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Missstände benennen

„Falsch, die AfD in Quarantäne zu stellen“: Otto Schily spricht sich gegen die Brandmauer aus

Der SPD-Politiker Otto Schily spricht sich dafür aus, das Gespräch mit der AfD nicht zu verweigern. Es müsse möglich sein, Missstände im Land benennen zu können, ohne als rechtsextrem diffamiert zu werden.

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Otto Schily, ehemaliger Bundesinnenminister, warnt vor politischer Ausgrenzung der AfD. (IMAGO/Future Image)

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Der frühere SPD-Bundesinnenminister Otto Schily hat sich im Interview mit der Die Welt kritisch zum politischen Umgang mit der Alternative für Deutschland sowie zur wachsenden Empfindlichkeit von Politikern gegenüber persönlicher Kritik geäußert. Er bezeichnete es als „Unsinn“, dass Carsten Linnemann AfD-Chefin Alice Weidel als rechtsextrem bezeichnet habe. „Es muss möglich sein, Missstände zu benennen – etwa aggressiven Islamismus –, ohne gleich in die rechtsextreme Ecke gestellt zu werden.“

Zugleich warnte Schily vor kulturellen und politischen Überdehnungen im gesellschaftlichen Diskurs. „Wenn man Weihnachtsfeste plötzlich als rassistisch oder kolonialistisch diffamiert, während gleichzeitig große Moscheen gebaut werden und vieles andere als selbstverständlich akzeptiert wird, dann treibt man Menschen in die Arme der AfD.“

Schily sprach sich ausdrücklich dagegen aus, den Dialog mit der AfD grundsätzlich zu verweigern oder Vorschläge der Partei allein wegen ihrer Herkunft zu ignorieren. „Ich halte es für falsch, die AfD in Quarantäne zu stellen.“ Merkels zwei große Fehler seien die verfehlte Migrationspolitik und die verfehlte Energiepolitik gewesen. Beides habe die AfD groß gemacht. Es sei nicht gelungen, die Aufnahme von Migranten angemessen zu regeln. „Die ungebremste Aufnahme, ohne klare Steuerung – das ist der Fehler“, so der SPD-Politiker. Gleichzeitig kritisierte Schily, dass die Migrationspolitik heute als Kernthema der AfD wahrgenommen werde. Damit überlasse man das Feld politischen Vereinfachern.

Er spricht sich dagegen aus, die AfD zu benachteiligen, was etwa Posten wie das Amt des Vizepräsidenten im Bundestag oder Ausschussvorsitze angeht. Das Gründungsmitglied der Grünen erinnert im Interview mit Welt an die Anfangszeit der Grünen: Sowohl bei den Grünen als auch bei den etablierten Parteien habe es Menschen gegeben, die nicht miteinander reden wollten. Joschka Fischer und er hätten versucht, das zu durchbrechen, und seien bewusst auf Leute wie Franz Josef Strauß zugegangen. 

Auf die Frage, ob die „Brandmauer“ überflüssig sei, sagt er, dass es auf kommunaler Ebene längst Kontakte gebe. „Ich halte es für falsch, der AfD den Dialog generell zu verweigern.“ Einen Grund, warum ehemalige SPD-Wähler nun die AfD wählen, sieht er darin, dass die SPD das Thema Migrationspolitik 2015 nicht ernst genommen habe.

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Schily beklagt die heutige „Mode, dass Politiker ständig Strafanzeigen stellen“. Es sei unmögllich, dass Habeck Strafanzeige gegen einen Rentner gestellt habe, weil dieser ihn als Schwachkopf bezeichnet habe. „Damit muss man als Politiker leben. Man muss so etwas einfach niedriger hängen.“ Zugleich bemerke er eine Verrohung in den sozialen Medien. Man könne nicht dauerhaft Leute beschimpfen. Die Frage sei, wo man anfange und aufhöre. „Ich persönlich würde nicht jeder Lappalie nachlaufen. Wenn mir jemand ,Idiot’ hinterherruft – soll er doch.“

mra

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99 Kommentare

  • Super Einstellung, klasse Statements. Respekt!

    • Nur Gelaber aus der Reservebank zu vernehmen…

      Denn wenn man Missstände in D. benennen will, folgt AUTOMATISCH die Frage nach der Verantwortung.

      Und da Politik(er) KEINE Verantwortung mehr (über)nehmen im 21. Jh. benennt man eben keine Missstände, im Gegenteil man stellt Behauptungen und andere Realitäten live oder über angekoppelte MSM dar.

