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Dietrich Murswiek

Staatsrechtler fordert Abgeordnete zum Votum gegen Merz auf

Der Staatsrechtler Dietrich Murswiek hat in einem Brief an alle Abgeordneten heftig vor den Folgen der Aufnahme von „Klimaneutralität bis 2045“ in das Grundgesetz gewarnt. Die Abgeordneten sollten der Abstimmung in Bundestag am Dienstag fernbleiben.

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Dietrich Murswiek ist Staatsrechtler.

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Der Staatsrechtler Dietrich Murswiek hat in einem offenen Brief alle Bundestagsabgeordneten dazu aufgefordert, das Schuldenpaket von Union, SPD und den Grünen bei der am Dienstag stattfindenden Abstimmung im Deutschen Bundestag abzulehnen oder der Abstimmung fernzubleiben. Grund dafür sei die gefährliche Formulierung „Klimaneutralität bis 2045“, die in das Grundgesetz kommen soll. Der Brief liegt Nius vor.

Diese Formulierung hätte aus Murswieks Sicht folgenschwere juristische Konsequenzen für die Zukunft. Er warnt des Weiteren, dass die Eile der Entscheidung, die Friedrich Merz an den Tag legt, den Abgeordneten nicht genügend Zeit gebe, sich umfassend mit den Folgen der Entscheidung auseinanderzusetzen. Die verbleibende Zeit reiche nicht aus, sich „so gründlich zu informieren, dass eine verantwortbare Entscheidung möglich ist“, so der Staatsrechtler.

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In seinem Brief schreibt der Rechtswissenschaftler: „Durch die Aufnahme des Zwecks der ‚Erreichung der Klimaneutralität bis 2045‘ erhält der gemäß dem Gesetzentwurf vorgesehene neue Art. 143h GG eine völlig neue Dimension. Die neue Formulierung kommt plötzlich und überraschend, und man hat den Eindruck, dass den meisten Abgeordneten die mit dieser Formulierung verbundenen verfassungsrechtlichen Implikationen – von den ökonomischen und ökologischen Problemen, die damit verbunden sind, ganz abgesehen – überhaupt nicht bewusst sind.“

Kann nur den Sinn haben „etwas hineinzuschmuggeln“

So sei es etwa „dem Wortlaut nach (…) nicht ersichtlich, wie man Investitionen, die der Vermeidung von CO₂-Emissionen dienen, von Investitionen, die der ‚Erreichung der Klimaneutralität bis 2045‘ dienen, unterscheiden soll“, schreibt der Staatsrechtler. Entsprechend könne die Aufnahme der „Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ „nur den Sinn haben, ein neues Staatsziel in das Grundgesetz hineinzuschmuggeln, ohne dass dies in den parlamentarischen Beratungen als Staatsziel thematisiert und im Hinblick auf seine möglichen Auswirkungen thematisiert und gerechtfertigt wird“, vermutet Murswiek.

Juristisch könnte das viel ändern, befürchtet er: „Es besteht das Risiko, dass künftige Klimaschutzklagen dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung und dem Bundestag vorschreibt, noch viel weitergehende CO₂-Vermeidungspflichten für Privathaushalte (Heizungen), Verkehr (Verbrennerverbot) und Industrie zu beschließen als bisher vorgesehen“, so Murswiek weiter. „Art. 143h GG könnte insoweit vom Bundesverfassungsgericht nämlich als verfassungsrechtliche Konkretisierung des Umweltschutzstaatsziels gemäß Art. 20a GG angesehen werden.

