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Thüringer CDU-Politiker fordern Zusammenarbeit mit der AfD

Die CDU-politiker Michael Heym, Ralf Liebaug und Ralf Luther sprechen mit Apollo News über die Lage vor Ort, das Scheitern von Merz' Brandmauer-Politik und die unausweichliche Öffnung zur AfD.

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Bestimmende Politiker der Thüringer CDU fordern eine Öffnung ihrer Partei zur AfD – und eine Abkehr von Merz‘ Brandmauer-Idee. Im Gespräch mit Apollo News nehmen der Landtagsabgeordnete Michael Heym, der Kreisvorsitzende Ralf Liebaug und der langjährige Landrat Ralf Luther Stellung zur Ausrichtung ihrer Partei gegenüber der AfD.

Aufgabe von Politik sei es „allein für das Wohl der Kommune und ihrer Bürger zu arbeiten.“ Alles andere stehe „uns als ‚gewählte Vertreter‘ auch nicht zu“ sagt Parteivorsitzender Ralf Liebaug. Ex-Landrat Luther, der als einer der einflussreichsten Stimmen der regionalen CDU gilt, sagt: „Die Menschen, speziell im Osten, lassen sich nicht bevormunden, weder von Politikern noch von den Medien. Darauf bin ich stolz.“ Nur so, sei „der rasante Anstieg der Wählergunst der AfD zu erklären.“ Die Brandmauer sei gescheitert. Abgeordneter Michael Heym meint, wenn sich die Partei weiter jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD verweigere, „zerreißt es die Partei“. Die Praxis der „kompletten Ausgrenzung“ werde sich „weiter unmöglich machen“ – andernfalls drohe das Parlament handlungsunfähig zu werden.

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Lesen Sie hier die ausführlichen Antworten auf Fragen von Apollo News:


Michael Heym,

CDU-Landtagsabgeordneter in Thüringen, war lange Jahre Stv. Fraktionsvorsitzender.

Apollo News: Nach aktuellen Umfragen steht die AfD bei 34 Prozent in Thüringen. Welchen Anteil hat die CDU daran? 

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Michael Heym: Es ist erstmal ein Versäumnis der ganzen politischen Klasse. Ich will mal so anfangen: Wir haben vor über 30 Jahren hier im Osten die friedliche Wende gehabt. Die Menschen hatten die Erwartung, dass sie in eine Demokratie eintauchen, wo das, was das Volk will, gesetzt ist. Wir erleben aber jetzt, dass die Leute enttäuscht werden – und zwar permanent. Das ist jetzt die Ampel in Berlin, auch in einem hohen Maß Rot-Rot-Grün hier in Erfurt, die ja 2019 abgewählt wurden – und damit nie ein Mandat vom Wähler bekommen haben. Natürlich aber auch davor die Ära Merkel.

Und die Bürger erleben, wie die Regierenden unter der Überschrift Demokratie tatsächlich agieren – und da ist natürlich ein wichtiger Aspekt der Umgang mit der AfD. Ich will da nur in meiner Legislatur bleiben: seit über 3 Jahren wird die Partei hier von allen Parteien gedisst. Bei banalsten Wahlen wie zum Beispiel Schriftführer im Landtag werden die Kollegen von der AfD nicht gewählt – und dann wirft man ihnen vor, sie würden die Arbeit verweigern. Das guckt man sich eine Zeit lang an, das kriegen die Leute draußen auch mit. Aber dann sagen sie: Geht’s noch?
Wir haben es inzwischen geschafft, dass die AfD ja eigentlich argumentativ gar nicht groß auftreten muss. Den Wahlkampf für die AfD machen alle anderen Parteien.

Dennoch hält die CDU noch an ihrer „Brandmauer“ fest – obwohl die AfD jetzt auf kommunaler Ebene teils stärkste Kraft wird und Bürgermeister und Landräte stellt. Wie soll das in Zukunft funktionieren?

