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„Gesichert rechtsextrem“

Brandenburgs Innenministerin stellte sich gegen eine Hochstufung der AfD – plötzlich verkündete sie diese selbst

Die Entlassung des brandenburgischen Verfassungsschutzchefs soll, trotz gegenteiliger Darstellung des Innenministeriums, doch aufgrund seines Eintretens für eine Hochstufung der AfD erfolgt sein. Wurde die Ministerin nach der Entlassung unter Druck gesetzt?

Die Entlassung des ehemaligen Verfassungsschutzchefs Jörg Müller sorgt in Brandenburg für Diskussion

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Seit der Entlassung des Brandenburger Verfassungsschutzchefs Jörg Müller am Dienstag tauchen immer mehr Fragen bezüglich der Hintergründe dazu auf. Das brandenburgische Innenministerium sagte zur Entlassung anfangs noch: „Das notwendige Vertrauen für eine gemeinsame weitere Zusammenarbeit sei nicht mehr gegeben.“ Weiter führte das Ministerium unter der Führung der SPD-Politikerin Katrin Lange die Entscheidung nicht aus. In Brandenburg ist der Verfassungsschutz dabei als Abteilung des Innenministeriums organisiert.

Öffentlich sorgte diese knappe Kommunikation für große Verwunderung in der Landespolitik. Innenministerin Lange wurde öffentlich aus der eigenen Partei angegangen. „Ich bin irritiert, dass ein langjähriger, zuverlässiger Verwaltungsbeamter wie Müller, der eine klare Haltung für den demokratischen Rechtsstaat vertritt, entlassen wird“, sagte etwa der SPD-Landtagsabgeordnete Erik Stohn.

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Noch am Dienstag, als Müller entlassen wurde, berichtete die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ), dass der Verfassungsschutzchef sich intern für eine Hochstufung der AfD eingesetzt haben soll – offenbar hätte es Meinungsverschiedenheiten diesbezüglich mit der Innenministerin gegeben. Das hätte, so die Darstellung der MAZ, zur Entlassung Müllers geführt.

Am Tag nach der Entlassung kam plötzlich die Wende: Überraschend verkündete die Innenministerin, dass die Brandenburger AfD bereits seit Mitte April durch den Verfassungsschutz des Landes als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden ist. Überhaupt sei die Entlassung Müllers aufgrund von fehlender Kommunikation erfolgt – der bisherige Verfassungsschutzchef hätte die Ministerin über die Einstufung der AfD erst am Montag in Kenntnis gesetzt.

Doch dann kam die Aussage von Innenministerin Katrin Lange vor dem Innenausschuss des Landtags, über die die Welt berichtete, die zahlreiche Fragen aufwirft. „Das Ergebnis, dass es jetzt so ist, mit Stempel und Unterschrift, ist mir am 5.5. zugegangen und nicht vorher“, sagte sie auf mehrfache Nachfrage, wann sie von der Hochstufung der AfD erfahren hätte.

Die Welt berichtet unter Berufung auf interne Quellen aus dem Innenministerium nun aber, dass der Innenministerin bereits spätestens im April mitgeteilt wurde, dass der Verfassungsschutz die Brandenburger AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft hatte. Dass die Behörde das plant, war öffentlich bereits im vergangenen Dezember bekannt geworden, als die Süddeutsche Zeitung über ein entsprechendes Gutachten berichtet hatte.

Dem Eindruck widerspricht Lange mit ihrer Aussage vor dem Innenausschuss scheinbar – doch eben der Ausdruck „mit Stempel und Unterschrift“ könnte die Aussage erklären: Laut Welt erhielt Lange bereits Mitte April einen Entwurf des fertiggestellten Gutachtens – jedoch eben ohne „Stempel und Unterschrift“.

Doch Lange, so berichtet die Zeitung, versuchte die Einstufung zu verzögern und sogar gänzlich zu verhindern. Ihr sei, das gab das Innenministerium gegenüber der Welt zu, bis vor kurzem nicht bewusst gewesen, dass seit 2023 in Brandenburg eine interne Regelung gelte, dass nicht der Innenminister, sondern der Chef der Abteilung für Verfassungsschutz die Entscheidung über die Einstufung von Parteien und anderen Organisationen treffe.

Als Lange dann am 5. Mai doch einen Entwurf „mit Stempel und Unterschrift“ erhielt, obwohl sie sich gegen eine entsprechende Einstufung ausgesprochen hatte, soll das zur Entlassung Müllers geführt haben, so die Welt. Die interne Regelung, dass der Verfassungsschutzchef über die Einstufung von Parteien unabhängig entscheidet, ist, wie die Innenministerin im Innenausschuss klargestellt hat, wieder abgeschafft worden.

