Am Donnerstag schrieb der Spiegel-Journalist Anton Rainer: „Wenn ich richtig zähle, sind die Menschen, die Hubert Aiwanger noch in der Regierung sehen: Ein Ex-FAZ-Herausgeber, Helmut Aiwanger, ein FAZ-Kolumnist und die ehemalige Jugend-Redaktion von Tichys Einblick.“ (Gemeint war Apollo News).
In diesen Stunden standen tatsächlich alle Zeichen auf den Sturz Aiwangers – selbst bei den Freien Wählern sah man kaum mehr eine Chance. Doch dann passierte ein kleines Wunder: Eine Machtverschiebung, deren Folgen wir erst in Wochen und Monaten absehen werden können. Es ist etwas passiert, mit dem man weder in Berlin noch in München bei Markus Söder gerechnet hat: Eine Bierzelt-Revolution baute derartigen Druck auf, dass Söder lieber bereit war, die versammelte Bundespresse zu verärgern und Aiwanger im Amt zu behalten.
„Allein der Anschein reicht“
Die Reaktionen der gescheiterten Jäger: Beleidigte Leberwurst. Der Spitzenkandidat der bayerischen SPD, Florian von Brunn (für den blass gar kein Ausdruck ist) schreibt: „Dass die CSU unter Markus Söder einen aktiven Rechtspopulisten und früher auch rechtsradikal tätigen Aktivisten als Stellvertreter in der Regierung akzeptiert, ist ein negativer Höhepunkt in der Geschichte von Nachkriegsdeutschland.“ SPD-Politikerin Katarina Barley spricht von „einem ignoranten, skrupellosen Provinzpolitiker und einem schwachen konservativen Ministerpräsidenten.“ Und die bayerische Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze entlarvt sich selbst, indem sie sagt: „Allein der Anschein von Antisemitismus in der Staatsregierung schadet dem Ansehen Bayerns.“ Allein der Anschein reicht also, um jemanden zu entlassen – mehr braucht man nicht zu wissen, über die Standards der Kampagne gegen Aiwanger.
Den Vogel abgeschossen hat aber Renate Künast. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, zeigte auf Twitter nämlich Verständnis für Söders Entscheidung, Aiwangers im Amt zu behalten. Künast kommentiert: „Ich verstehe Sie nicht Frau Knobloch“.
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Lehrer hinter Aiwanger-Vorwürfen kandidierte für die SPD
Der ehemalige Deutschlehrer von Hubert Aiwanger prahlte damit, das Flugblatt zu besitzen und es gegen Aiwanger einsetzen zu wollen. Nach unserer Recherche ist er SPD-Lokalpolitiker – daher nennen wir seinen Namen.Auch interessant:
Die Hintermänner einer Medienkampagne – Mitschüler nehmen Aiwanger in Schutz
Apollo News sprach mit zahlreichen ehemaligen Mitschülern von Hubert Aiwanger. Von einer dezidiert rechtsextremen Gesinnung erzählt niemand, die medialen Attacken empfinden sie eher als befremdlich. Wiederholt weisen sie auf den Hintergrund der Attacke auf Aiwanger hin – die Spur führt zur SPD.Sie haben die Nerven verloren. Es ist wohl der Höhepunkt der Peinlichkeit, als SPD-Politiker nach Scheitern ihrer dilettantischen, wenngleich brutalen Kampagne, auf die Tränendrüse drücken und sich zum Quasi-Widerstandskämpfer gegen einen neuen Faschismus gerieren wollen.
25 Fragen oder: Als Söder sich selbst eine Kröte schlucken ließ
Dabei waren sich doch alle schon so sicher, dass Aiwanger weg ist, an jenem Donnerstag. Was ist passiert? Aiwanger tingelte von Dorffest zu Dorffest und überall, wo er war, erwarteten ihn „Hubsi“-Rufe und Standing Ovations – auch Söder kann davon nur träumen. Die CSU-Basis machte Druck und Umfragen zeichneten ein mehr als eindeutiges Bild: In Bayern ist eine überwältigende Mehrheit für Aiwangers Verbleib im Amt. Befeuert wird das sicherlich auch dadurch, dass sich immer stärker zeigt, wie schmutzig und kalkuliert die Kampagne gegen Aiwanger aus der SPD aufgezogen wurde.