      Deutschland ist da wo es ist ausschließlich aufgrund politischem Versagens seit Jahrzehnten. Externe Schocks hat die Politik ebenfalls (teilweise bewusst) falsch angegangen. Seit 2008 befindet sich Deutschland im Dauerkrisenmodus inkl. Nachwirkungen.

      Abwracken, Sprengen, Geld drucken, Outsourcen, Open Border sind NUR 5 Plagen der Menschheit, äh freier Gesellschaften.

      Und solange Verursacher weiter an den Hebeln der Macht sind, kann es NIE besser werden. Permanent waren es UNION und SPD die es zu verantworten haben, im Team oder mit Juniorpartner ABER mit Duldung auf Landesebenen.

    • Altersweisheit?

      • Er hat nichts mehr zu verlieren.
        Es ist auffällig, dass sich schon einige Personen des „öffentlichen Lebens“ aus Politik, Wirtschaft, Medien ganz anders äußern.
        Klar, ein paar linke unverbesserliche gibt auch hier.
        Abschreckendes Beispiel der letzten Tage, der „Gröhlemeyer“ bei Lanz.

        • Otto kann sagen was er will und es passiert ihm nichts, im Gegensatz zu Prof. Norbert Bolz. Das bedeutet, dass er möglicherweise Meinungsfreiheit vorgaukelt, die Beruhigungspille gibt oder vielleicht sogar Gaslighting betreibt. Was es ist, bleibt Spekulation, aber eines ist sicher und zwar dass er dazu gehört.

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    • Kennen Sie überhaupt seine Vita? Ich glaube nicht. Lesen Sie mal bitte sein „Karriere“ durch. Mal schaun‘, ob Sie noch so Enthusiast sind.

    • Absolut!!!

  • Recht hat er. Otto Schily ist einer der wenigen Politiker, die sich in ihrer politischen Entwicklung der Vernunft nicht widersetzt haben. Er galt schon in der SPD eher als „harter Hund“ und eher als rechts.

    • Na, ich weiß nicht. Schöne Worte von einem Hardliner, nur rechts, im Sinne von konservativ, kann ich bei Otto nicht erkennen. Vom überzeugten RAF-Anwalt über die Grünen zum Knüppel-Otto und Schily war immer da anzutreffen, wo es etwas zu holen gab. Vom Saulus zum Paulus mit einem Kubicki-Geschmäckle? Sorry, aber da gehe ich nicht mit!

      • Wichtig ist nur, daß Schily Gleichbehandlung vor dem Gesetz und ideologiefreiheit in der Justiz fordert.
        Damit dürfte er heute ziemlich alleine da stehen…

      • Ich weiß nicht wie alt Sie sind, aber ich konnte die Entwicklung von Schilly aufgrund meines Alter genau verfolgen.

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        • Ich kann mit beiden Interpretationen umgehen, aber wenn Sie im hohen Alter noch unbedingt die Ellenbogen ausfahren müssen, dann ist das „Alter“ nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal, nicht wahr?

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        • Leider merkt man davon in Ihrem Kommentar nichts. Frederico hat vollkommen recht.

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        • … und was genau konnten Sie dabei konstatieren? So genau geht das aus Ihrem Kommentar nicht hervor.

          2
        • Jetzt komm mir bloß nicht mit „fundierten Argumenten“! Hauptsache drauf dreschen so lange es noch geht, nicht wahr Franzi?

          7
    • SPD???

  • Wieder ein Politiker der leider erst nach Ablauf seine Karriere sagt was die Mehrheit denkt und sieht. Wobei das bei Herrn Schilly schon recht amüsant ist. Er hat sich vom ganz linken zum erwachten Menschen gewandelt . . . .

    • Vielleicht. Vielleicht auch nicht….

      • hätte, hätte. Ankerkette…

        • …..Fahradkette! …….Trotzdem er hat eine klare Denk- und Sichtweise, sehr selten bei Sozis!

          1
    • Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

    • Naja der Schily war, als er noch Aktiv in der Politik war, nicht schlecht!

    • „…hat sich vom ganz linken zum erwachten Menschen gewandelt“
      Das passiert mit jedem Sozi, sobald er irgendwie „etabliert“ ist.

    • Ablauf seiner Karriere? – Er kann ja noch Bundespräsident werden.