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Nachdem das Bundesverfassungsgericht sogar ein einfaches Gesetz – das Klimaschutzgesetz – als Konkretisierung des Art. 20a GG angesehen hat, ist diese Annahme naheliegend“, summiert der Jurist in seinem Schreiben an die Abgeordneten. Wenn die Formulierung „bis 2045“ nicht gestrichen werden würde, warnt Murswiek von „unabsehbaren verfassungsrechtlichen Konsequenzen“. Es müsse „dann mit erfolgreichen Klimaklagen gerechnet werden, die zu CO₂-Reduktionspflichten führen, welche die wirtschafts- und haushaltspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestages in mindestens den nächsten drei Legislaturperioden drastisch einschränken und die deutsche Industrie ruinieren könnten“.

Als ebenfalls nennenswerte Gefahr empfindet er die Unklarheit über die fehlende Beschränkung dahingehend, ob wirklich nur 100 Milliarden für die Klimaneutralität eingeplant seien und nicht noch viel mehr aus dem Sondervermögen. „Um sicherzustellen, dass nach Abzug der 100 Milliarden Euro für die Erreichung der Klimaneutralität und der 100 Milliarden Euro für Investitionen der Länder 300 Milliarden Euro für andere Investitionen des Bundes übrig bleiben, muss klargestellt werden, dass die zusätzlichen Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität ausschließlich aus den dem Klima- und Transformationsfonds zugewiesenen 100 Milliarden Euro finanziert werden“, fordert Murswiek daher.

Verantwortbare Entscheidung unmöglich

Ein wesentlicher Punkt seiner Kritik bezieht sich auch auf die fehlende Zeit für eine Entscheidung. So fasst der Staatsrechtler zusammen: „Auf die Änderung des Entwurfs des Gesetzes zur Grundgesetzänderung haben sich die Sondierungsparteien mit den Grünen am 14. März geeinigt, und die Änderungen wurden schon am Sonntag, dem 16. März, im Haushaltsausschuss beschlossen. Die möglichen rechtlichen, ökonomischen und ökologischen Implikationen der Änderungen sind so komplex, dass sie nur erkannt und verstanden werden können, wenn man sich vertieft damit beschäftigt.“

Dies sei in der verbleibenden Zeit nicht möglich gewesen, findet Murswiek: „Die verbleibende Zeit reicht nicht aus, sich so gründlich zu informieren, dass eine verantwortbare Entscheidung möglich ist“.

Entsprechend sei es geboten, der Abstimmung am Dienstag fernzubleiben. Friedrich Merz plant am Dienstagvormittag im Bundestag die mit SPD und Grünen verhandelten Schuldenpläne zur Abstimmung zu bringen. Kommt der Antrag durch, so fehlt auf dem Weg zum schuldenfinanzierten Sondervermögen noch die Zustimmung des Bundesrats. Dieser würde sich dann am Freitag mit dem Vorhaben befassen.

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63 Kommentare

  • 2045 werde ich wohl nicht mehr erleben.
    Meine Kinder und Enkel müssen diesen Irrsinn ausbaden. Wenn diese Generation nicht schleunigst aufwacht, hat sich das Thema Wohlstand für sie endgültig erledigt.

    80
  • Mit dem Ziel, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, sind Anforderungen formuliert, denen kein Mensch jemals entsprechen kann. Würde es ins Grundgesetz geschrieben, wäre damit implizit der Bankrott einer hochentwickelten Industriegesellschaft erzwungen. Jeder Abgeordnete, der am morgigen Dienstag dafür stimmt, müsste sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, das Moment der Rationalität ad absurdum zu führen.

    58
  • Merz baut gerade eine Gelddruckmaschine für Blackrock. Mit all dem was Merz da im Moment eintütet, wird Blackrock künftig egal ob auf dem Klageweg oder an den Geschäften, welche aus den Schulden entstehen ,Milliarden für die Anleger scheffeln. Die allerwenigsten und schon gar nicht die Abgeordneten der Grünen und der SPD begreifen was ihnen da serviert wird. Nicht einmal Unionsabgeordnete verstehen was da läuft, denn sonst würden wesentlich mehr dagegen stimmen.

    75
  • Guter Mann! Topp!