Nach dem Bericht von Welt ist klar, dass die öffentliche Darstellung der Innenministerin vom Mittwoch so nicht stimmt. Doch da stellt sich die Frage: Warum änderte die Innenministerin einen Tag nach der Entlassung Müllers ihre Begründung und ließ dazu auch noch öffentlich die Einstufung der Brandenburger AfD verkünden, obwohl sie intern eigentlich dagegen war?

Bis dahin hatte Lange sich rein formell eigentlich nichts zu Schulden kommen lassen: Sie hatte als Innenministerin die Entscheidungsgewalt, Müller zu entlassen. Die interne Regelung, dass der Chef des Verfassungsschutzes über die Einstufung von Parteien entscheidet, durfte sie ebenfalls wieder aussetzen. Ihre Position durch eine nun offenbar falsche Aussage vor dem Innenausschuss aufs Spiel zu setzen, erscheint deshalb wenig sinnvoll.

Die Abfolge der Ereignisse erweckt den Eindruck: Lange scheint unter Druck gesetzt worden zu sein – durch wen, ist unklar. Die gesamte Situation zeigt jedoch: Der Verfassungsschutz ist auch in Brandenburg nicht immun gegen politische Beeinflussung – die Einstufung der AfD wird durch den Inlandsgeheimdienst nicht unabhängig getroffen, sondern zu einer hochpolitischen Entscheidung. Innenministerin Lange stellte sich gegen eine Einstufung, nur um dann unter Druck wieder zurückzurudern. Die Aussagekraft der Einstufung leidet dadurch ohnehin deutlich.

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19 Kommentare

  • Diese Politiker sind alle gesichert inkompetent. Was für eine kleingeistige Politik, was für ein Schmierentheater um die AfD, um den Versuch, die wichtigste Oppositionspartei zu dämonisieren, oder „auszuschalten“, wie es ein CDU-Politiker formuliert hat. Diese Politiker sollten sich schämen.

  • Vermutlich hat Frau Lange eins auf den Deckel gekriegt, weil sie damit „unserer Demokratie“ in den Rücken gefallen ist.

  • Ziemlich verworrene Angelegenheit. Blicken die Beteiligten noch selber durch?

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  • Das einzige politische Programm des 5er Blocks, egal ob Land oder Bund, ist der Krampf gegen die AFD und das ist einfach zu wenig.

  • Gesichert ideologische Dilettanten.

  • Druck vom Ministerpräsidenten?
    …kurzer Anruf?
    …kleiner Dienstweg?

    seit 28. August 2013 im Amt
    –>Ministerpräsident Dietmar Woidke, SPD

  • Da weiß die linke Hand nicht was die Rechte tut.

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  • Beunruhigende Frage: Ist der Föderalismus (Jedes Bundesland hat eine eigene Verfassung, ein Parlament, eine Regierung und eigene Gerichte) während der Regentschaft Faesers unter die Räder gekommen? Was allein in den letzten Tagen ans Licht gekommen ist, lässt Spekulationen diesbezüglich zu.

  • Die letzte Wahl in Brandenburg war 2024, die nächste ist 2029. Es ist taktisch unklug vier Jahre vor der nächsten Wahl so eine Einstufung vorzunehmen, da jetzt die AfD alle Zeit hat durch alle rechtlichen Instanzen zu gehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die AfD gewinnen. Und dann ist zur nächsten Wahl das Pulver verschossen.

  • Dieses „wer abweicht vom Narrativ wird fertiggemacht“ erinnert mich doch sehr an die Coronazeit. Das wird noch vielen CDU-Politikern so gehen. Die CSU wird diese Brandmauer noch zerreißen. Noch vor der Hälfte der Legislatur geht der Riss in der Gesellschaft auch mitten durch die Union. Und in Bayern gibt es gleich 2 oder sogar 3 Alternativen.

  • Solche Politiker verhalten sich verfassungsfeindlich, untergraben die Demokratie, wenden autoritäre Methoden an, missbrauchen ihre Macht (die nur temporär verliehen wurde), sie sind Staatsfeinde.

  • Resterampenschauspiel

  • Das unsere Politiker in Gesamtheit mehr oder weniger reine Marionetten sind, sollte spätestens nach der 180 Grad Wende des F.Merz zum Thema Grenzschliessungen jedem klar sein.

    Wer jedoch die Fäden hält und die Puppen tanzen lässt, da gehen die Meinungen doch noch auseinander.

  • Na, da hat der Eisbär wohl mal kurz telefoniert.

  • Ich hab das gestern so verstanden, dass die lediglich sauer war, dass das Gutachten nicht umgehend bei ihr auf dem Tisch lag.

    Allerdings habe ich auch éine andere Leseart als der Durchschnitt hier. Eher analytisch, nicht Echokammer.

    -28

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