Und der Opportunist Markus Söder hält sein Segel in den Wind: bei der CSU ist man zu der vermutlich richtigen Einschätzung gekommen, dass ein Rausschmiss Aiwangers eine erdrutschartige Niederlage bei den anstehenden Wahlen auslösen würde. Und so wirkt Söder bei seiner Pressekonferenz wie ein Getriebener; und mit finsterer Miene tritt er vom Podium ab. Ohne Not und Kontext schließt er eine schwarz-grüne Koalition aus. Dieser Satz zeigt mehr als alles andere: In diesen Stunden hat der Druck des Bierzelts den Druck der aus nahezu allen Rohen schießenden Hauptstadtpresse ausgestochen und war längst Söders größte Sorge geworden.
Eigentlich hatte er das freilich ganz anders geplant. Liest man die 25 Fragen an Aiwanger und ihre Antworten, empören sich viele über die merkwürdig schmallippigen Antworten Aiwangers. Auch durchaus zurecht – nicht weil eine falsche Krisenkommunikation etwas wäre, das man einem Politiker in der Sache vorwerfen könnte. Aber weil die Antworten in jedem Satz eine Unverschämtheit gegenüber dem Leser sind und unehrlich zudem. Allerdings wird dabei oft vergessen: Genauso unverschämt und geradezu lächerlich sind die 25 zusammengeschusterten Fragen von Söder. Er wollte hier Aiwanger wie einen Schuljungen züchtigen – der wiederum reagierte trotzig. Und so bekamen alle, was sie verdienten.
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Warum Hubsi bleiben muss
Söder will Aiwanger abschießen – die machtpolitische Motivation ist offensichtlich. Bei den Freien Wählern spielt man sein Spiel nicht mit. Die Kampagne gegen Aiwanger ist eine Machtdemonstration und ein Angriff auf die politische Kultur: Söder darf Aiwanger jetzt nicht fallen lassen.Auch interessant:
Die erschreckenden Jugendsünden von Grünen- und SPD-Politikern, die jetzt Aiwangers Rücktritt fordern
Holocaust-Witze, Mordphantasien, Mord-Ermittlungen, Pädophilie, Genozid-Unterstützung, DDR-Freundschaft: Die Liste der schockierenden „Jugendsünden“ von SPD- und Grünen-Politikern. Wenn Aiwanger zurücktreten muss, müssen die Grünen ihre Partei auflösen.Natürlich war es Söders Kalkül Aiwanger auf Basis dieser Fragen zu entlassen und die Macht innerhalb der Koalition zu seinen Gunsten zu verschieben, das ist in Koalitionskreisen die absolut einhellige Analyse. Aber das klappte nicht – und so musste Söder die Kröte selbst schlucken, die er eigentlich gerade gefangen hatte, um sie dem Aiwanger reinzuwürgen. Jetzt musste Söder auf Basis von eigentlich in keiner Weise ernsthaft beantworteten Fragen eine Belassung Aiwangers im Amt rechtfertigen. Es gelang dennoch irgendwie, schließlich wollten seine Wähler nur hören, dass er Aiwanger behält und nicht warum.
Im Blutrausch verrannt
Die Folgen dieser spektakulären Wende im Fall Aiwanger werden uns noch lange beschäftigen. Denn erstens zeigt es der Basis, dass sie stärker sein kann – und zweitens zeigt es Politikern, dass man so einen Mediensturm auch überleben kann.
In Amerika gab es im Fall Kavanaugh eine vergleichbare Entwicklung, als die versammelte Presse sich auf Missbrauchsvorwürfe gegen einen Richter einschoss, den Trump in den Supreme Court berufen wollte. Die Vorwürfe blieben unbewiesen. Trotz gewaltiger Kampagne setzten die Republikaner die Ernennung durch und bescherten Trump einen der größten Siege seiner Präsidentschaft. Seitdem ist bei den Republikanern nichts mehr wie es war. Die Presse hat jede Macht über sie verloren. Hätte es dort einen Shitstorm wie jetzt gegen Aiwanger gegeben, dann hätte man – und zwar egal bei welchem republikanischen Kandidaten – darauf nicht mal reagiert.
Für eine Gesellschaft zuträglich ist dieser Relevanzverlust nicht, fällt damit nicht nur eine Kontrollinstanz über Politik weg, sondern wandert die Politik dann in den Kulturkampf-Schützengraben und verliert jedes vereinigende Element.
Diese Niederlage aber hat sich die Presse selbst zuzuschreiben. Wer so gnadenlos agiert, wer sich so im Blutrausch verliert und denkt seine Brutalität aus dem journalistischen Geschütz an der Spree allein, könne statt des Wählers entscheiden, wie in Bayern Politik gemacht wird, der verliert zurecht das Ohr seiner Opfer. Die Folgen dieser Entwicklung werden wir in den nächsten Monaten sehen, man kann die Bedeutung aber kaum überschätzen. Es könnte ein echter Wendepunkt sein.