    • Auch diese Leute genießen plötzlich einen gewissen Schutz, der durch die AFD -durch Thematisierung- erst aufkam. Schily & Co können sich immer öfter äußern, da es vor ihnen Mutigere gab. Eins haben diese Leute gemeinsam, bei der Jagderöffnung fehlten sie.

    • Erwacht? …. Oh Gott…. Alleine dieser Begriff

  • 100% Zustimmung Herr Schilly!

    • Er mag recht haben.
      Jedoch alles nur Theaterdonner.

  • Das war wohl der letzte Innenminister
    der seinen Amt gewachsen war.

    • Erklären Sie bitte mal, wo er in seinem Amt gewachsen sein sollte. Er ist ein purer Opportunist.

  • 2 Möglichkeiten: Entweder der Mann ist weise und meint es ernst, oder er will sich den „Feind“ zum Freund machen, um ihn auf die eigene Seite zu ziehen und so unschädlich zu machen….Tja, wer weiß das schon…

    • Dritte Möglichkeit: Rechts blinken, links abbiegen. Sein Kollege von der FDP hat es vorgemacht und gezeigt, wie es danach Reputation „hagelt“.

  • Danke, Herr Minister, für diese notwendige Intervention!

  • Die grösste Angst der Altparteien ist, dass die AfD Erfolg haben könnte.

    • Absolut richtig.

  • Schily ist ein Großer und Bürger, der immer seine Meinung vertreten hat, auch gegen die Mehrheit. Erst als RAF Anwalt, links der Mehrheit, am Schluss als Innenminister, rechts der Mehrheit. Respekt! Für mich in einer Linie mit Politikern wie Schmidt, FJS und Schröder! Sie stehen, auch wenn der Wind pfeift! Eine aussterbende Art.

    • Von der Sorte gibt es immer nur wenige.

    • Wahrscheinlich haben sie mehr Daumen hoch als Daumen runter bekommen. 50 hoch, 40 runter. Ich verstehe nicht, warum die Anzahl der Bewertungen nicht angezeigt wird. Das ist doch letztendlich entscheidend für die Relevanz!

      • Ich meinte korken etc

    • So könnten Sie seine Grabrede halten. Er ist ein Extrem-Linker; würde ich verkürzt darstellen.

  • Otto Schily spricht eigentlich nur das aus, was in einer Demokratie selbstverständlich wäre. Dass man einander zuhört, auch wenn man anderer Meinung ist. So wie Charly Kirk das tat. „Prove me wrong“.

  • Leute dieser Kategorie leider so selten wie Goldstaub und in der aktuellen Politik so gut wie gar nicht vorhanden

    • Ein RAF-Anwalt. So werde ich ihn in Erinnerung behalten.

  • Es erstaunt mich immer wieder, wie ehemalige links/rot/grüne Politiker eine 180°-Wende hinlegen, sobald sie ex sind.
    Wie kommt das nur?

    • Es ist ein natürlicher Prozess. Denkende junge Menschen fangen progressiv an und enden konservativ. Den umgekehrten Weg gibt es so gut wie nie.

  • Wenn die Mehrheit jenseits der Brandmauer ist, wird Brandmauer zum Problem für die Erbauer.

    Die SPD ist eine 13% Partei. Nur Regierungsbeteiligungen halten sie am Leben. Die werden in den nächsten Jahren nicht wirklich wahrscheinlicher, hinzu kommt noch 3 Jahre Gegenwind aus USA.

    • Und wieso bestimmt eine 13 % Partei die deutsche Politik? Gerne Ihre Erklärung, bitte. Eine 23 % Partei wird ignoriert.

  • Na…das ist mal ein Statement von einer Seite , von der ich es am wenigstens vermutet hätte . Herr Schily hat nicht nur mit der Analyse Recht , sondern gibt auch den Hinweis , wie wir wieder „ WIR „ werden können und was gelebte Demokratie heißt !!
    Ich denke , er spürt es genau , wo so etwas enden könnte !!

  • Otto Schily, das war noch ein Politiker mit Verstand, Anstand und Kompetenz für sein Amt als Innenminister. Solche Leute sucht man heute verzweifelt im politischen Berlin.

    • Ihr „nickname“ sagt alles über Sie. Diese Leute waren der Niedergang und sind es bis Heute. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

  • Wieso äussert er sich erst jetzt pro Dialog mit der AfD? Ich kann’s Euch sagen: weil der gute Herr Schily merkt, der Wind dreht sich, da darf er es jetzt wagen, mit so was um die Ecke zu kommen.