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Eigentlich kann es ja nicht funktionieren. Auf kommunaler Ebene haben wir längst Situationen, wo die CDU zusammen mit der AfD abstimmt. Da geht es um ganz pragmatische Dinge: Bauen wir eine Straße, wo fährt der Bus lang? Sowas.
Und darüber regt sich eigentlich schon niemand mehr auf. Ähnliches erlebe ich im Thüringer Landtag, wo die Linke mit der AfD gemeinsam den Untersuchungsgegenstand, den die CDU beantragt hatte, erweitert hat. Da regt sich niemand auf.

Die Praxis der kompletten Ausgrenzung wird sich weiter unmöglich machen. Denn die AfD wäre nach den aktuellen Werten irgendwann in der Lage alle wichtigen Abstimmungen in Thüringen, wo eine zwei Drittel Mehrheit erforderlich ist, zu blockieren. Und wenn die AfD dann das gleiche Spiel spielt, was die letzten Jahr mit ihr gespielt wurde, dann ist das Parlament am Ende.

Wenn die AfD nicht verboten wird, dann muss man das akzeptieren und mit der gebotenen parlamentarischen Achtung voreinander miteinander umgehen.

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Heißt das, das man mit AfD zusammenarbeiten sollte?

Ja. Man muss mit allen Parteien reden. In Sachfragen muss man sich über alle Parteigrenzen hinweg verständigen. Man muss nach der besten Lösung ringen und darf nicht mit Vorbehalt in die Debatte gehen, alles was von der AfD kommt, sei schlecht. Das wird auf Dauer nicht funktionieren – schon gar nicht im Osten.

Friedrich Merz erklärt die „Brandmauer“ weiter für absolut und unverrückbar. Wird der zurückrudern müssen?

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Da kann ich nicht in die Glaskugel gucken. Aber im Osten kann es die CDU an der AfD-Frage zerreißen. Im Osten wird man nicht mehr handeln können, wenn man meint, alles ohne die AfD machen zu können. Merz hat mal gesagt, er traut sich zu, die AfD zu halbieren. Tatsächlich hat sie sich verdoppelt. Da scheinen doch die Rezepte nicht die richtigen gewesen zu sein.

Was ist anders im Osten?

Hier ist alles einfach ein bisschen drängender. Und die Menschen haben auch wegen ihrer Geschichte eine andere Sensibilität gegenüber fadenscheiniger Politik.
Viele Menschen im Osten haben nach der Wende Kredite aufgenommen, um ihre Häuschen zurecht zu machen, man hat eine damals zeitgemäße Heizung eingebaut, hat vielleicht das Dach saniert und gedämmt. Die Leute haben Jahrzehnte Verschuldung auf sich genommen, sind jetzt in der Phase, wo die Kredite so langsam auslaufen. Und jetzt kommt eine Bundesregierung, unter maßgeblichem Treiben der Grünen, die den Leuten sagt: so jetzt verschrottet eure Heizung, die taugt nichts mehr, ihr müsst jetzt was Klimafreundliches einbauen. Die Leute sind verunsichert, die Leute haben Angst und die Leute haben inzwischen auch Wut, weil die Art und Weise, wie da über ihre Köpfe hinweg entschieden wird, nicht mehr akzeptabel ist.

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Wenn da sich nicht grundsätzlich etwas ändert, dann werden wir bei den nächsten Wahlen die Götterdämmerung erleben.


Ralf Liebaug,

Vorsitzender der CDU in Schmalkalden-Meiningen.

Apollo News: Im Hinblick auf den Anstieg der AfD bis 34 Prozent in Thüringen – wie sollte die CDU damit insbesondere auf kommunaler Ebene umgehen? Sollte eine Zusammenarbeit weiter strikt ausgeschlossen werden?

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Ralf Liebaug: Für Parlamente mag der Unvereinbarkeitsbeschluss der Union ja irgendwie funktionieren. Allerdings sind Gemeinderäte, Stadträte und Kreistage mehr Bürgervertretungen als Parlamente. Ihr Auftrag ist allein für das Wohl der Kommune und ihrer Bürger zu arbeiten. Dafür gilt es die besten Entscheidungen zu treffen. Da können wir keine Rücksicht darauf nehmen, wer alles unserer Meinung ist oder wer sich auch schon mal mit einem Thema beschäftigt hat. Hier geht es um Sachpolitik, nicht Parteipolitik. Das gilt für alle Parteien, die in diesen Gremien sitzen, die dort hineingewählt wurden und nicht verboten sind.