Aus meiner Sicht hatte nicht zuletzt die Recherchearbeit dieses Magazins einen maßgeblichen Anteil daran, dass es gut ausgegangen ist.
Sehr geehrter Max Mannhart, wieder einmal ein sehr guter und treffender Kommentar!
Die Bescheidenheit verbietet es, ich als Leser kann es aber sagen: Ich finde, Sie und Ihre fleißige Redaktion haben auch ganz maßgeblich dazu beigetragen, journalistische (und moralische!) Standards aufrechtzuerhalten, als viele andere ins Schwimmen gerieten.
Das ist nicht unbemerkt geblieben.
So muss unabhängiger Journalismus aussehen! Apollo-News gibt einem wirklich ein Stück Hoffnung zurück.
Danke dafür und weiter so!
Hochachtungsvoll
Karl Krumhardt
Die Annahme: es sei ein Wendepunkt, ist ein Trugschluss.
Die alte Bundesrepublik wiederholt nur die Spielchen der vergangen Jahrtausende. Denn in der Konformität (folgt nach der Pubertät) bestimmt das Gefühl Zugehörigkeit den Selbstwert. Dazu wird kontinuierlich die in- und out-group als ‚wir‘ und ‚die anderen‘ definiert.
Zitat: ‚Erst ab dem vierten Stadium sind Menschen in der Lage, andere Interessen und Lebenswelten zu erkennen und sie gedanklich im Sinne eines Interessenausgleichs zu bearbeiten.‘
Quelle: Moralentwicklung
Ein Interessenausgleich war nicht mal im Ansatz zu erkennen, sondern Gruppendenken in Reinkultur.
Genau deshalb ist eine Eskalation bis zum gesellschaftlichen Kollaps notwendig, um eine Besinnung zu ermöglichen. Denn der Verstand kann es nicht lösen – Myside Bias.
Zitat: ‚Es gibt keine empirischen Beweise dafür, dass mehr Wissen oder Intelligenz oder Reflexivität … Werte / -Nutzen-Diskrepanzen auflösen könnte.‘
Quelle: Keith E. Stanovich, Myside Bias
Die DDR 1.0 entschied sich nach der Grenzöffnung für eine Wiedervereinigung, weil der gesellschaftliche Kollektivismus durch einen Austausch der Politiker sicht nicht geänderte hätte.
Die alte Bundesrepublik ist zur DDR 2.0 im Endstadium mutiert, wobei niemand sie in einer Wiedervereinigung retten könnte.
Daher bleibt das Schauspiel bis zum bitteren Ende auf der Bühne.
Was die da oben Berlin übersehen haben: Das war nicht nur ein Angriff auf Aiwanger, sondern es war ein Angriff auf eine ganze Region und ein breites mittelständisch-bäuerliches, bayerisch-bodenständiges Milieu. Ich stamme es diesem Milieu und habe es als solchen empfunden. Deshalb empfinde ich große Genugtuung, dass Aiwanger durchgehalten hat.
Liebe Apollo-Redaktion, ihr seid mutig und gut.
Wie wäre es, einmal Material über Faeser zu sammeln? Und laut zu fragen, wie es sein kann, dass ihr Duzfreund und ehemaliger DDR-Politoffizier mit einschlägiger Erfahrung auf dem Posten sitzt, auf dem er sitzt? „Jüdische Randnotiz“ – in meinen Augen ist so etwas in der Nähe von Rechtsradikalen.
Die SZ und der Herr Lehrer haben doch eine gute Wahlempfehlung gegeben und selber auch die Begründung geliefert. Danke hierfür (auch wenn wir die vor Jahren abbestellte SZ sicher nicht wieder kaufen). Leider kann man im Gegensatz zur SZ die Zahlungen z.B. für den BR nicht einstellen und dort agiert man lustig weiter. Offenbar hat man begriffen, dass die Faktenlage ausgesprochen dünn ist, so dass man nun versucht mit drehen der Vorwürfe (es geht nun um eine Entschuldigung bzw. die Art der Entschuldigung – wäre nicht eine der SZ und des Lehrers angebracht?) gegen Herrn Aiwanger Stimmung zu machen. Irgendwie schon peinlich das stete Nachtreten.
Zum Trost scheint Talk in Hangar 7 wieder zu kommen – dort darf es mehr als eine Meinung geben.
Aiwanger haette Soeder die Fragen um die Ohren hauen muessen oder wenigstens alle mit LMAA beantworten muessen.
Leider ist Aiwanger so schwach wie Soeder!