuständige Ministerin Lemke haben diese Zustände entweder stillschweigend hingenommen oder sie haben ihren eigenen Laden nicht im Griff.“ Wenn sich herausstellen sollte, „dass Präsident Messner und Ministerin Lemke nicht in vollem Umfang aufklären können, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie die Richtigen für diese Aufgabe sind.“

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