Alles andere ist den Bürgern spätestens nach der nachträglichen Prüfung der Verfassungstreue des frisch gewählten Sonneberger Landrats der AfD durch das Thüringer Landesverwaltungsamt unter Leitung eines Präsidenten mit SPD-Parteibuch auch nicht mehr zu vermitteln. Die haben ihm immerhin bescheinigt ein lupenreiner Demokrat zu sein. Jedenfalls ist dem Thüringer Landesverwaltungsamt nichts Gegenteiliges bekannt. Damit haben sie die Brandmauertheorie zumindest ein Stück weit ad absurdum geführt. Im Ergebnis bleibt der Union nur ihren eigenen Kurs zu verfolgen, nicht auf andere zu zeigen, gute Arbeit in Form guter Politik für die Bürger zu machen und immer gut abzuwägen, was das Beste für den Landkreis ist. Etwas anderes steht uns als gewählte Vertreter auch nicht zu.


Ralf Luther,

war über 22 Jahre lang Landrat im Süden Thüringens und gilt bis heute als eine der gewichtigsten Stimmen seiner Partei in der Region.

Apollo News: Im Hinblick auf den Anstieg der AfD bis 34 Prozent in Thüringen – wie sollte die CDU damit insbesondere auf kommunaler Ebene umgehen? Sollte eine Zusammenarbeit weiter strikt ausgeschlossen werden?

Nicht nur die CDU, sondern alle Mitglieder eines Kreistages, sollten hier auf Zusammenarbeit setzen. Ein Landrat, wie in Sonneberg, er wurde demokratisch gewählt, ist u.a. für das Schulnetz , für die Kreisstraßen, für kommunale Einrichtungen, wie Krankenhäuser oder Alten-und Pflegeheime und den ÖPNV zuständig. Wie will man hier eine Zusammenarbeit verwehren, wenn seine Vorschläge und Anträge den Menschen in der Region dienen. Außerdem ist es in einer Demokratie nach dieser Wahl, der Wille einer Mehrheit im Landkreis. Unser Parteichef, von dem ich mal ein großer Fan war, hat ja mal vollmundig erklärt, die Wähler der AfD zu halbieren. Funktioniert hat das mit der Brandmauer nicht. Im Gegenteil, sie haben sich mehr als verdoppelt.

Die Menschen, speziell im Osten, lassen sich nicht bevormunden, weder von Politikern noch von den Medien. Darauf bin ich stolz. Nur so, ist der rasante Anstieg der Wählergunst der AfD zu erklären. Dazu kommt die katastrophale Arbeit der Bundesregierung, wo nur noch die Ideologie zählt und der Sachverstand auf der Strecke bleibt. Die einfachen Menschen unterscheiden hier nicht, wer für was zuständig ist.
Wie man die AfD wieder zurückdrängt, habe ich schon vor Jahren erklärt, als Angela Merkel gefordert hat, die Wahl zum MP in Thüringen rückgängig zu machen. Das Ergebnis haben wir heute. Wir wurden damals deutschlandweit durch den Kakao gezogen. Heute sehen es viele Politiker und Journalisten so. Wie hat mal Gorbatschow gesagt, wer zu spät kommt, bestraft das Leben.
Ich wohne in einem kleinen Dorf, bestehend aus zwei Ortsteilen, mit ca. 700 Einwohnern. Bei der letzten Landtags- und Bundestagswahl lag der Anteil der AfD bei 33 – 42 Prozent. Da ich selbst im Sport-, Karnevals- , Geflügelverein, Gemeinde-und Gemeindekirchenrat aktiv bin, weiß ich, wie einzelne so ticken. Keiner von den AfD Wählern und Sympathisanten sind Nazis bzw. tragen deren Gedankengut. Im Gegenteil, sie sind mit die aktivsten in den Vereinen.

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