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Aufschrei

Weil sie anders wählten als erwünscht: Deutsche Politiker wollen Slowakei aus EU werfen

Die Slowakei hat am Sonntag einen neuen Präsidenten gewählt. Peter Pellegrini heißt der Gewinner. Jetzt kommen aus Deutschland direkt radikale Forderungen: Die Slowakei müsse nun aus der EU austreten, heißt es etwa – aber woher kommt der Hochmut?

Der regierungsnahe Parlamentspräsident Peter Pellegrini hat die Präsidentschaftswahl in der Slowakei für sich entschieden. Nach Angaben der Wahlkommission, die 99,8 Prozent der Wahlbezirke ausgezählt hat, führte der Sozialdemokrat mit einem klaren Vorsprung von gut 53 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer, der liberale Kandidat Ivan Korčok, erzielte knapp 47 Prozent der Stimmen. Zu besonderen Vorkommnissen kam es nicht: Eine saubere Wahl mit einem demokratisch legitimierten Ergebnis.

Doch die Positionierung Pellegrinis zum russischen Krieg gegen die Ukraine sorgt für scharfe Kritik aus Deutschland. Während Korčok im Wahlkampf eine entschlossene militärische Unterstützung der Ukraine gefordert hatte, mahnte Pellegrini zur Vorsicht bei Waffenlieferungen. Er betonte im Wahlkampf die Bedeutung von Friedensgesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und verwies dabei sogar auf die Positionen von Bundeskanzler Olaf Scholz. Bei seiner Stimmabgabe am Sonntag versicherte er nochmals, es gehe bei der Wahl „nicht um die künftige Ausrichtung der Außenpolitik“ der Slowakei. Die Slowakei werde auch weiterhin ein „starkes Mitglied der EU und der Nato bleiben“, sagte er. Die offizielle Amtsübergabe von Čaputová an den Wahlsieger Pellegrini ist für den 15. Juni geplant.

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Deutsche Politiker fordern EU-Austritt

Die Reaktionen nach seiner Wahl sind jetzt seitens deutscher Politiker aber überraschend radikal. Pellegrinis Haltung zögerliche Haltung gegenüber Waffenlieferungen sorgte bei namhaften Politikern in Deutschland für heftig erboste Reaktionen. Norbert Röttgen von der CDU sprach von einer „offener Sympathie“ Pellegrinis und des slowakischen Regierungschefs Robert Fico für Putin. Er fordere daher den sofortigen EU-Austritt der Slowakei und Ungarn, dessen Regierungschef Orbán er als das „trojanische Pferd Putins“ in der EU bezeichnete. Die EU dürften solche Tendenzen nicht länger tolerieren.

Röttgen ist mit seiner drastischen Forderung nicht allein: Auch Anton Hofreiter von den Grünen äußerte sich kritisch nach dem Wahlergebnis kritisch und brachte die Streichung von EU-Mitteln für die Slowakei, sollten dort Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefährdet sein, ins Spiel. Besonders betont wird dabei die Bedeutung des Präsidentenamtes in der Slowakei, das zwar hauptsächlich repräsentativen Charakter hat, aber dennoch einen gewichtigen Einfluss auf die öffentliche Meinung ausübt. In Krisenzeiten kann das Staatsoberhaupt sogar temporär eine Regierung einsetzen, wie es die derzeitige liberale Präsidentin Zuzana Čaputová im Jahr 2023 getan hat. Dennoch: Die Wahl am Sonntag war durch und durch demokratisch – die Sorge, die Slowakei könne sich jetzt am Rande der Demokratie und des Rechtsstaatsprinzips bewegen, wirkt weit hergeholt.

Der deutsche Hochmut

Und trotzdem fallen deutsche Politiker immer öfter unangenehm mit erhobene Zeigefinger gegenüber anderen EU-Staaten auf und werfen mit ihrem Verhalten unfreiwillig die Frage auf, in welcher Rolle sich Deutschland eigentlich fühlt, um solche Appelle zu halten. Jetzt sind es Hofreiter und Röttgen, die mit ihren radikalen Aussagen für Unverständnis auf dem internationalen Parkett sorgen, vor Kurzem war es Roderich Kiesewetter, ebenfalls einer der prominentesten Außenpolitiker der CDU, der mit ähnlich kruden Wut-Tweets gegen Ungarn für Irritation gesorgt hatte.

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So war es im Sommer in der Causa Kiesewetter ein Tweet Orbáns zur Migrationspolitik der EU, der besondere Unmut hervorbrachte: Orban schrieb darin „Ungarn wird die Brüsseler #Migrationsbeschlüsse nicht umsetzen. Wir werden keine verpflichtenden Quoten akzeptieren und keine Migrantenghettos errichten. Ungarn zuerst!“. Grund für Kiesewetter in den Twitter-Kommentaren darunter den NATO- und EU-Austritt Ungarns zu fordern – er kommentierte unmissverständlich „Leave EU and NATO!“ (dt.:„Verlass EU und NATO!“). Der Ausraster und die Austritts-Forderung sorgte in ungarische Botschaft, die sich damals gegenüber Apollo News äußerte, für Irritation: Man werde „ein klärendes Gespräch mit dem Abgeordneten anstoßen“, hieß es damals (Apollo News berichtete).

All das zeigt eine Geisteshaltung, die offenbar einige deutsche Politiker haben: Sobald ein Land, sei es Ungarn oder dieses Mal die Slowakei, nicht mit dem gewünschten Kurs folgen, stellt man sofort einen Rauswurf aus dem Staatenbund in den Raum. Die Europäische Union allein auf die Frage der Konformität in diesen Punkten zu beschränken, wie es Kiesewetter, Hofreiter und Röttgen tun, scheint eher wie eine absurde Karikatur der immer angepriesenen europäischen Zusammenarbeit.

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