In einem gemeinsamen Brandbrief haben alle zwölf Leiter der Berliner Ordnungsämter die Senatskanzlei auf gravierende Missstände in der Gewerbeaufsicht hingewiesen. In dem Schreiben an den CDU-Bürgermeister Kai Wegner beklagen sie, dass Spätkäufe, Wettbüros, Glücksspielstätten und andere Betriebe kaum noch kontrolliert würden, berichtet der Tagesspiegel. „Das Land Berlin verfügt derzeit faktisch über keine funktionierende Gewerbeüberwachung mehr – mit gravierenden Folgen für Rechtsstaat, Sicherheit und fairen Wettbewerb“, heißt es in dem Schreiben der Leiter.

Die Amtsleiter kritisieren außerdem, dass selbst die Polizei nicht mehr in der Lage sei, wichtige Aufgaben zu erfüllen. Eine funktionierende Gewerbeaufsicht existiere dadurch praktisch nicht mehr, Kontrollen in sensiblen Bereichen wie Spielhallen, Prostitutionsstätten, Pfandleihern oder Finanzvermittlern fänden kaum statt, heißt es in dem Brandbrief. Dadurch hätten sich schon Strukturen in der Hauptstadt gebildet, „die sich offenkundig nicht mehr an geltendes Recht gebunden fühlen“. Bleibe der Staat dauerhaft untätig, entstünden „Räume, in denen rechtsstaatliche Grundsätze keine Geltung mehr haben“, warnen sie weiter eindringlich.

Werbung

Es bestehe ein „existenzieller Handlungsbedarf“, heißt es in dem Brief weiter. Berlin drohe, bald als Ort wahrgenommen zu werden, „an dem man machen kann, was man will“, wo „Gesetze keine praktische Wirkung mehr entfalten“ und Verstöße „mangels funktionsfähiger Verwaltung“ wirkungslos blieben, so die Ordnungsamtsleiter in dem Brief.

Die Probleme seien der Verwaltung schon seit Langem bekannt, mahnen die Ordnungsamtsleiter weiter. Eine Neuaufstellung der Gewerbeaufsicht in Berlin, die eigentlich darauf abzielte, Abhilfe zu schaffen, ziehe sich seit Jahren hin, heißt es. Auch die Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung seien ungeklärt, was das Problem aus Sicht der Ordnungsämter verschärfe. „Es wurde viel geredet, Probleme wurden erkannt, Lösungsvorschläge erarbeitet, aber passiert ist dann nichts“, so heißt es im Brief.

Im letzten Oktober hatte Wegner bereits einen Brandbrief erhalten. Die Mitarbeiter des Berliner Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) wendeten sich im Oktober 2024 in einem verzweifelten Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Das berichtete der Tagesspiegel. Sie forderten dringend mehr Personal, sonst drohe der Umstand, dass es obdachlose Flüchtlinge und zeitgleich leerstehende Flüchtlingsunterkünfte gibt. Denn wegen des Personalmangels könnten „rechtssichere Vergaben“ für Flüchtlingsunterkünfte „nicht mehr sichergestellt werden“.

Lesen Sie auch:

Korruptionssumpf

„Bandenmäßiges Einschleusen“: Drei Verhaftungen nach Razzien um Skandal bei Münchner Ausländerbehörde

In München wurde offenbar ein Schleuser-Skandal in der Ausländerbehörde der Stadt aufgedeckt. Mehrere ehemalige Mitarbeiter sollen gegen Geld und Vorzüge Aufenthaltsbescheinigungen ausgestellt haben. Bei einer Razzia wurden nun 100.000 Euro in bar sichergestellt – drei Personen wurden zwischenzeitlich verhaftet.

Boris Cherny • 51

Kommentar

Meinungsverfolgung: Der Fall Bolz ist ein Wendepunkt

Eine Polizei-Razzia wegen harmloser Tweets ist inzwischen keine Seltenheit mehr – aber der Fall Bolz zeigt jetzt, dass vor dieser staatlichen Willkür kaum jemand mehr sicher ist. Und ruft damit auch immer mehr Kritiker von links auf den Plan. Folgt jetzt ein Umdenken?

Sebastian Thormann • 56

„Damit könnten bestehende und neue Flüchtlingsunterkünfte keinen Betreiber erhalten bzw. nicht mehr weiter betrieben werden“, heißt es in dem Brief. Er wurde vom Personalrat, der Schwerbehindertenvertretung und der Frauenvertreterin gemeinsam verfasst. Die Zahl der vom Landesamt betreuten Flüchtlinge sei innerhalb weniger Jahre um 3.000 auf 24.000 Flüchtlinge angestiegen. Das führe zu einer „massiven Überbelastung aller Mitarbeitenden“, wie der Tagesspiegel aus dem Brief zitiert.

Teilen: Zu den Kommentaren (77)