    • Otto Schily ist mit Sicherheit finanziell als auch von seiner Persönlichkeit in der Situation seine Meinung zu äußern, wie er es auch während seiner politischen Karriere getan hat.

    • Quatsch, dem könnte das alles egal sein! Er ist einfach ein hochintelligenter und souveräner Mensch, war er immer und bleibt er, solange er nicht senil wird. Wie hat der es nur unter den Politikertypen ausgehalten?

      • Wenn er „Hochintelligent“ für Sie ist, sagte es mehr über Sie aus. Er wirkte auf mich eher wie ein „Anarchist“. Hat sich ja auch mit dehnen gemeingemacht; als „Verteidiger“.

    • Wieder Ein sauberer Kommentator, der Alles, aber auch wirklich ALLES in’s Negative verzerrt!
      Suche Dir eine Therapie gegen Depressionen!

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    • Wieder Ein sauberer Kommentator, der Alles, aber auch wirklich ALLES in’s Negative verzerrt!

      -18
  • „Damit überlasse man das Feld politischen Vereinfachern.“

    Simplifizierung bringt Vorteile wie bessere Verständlichkeit, höhere Effizienz, klarere Strukturen und reduzierte Kosten, indem sie Komplexität in Prozessen, Produkten und Organisationsstrukturen verringert, was zu fokussierterer Arbeit, weniger Fehlern und schnelleren Entscheidungen führt, aber sie muss intelligent angegangen werden, um nicht wichtige Nuancen zu verlieren und „Simplification Bias“ zu vermeiden.

    Wenn man damit leben kann, es nicht jedem recht machen zu können, spricht nichts dagegen.
    Ansonsten ist das mal ein sehr positives Signal aus der SPD heraus eine nicht gleichgeschaltete Stimme zu hören.

  • Sehr gute Einstellung! Leider Einzelfälle.

  • Er hat so Recht, wie er nun irrelevant ist.
    Bzgl. Migration und Energie – gerade bei diesen beiden Themen – haben die Grünen (seine Ex-Partei) allerdings Merkels Politik bis heute gerne und verschärft fortgeführt und die SPD (seine derzeitige Partei) tut auch nichts dagegen.

  • Bei allen Fehlern der seinerzeitigen Grünen-Mitherrschaft: Schily hat völlig recht. Das waren, wie Schröder auch, noch Politiker mit Ausstrahlung und – bei allen Fehlern, von denen auch sie nicht verschont geblieben sind – in der Summe als nachvollziehbar gute Arbeit zum Wohle der Menschen geleistet haben.

  • Quarantäne trifft es, man sperrt Menschen ein (aus), weil man den VERDACHT hat, sie KÖNNTEN krank sein. Beweisen kann man es nicht!

  • Natürlich hat er recht.
    Und sein Statement zeigt natürlich ganz krass, wie sehr sich nicht nur seine Partei von der täglich erlebten Realität der Menschen entfernt hat.

    Die Politiker der Altparteien leben in einer Blase, in der man nichts anderes mehr wahrnimmt als die eigene, für allein seligmachend gehaltene Ideologie.

    Was früher der hochgeachtete „elder statesman“ war, ist leider heute der „alte weiße Mann“, auf den man nicht mehr hört, weil man alles besser zu wissen glaubt.

    • Wenn er noch aktiv in der SPD wäre,hätte er jetzt ein Partei-Ausschlussverfahren an der Backe.

  • Da sollte der VS mal ein Auge auf diesen Dissidenten werfen.

  • Ja der eiserne Otto.

  • Es ist meine feste Überzeugung, das Viele so denken (CDU ler ,einige Alt -SPDler. Linksgrüne nicht. Die wurden geimpft) .Die Parteidisziplin und Vorgaben hindern diese Leute aber, das offen auszusprechen. Da hängen Posten,Ämter und letztlich viel Geld dran. Ist man Älter und nur noch „einfaches“ Parteimitglied, kann man sich äußern, ohne belangt zu werden ( auf kommunaler Ebene sicherlich anders gelagert). Ein prominentes Beispiel ist Heiner Geißler: Als CDU ler Mitglied bei Attac zu werden damals….Das hätte er sich niemals leisten können, als er noch in führender Verantwortung war.

    • Teil 2: Und so Werte ich auch die Aussage von Schily. Bei Leuten wie Klingbeil oder Stegner usw. ist alles klar, aber wer weiß schon, wie hinter vorgehaltener Hand die Seeheimer innerhalb der SPD denken. Sehen die evtl. ihren Niedergang eher als die Parteispitze?

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