  • Staatsrechtler Dietrich Murswiek hat recht: Wer ein solches Ziel in Verfassungsrang erhebt, zementiert politische Inhalte, die sich eigentlich dem demokratischen Diskurs stellen müssten. Was heute als hehres Ziel erscheint, kann morgen zum juristischen Zwang werden – vom Heizungsverbot bis zur Industrieschließung. Das Bundesverfassungsgericht wird nicht zögern, daraus einklagbare Pflichten abzuleiten. Noch gravierender ist die Hast, mit der Union, SPD und Grüne dieses Projekt durchdrücken wollen. Eine solch folgenreiche Entscheidung binnen weniger Tage zu treffen, ist ein Schlag ins Gesicht jeder verantwortungsvollen Gesetzgebung. Was als Meilenstein der Klimapolitik gefeiert wird, ist in Wahrheit ein verfassungsrechtlicher Blindflug.

  • Bundesverfassungsgericht 2021 (Klimaziel 2050)
    „Auch der offene Normgehalt von Art. 20a GG und die dort explizit formulierte Verweisung auf die Gesetzgebung schließen eine verfassungsgerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Klimaschutzgebots nicht aus; Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binden soll.

    Indem der Gesetzgeber das Paris-Ziel in § 1 Satz 3 KSG zur Grundlage erklärt hat, hat er in Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative das Klimaschutzziel des Art. 20a GG zulässig dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies ist auch der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugrundezulegen“.

    9
  • Marcus Tullius Cicero
    „Der Staatshaushalt muß ausgeglichen werden. Der Staatsschatz sollte wieder aufgefüllt werden. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute müssen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.“

  • „Der Staatshaushalt muß ausgeglichen werden. Der Staatsschatz sollte wieder aufgefüllt werden. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute müssen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.“

  • „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ — Jean-Claude Juncker

  • Alles was da gerade passiert hat überhaupt keine Eile, es dient nur dazu diese Dinge mit dem alten Bundestag durch zu prügeln. Weil es mit dem neuen nicht möglich ist. Dieser Merz kann sich den neu gestellten Verhältnissen des neuen Bundestages nicht stellen, denn dann müsste er argumentieren und hart an Lösungen arbeiten. Das liegt diesem Lebemann jedoch fern.

  • Mal eine allgemeine Frage.
    Wo ist eigentlich unser amtierender Bundeskanzler?

    Ob man ihn nun mag oder nicht.
    Da stimmt doch was so gar nicht bei dem ganzen Schauspiel, oder?

    5
  • Wenn man (aus Altersgründen) nichts mehr zu verlieren hat, kann man gaaaanz mutig den Mund aufmachen!

    0
  • Die Leute, die noch gesunden Menschenverstand besitzen und eben keine System-und/oder gewissenlose Emporlinge, die nur ihre eigenen Pfründe sichern wollen sind, sind eben nicht an den entscheidenden Stellen installiert worden.
    Die Menschen dieses Landes werden verraten und verkauft.
    Vor allem die, die diesen Laden noch am Laufen halten, werden wie Zitronen ausgequetscht.
    Es ist ein Trauerspiel zusehen zu müssen , wie dieses Land vor die Hunde geht.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass das deutsche Klimaziel 2045 bereits gegen das Grundgesetz verstößt.

    Niemand darf wegen seiner Herkunft –vom Staat–benachteiligt werden.
    Die EU hat Klimaneutralität bis 2050 beschlossen, 55% Treibhausgaseinsparungen bis 2030.

    Weil wir in Deutschland wohnen und unsere Politik bis 2045 klimaneutral sein will und bis 2030 sogar 65% einsparen will–werden wir benachteiligt.

    5 Jahre mehr Zeit bis 2050 bzw. 10 % weniger Einsparung bis 2030 könnte uns von der weltweiten Forschung entkoppeln und jeden Einzelnen viel Geld kosten.

    Was, wenn bis 2030 so viel e-fuel oder Biogas hergestellt werden könnte, um Erdgas oder Erdöl auf 55% reduzieren zu können?

    Dann könnten wir das nicht nutzen, weil Deutschland 65% beschlossen hat.
    Bisher ist es bereits möglich 10% Bio-Heizöl kaufen zu können–warum sollte das bis 2030 nicht zu 55% möglich sein?

  • Recht und Pflichten gelten nur für (einheimische) Bürger.
    ABER Recht bekommen nicht.

    Die Politik(er) in Berlin sind mit solch lästigen Auflagen nicht gemeint.

  • Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Merz sich seine Kanzlerschaft quasi erkauft. Wir sind zwar nur eine repräsentative Demokratie aber denke das auch nicht im Sinne des Erfinders ist.

  • Was wohl in einer Demokratie passieren würde, wenn nur die Hälfte der Bürger, die diese Pläne nicht umgestzt haben wollen, dies auch endlich per Demonstration äußerten?

    Die Hälfte der AfD-Wähler sind ja schon ca. 5 Mio. Und da noch die Hälfte der anderen oben drauf. Was allein die Anreise bewirken würde!

    Der Souverän könnte alles ändern, sehr schnell sogar.

    Er will es nicht!
    Für Fußball tut er es jedoch.

    Ist nicht das, was die Menschen Schicksal nennen, am Ende das Ergebnis ihrer eigenen, dummen Streiche? (A. Schopenhauer)

  • Das sieht wohl das Ideologische Bundesverfassungsgericht anders ,Eilanträge wurden abgelehnt .

  • Das ist doch gerade der Witz dabei: Die Abgeordneten SOLLEN doch gar nicht lange darüber nachdenken, was sie da beschließen.

    Das ist nur ein Probelauf. Wenn er gelingt, wird es unter der Regierung Merz systematisch genau so weitergehen.

  • Da Herr Merz offensichtlich alle wesentlichen Wahlversprechen gebrochen hat, wäre es doch – zumindest theoretisch – denkbar, auch das Versprechen zu brechen, mit der AfD keine Gespräche führen zu wollen. Ich würde mal davon ausgehen, dass seine Position in den Verhandlungen mit rot und grün plötzlich viel besser ist sobald diese Möglichkeit zumindest nicht mehr kategorisch ausgeschlossen wäre.

  • Und wenn wir erwartbar bis 2045 nicht „klimaneutral“ sind (wie denn auch?) was soll dann passieren? Gehen dann Klagen raus an die letzten 5 Vorgänger-Regierungen? Oder an Vertreter der Großindustrie, sofern sie noch nicht abgewandert sind? Der Turmbau zu Babel beschreibt den Versuch der Menschen, einen Turm zu bauen, der bis in den Himmel reicht, was Gott mit der Sprachenverwirrung und der Zerstreuung der Menschen über die Erde bestrafte. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass es sich sich bei der Erzählung um eine wahre Begebenheit gehandelt hat. Die Resultate in Deutschland jedenfalls deuten darauf hin.

  • Und will die CDU nicht für alle Zeit danach unwählbar bleiben muss sie sich vom linken Flügel komplett trennen und entsprechende Mitglieder hochkant raus werfen.

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  • Hat er ein schnelles Pferd?

  • „… die Eile der Entscheidung ….den Abgeordneten nicht genügend Zeit gebe, sich umfassend mit den Folgen der Entscheidung auseinanderzusetzen.“ Aber genau das ist doch beabsichtigt! Wobei es bei den meisten Abgeordneten der sog. etablierten Parteien sowieso egal ist, wofür sie im Rahmen des Parteienzwanges stimmen – Hauptsache die Diäten fließen weiter. Die zwei, drei Ausnahmen, die es da gibt oder geben soll, spielen im Ergebnis keine Rolle. Und der Aiwanger ist ja auch gerade am kippen.

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  • Die Abstimmung erfolgt namentlich.

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